Mario Czaja muss zum Rapport

DRUCK Gerade erst wurden Vorwürfe bekannt, der Sozialsenator habe aus Rücksicht gegenüber CDU-Partei-freunden die Einrichtung von Flüchtlingsheimen verhindert. Nun beschäftigt sich der Senat mit dem Fall

Ist das ein Zeichen? In der Beliebtheits-Skala fiel Sozialsenator Czaja laut Forsa-Umfrage zuletzt vom Mittelfeld auf den vorletzten Platz Foto: Clemens Bilan/dpa

von Uwe Rada

Für Sozialsenator Mario Czaja (CDU) wird es immer ungemütlicher. Nachdem am Wochenende E-Mails aus dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) publik wurden, demzufolge die CDU Einfluss auf die Verteilung von Flüchtlingsheimen nahm, wird sich am heutigen Dienstag der Senat mit dem Fall beschäftigen. Dies kündigte Senatssprecherin Daniela Augenstein an. „Die Sozialverwaltung muss für Aufklärung sorgen“, sagte Augenstein der taz.

Zuvor hatte die B.Z. mehrere Mails veröffentlicht, darunter ein Schreiben von Czaja an den damaligen Lageso-Chef Franz Allert aus dem Jahr 2013. Darin heißt es, dass in Tempelhof-Schöneberg „keine weitere Unterkunft entstehen soll“. Konkret ging es um eine geplante Notunterkunft in Lichtenrade, die der CDU-Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak offenbar verhindern wollte. Im Februar 2013 meldete dann der Ortsverband Lichtenrade der CDU unter der Überschrift „Luczak war erfolgreich“: „Die Lichtenrader können endlich aufatmen: Das geplante Asylbewerberheim am Kirchhainer Damm kommt definitiv nicht!“

CDU entscheidet mit

Gegenüber dem Spiegel wies Luczak am Wochenende die Vorwürfe zurück. Es sei ihm ausschließlich darum gegangen, dass Flüchtlinge fair und ausgewogen auf alle Bezirke verteilt werden sollten. Sein Bezirk habe schon damals mit am meisten Flüchtlinge aufgenommen. Allerdings geht aus den E-Mails auch hervor, dass Tempelhof-Schöneberg eher im Mittelfeld und eben nicht an der Spitze der Bezirke mit den meisten Flüchtlingen lag.

„Czaja ist hoffnungslos überfordert, der Rücktritt überfällig“

Canan Bayram, Grüne

Dass es bei den Gesprächen zwischen dem Lageso und den Bezirken um die Standorte für Flüchtlingsunterbringung auch später noch einen parteipolitischen Hintergrund gab, belegt ein Mailwechsel vom September 2014, der der taz vorliegt. Darin geht es um die Schaffung von 100 Flüchtlingsplätzen in der Scharnweberstraße in Reinickendorf, die das Lageso mit dem Bezirksamt verabredet hatte. In einem Schreiben einer Abteilungsleiterin des Amtes an einen Mitarbeiter heißt es unter anderem: „Ich (...) rufe noch BzBm Balzer (CDU Bezirksbürgermeister Frank Balzer, die Red.) an, und danach informiert Sen die restliche CDU. Mit „Sen“ ist die Senatsverwaltung für Soziales und Gesundheit von Mario Czaja gemeint.

Auch in drei weiteren Fällen in Charlottenburg-Wilmersdorf, in Spandau und in Neukölln soll es eine parteipolitische Einflussnahme bei der Standortsuche von Flüchtlingsheimen gegeben haben. Darüber hinaus liegt der grünen Abgeordneten Canan Bayram ein Vermerk aus dem Lageso vor, demzufolge die zuständige Abteilungsleiterin verkündet habe, dass vor einer Entscheidung zunächst die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus zu Rate gezogen werden müsse. Für Bayram, die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus, ist das nicht nachvollziehbar. Wie ihre grünen Parteifreundinnen Renate Künast und Ramona Pop fordert auch sie den Rücktritt von Czaja. „Er ist hoffnungslos überfordert. Der Rücktritt ist überfällig“, sagte Bayram der taz.

Czaja verteidigte sich am Sonntag via Tagesspiegel. Es ging ihm damals um „eine sozial gerechtere Verteilung in den Bezirken“. Die Berlinerinnen und Berliner können seine Amtsführung freilich nicht mehr nachvollziehen. In einer neuen Umfrage von Forsa für die Berliner Zeitung fiel Czaja in der Beliebtheits-Rangliste unter Senatoren und Fraktionschefs vom Mittelfeld auf den vorletzten Platz ab. Allerdings lehnte die Mehrheit der Befragten seinen Rücktritt ab.