Münchner Sicherheitskonferenz

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Bürgermeister von Tübingen: Boris Palmer (Grüne) Foto: imago

Unterfordertes Enfant terrible

Boris Palmer wird die Aufregung genossen haben daheim in Tübingen. Die Grüne Jugend war empört, natürlich. Grünen-Fraktionsgeschäftsführerin Britta Haßelmann, sonst eine Frau der leisen Töne, nannte ihn auf Twitter einen „Selbstdarsteller“. Und Grünen-Chef Cem Özdemir musste klarstellen, Palmer spreche weder für die Landes- noch für die Bundespartei.

Boris Palmer, 43, Oberbürgermeister von Tübingen und Grünen-Mitglied, hat wieder zugeschlagen. Vier Seiten im Spiegel, knackige Thesen zur Flüchtlingspolitik, alle geeignet, seine Parteifreunde zur Weißglut zu treiben. Es seien nicht die Zeiten für „Pippi-Langstrumpf- oder Ponyhof-Politik“. Die EU-Außengrenzen gehörten gesichert, bewaffnete Grenzer inklusive. Das Leben im Irak sei hart, sicher, aber es gebe dort Gebiete, die nicht von IS-Terroristen beherrscht würden, in die Menschen also zuerst fliehen könnten.

Palmer, das Enfant terrible der Grünen, war ganz bei sich. Seit 2007 regiert der Realo in Tübingen. Palmer ist hier erfolgreich und beliebt, erst im Oktober 2014 wurde er mit 61,7 Prozent wiedergewählt. Aber Tübingen ist für den Schnelldenker auch eine permanente Unterforderung. So ist er der einzige Bürgermeister Deutschlands, der von Hauptstadtreportern regelmäßig auf dem Handy angerufen wird. Ob er ein Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen fordert oder das eigene Steuerprogramm mitten im Bundestagswahlkampf 2013 kritisiert: Palmer formuliert schwungvoll und riskant, immer am konservativen Rand der Grünen und immer ohne Rücksicht auf die Parteilinie.

Deshalb hassen ihn seine innerparteilichen Gegner. Palmer haftet der Ruf an, sich auf Kosten der Partei zu profilieren, die ihm die Karriere sicherte. Auch deshalb flog er 2012 aus dem Parteirat. Dass das ewige Talent im Bund oder Land in die erste Reihe rückt, darf bezweifelt werden. Dass er die Grünen weiter laut kritisieren wird, nicht.

Ulrich Schulte