Kommentar EU-Bewertung von Glyphosat: Macht euch vom Acker!

Ist das Pestizid Glyphosat doch ungefährlich? Bauern benutzen jedenfalls nicht den puren Wirkstoff – und Gemische können gefährlicher sein.

Ein Mann steht neben einem Regal und hält einen weißen Kanister in der Hand

In diesen Kanistern lagert das Pestizid Foto: dpa

Alle chemisch-synthetischen Pestizide verbieten: Das sollte die Konsequenz aus dem Neuzulassungsverfahren für das meistverkaufte Ackergift Glyphosat sein. Die Überprüfung der Chemikalie hat einfach zu viele – und unlösbare – Probleme der Pestizidgesetze offengelegt.

Die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit, die jetzt erneut grünes Licht für Glyphosat gegeben hat, prüft etwas, was kein normaler Bauer kaufen kann: den puren Wirkstoff. Die Landwirte bekommen ihn immer gemischt mit Hilfssubstanzen, die etwa das Eindringen in die Pflanze erleichtern. Diese Gemische können gefährlicher sein als der reine Wirkstoff. Ihre schädlichen Effekte können sich Studien zufolge sogar potenzieren. Deshalb bringt es wenig, dass die EU-Behörde immer nur Wirkstoffe einzeln kontrolliert. So lassen sich Risiken nicht sicher ausschließen.

Zwar müssen laut Gesetz auch die Mischungen an sich geprüft und zugelassen werden. Aber dabei dürfen die Hersteller auf Tierversuche verzichten, ohne die meist keine verlässlichen Aussagen möglich sind.

Noch mehr Unsicherheit birgt die Tatsache, dass viele Landwirte mehrere Pestizidmischungen gleichzeitig aufs Feld sprühen. Und dass ein und dieselbe Pflanze im Laufe ihres Lebens mit verschiedenen Giften besprüht wird, weshalb sich dann in der Frucht oft Rückstände mehrerer Chemikalien finden. Es liegt nahe, dass sich die Stoffe gegenseitig verstärken. Doch die Zahl der möglichen Kombinationen ist sehr hoch. In der Praxis können die Behörden gar nicht alle seriös kontrollieren.

Diese Unsicherheiten sind zu gravierend, um Menschen Pestiziden auszusetzen. Chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel sind auch nicht nötig, um Nahrungsmittel zu produzieren. Das beweisen Biobauern, die ohne Ackergifte arbeiten. Zwar ernten sie pro Hektar im Schnitt ein Drittel weniger. Aber Deutschland und die EU produzieren sowieso schon viel mehr Lebensmittel als sie verbrauchen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.