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Oxfam über Edeka-Kaiser’s-Fusion„Die Fusion ist gefährlich“

Wenn Edeka den Konkurrenten Kaiser’s Tengelmann schluckt, verdienen Landarbeiter noch weniger, warnt Franziska Humbert von der Hilfsorganisation Oxfam.

Wenn die gemeinsame Sache machen, haben Verbraucher und Erzeuger nichts zu lachen. Foto: dpa
Jost Maurin
Interview von Jost Maurin

taz: Frau Humbert, bald muss Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel entscheiden, ob er gegen den Willen des Bundeskartellamts die Übernahme der Supermarktkette Kaiser ’s Tengelmann durch Edeka genehmigt. Was halten Sie von den Fusionsplänen?

Franziska Humbert: Wir sehen darin eine große Gefahr. Schon jetzt bestimmen vier große Supermarktketten 85 Prozent des Marktes in Deutschland. Aldi, Lidl, Edeka und Rewe üben einen sehr großen Preis- und Kostendruck auf die Hersteller aus. Den laden die bei ihren Arbeiterinnen und Arbeitern ab.

Welche Konsequenzen hätte die Fusion für die Menschen in den Produktionsländern?

Die Arbeitsbedingungen werden noch schlechter. Im Bananen- und Ananasanbau zum Beispiel herrschen menschenunwürdige Bedingungen. Manche Löhne reichen nicht mal für das Existenzminimum. Wenn man in der Gewerkschaft tätig sein will, wird man entlassen. Sehr erschreckend ist auch der gesundheitsgefährdende Pestizideinsatz.

Glauben Sie wirklich, dass diese Produzenten ihre Arbeiter besser bezahlen, wenn sie mehr Geld von den Supermärkten bekämen?

Bananen werden oft unter den Produktionskosten verkauft. Wenn man nichts an den niedrigen Einkaufspreisen ändert, kann man nicht gleichzeitig fordern, dass zum Beispiel Bananen in Ecuador und Ananas in Costa Rica fairer hergestellt werden.

In Berlin etwa hätten Verbraucher nach der Übernahme an manchen Standorten nur noch Edeka und Rewe zur Auswahl

Welche Folgen hätte die Fusion für Bauern in Deutschland?

Man sieht ja an den zahlreichen Bauernprotesten wegen der niedrigen Preise beispielsweise für Milch, dass auch die Landwirte in Europa unter der großen Marktkonzentration leiden.

Warum sollte mich als Verbraucher die Übernahme interessieren?

Im Interview: Franziska Humbert

Die 42-Jährige ist Referentin für soziale Unternehmensverantwortung der Hilfsorganisation Oxfam. Edeka und Kaiser's Tengelmann kämpfen derzeit im Wirtschaftsministerium für ihre geplante Fusion.

Bei so einem Oligopol besteht immer die Gefahr, dass langfristig die Preise für die Verbraucher angehoben werden. Je höher die Konzentration ist, desto mehr verringert sich die Produktauswahl oder auch Produktqualität. In Berlin etwa hätte man nach der Übernahme an manchen Standorten nur noch Edeka und Rewe zur Auswahl. Vom moralischen Standpunkt her müssen sich die Verbraucher fragen, ob das für sie okay ist, wenn die niedrigen Preise nur zustande kommen, wenn andere darunter leiden. Ein Preis ist nicht fair, wenn er zu Menschenrechts- und Arbeitsrechtsverletzungen führt.

Welche Anzeichen gibt es, dass Edeka seine nach einer Fusion noch größere Macht missbrauchen würde?

Sie haben das ja schon gemacht, beispielsweise im Zuge der Übernahme des Discounters Plus. Da haben sie eine Palette von Zuzahlungen und Nachzahlungen von ihren Lieferanten verlangt. Kurz gesagt: Die sollten diese Fusion und den Umbau der Filialen finanzieren. Das Bundeskartellamt hat den Einsatz verschiedener unrechtmäßiger Handelspraktiken festgestellt.

Edeka argumentiert, nur die Komplettübernahme würde die 16.000 Arbeitsplätze bei Kaiser ’s Tengelmann sichern. Denn fast 200 Filialen seien defizitär. Viele würden keinen anderen Käufer finden. Was sagen Sie dazu?

Es gab mehrere Angebote, etwa von Migros aus der Schweiz. Außerdem ist ja nicht sicher, ob so viele Arbeitsplätze übernommen werden. Und schon gar nicht, was langfristig passiert.

Was halten Sie von dem Vorschlag, die Fusion mit Auflagen zu erlauben?

Das wäre kein guter Kompromiss. Die Macht von Edeka wäre trotzdem erheblich gestärkt.

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2 Kommentare

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  • Natürlich - und seit wann schaffen Konzentrationsprozesse Arbeitsplätze. Das ist einfach lächerlich, Arbeitsplätze werden dadurch vernichtet - nicht bei Tengelmann, aber bei der Konkurrenz.

  • Das ist die typische Haltung des Alligatorfütterers.

     

    Das Unterlaufen der Marktwirtschaft durch die Konzerne kann nur unterbunden werden, indem die Konzerne zerschlagen werden. Nicht die deutschen Handelskonzerne, sondern die internationalen Agrarkonzerne. Wenn kein einziger Anbieter seine Ware mehr zu den Hungerlohn-Preisen anbietet, müssen die Handelskonzerne wohl oder übel diese Preise akzeptieren. Gilt übrigens auch für die Milch von den deutschen Bauern. Hab’ bisher noch nicht gehört, dass deswegen Billigmilch aus China ins Aldi- oder Lidl-Regal kommt.

     

    Die erpresserische Ausbeutung in den Erzeugerländern ist systemimmanent, genau wie die neoliberal bedingten prekären Arbeitsbedingungen in deutschen Discounter-Supermärkten. Zu glauben, durch das Verhindern dieser Fusion würde sich irgendetwas ändern, ist naiv. Das heißt nicht, dass ich dieser oder anderen dieser Mammutfusionen zustimmen würde. Bis auf wenige regionale Ausnahmen wie Tegut sieht es im Einzelhandel von Flensburg bis Berchtesgaden überall gleich trostlos aus, das gilt für Lebensmittelsupermärkte genau wie für die immergleichen anderen Filialketten mit Ware, die fast durchweg weder fair, noch nach Ökostandards produziert wurde.

     

    Hinzu kommt, dass EDEKA offensichtlich ein Faible dafür hat, neue MEGA-Filialen vorzugsweise in Landschaftsschutzgebieten zu errichten und dafür massiv Lokalpolitiker beeinflusst und unter Druck setzt, wie Beispiele in NRW (Elmpt, Leichlingen) oder sogar in Österreich.