Keine Mehrheit für umstrittenes Herbizid: Neue Runde im Glyphosat-Drama
Es geht um die Neuzulassung: Glyphosat erhält im EU-Ausschuss keine qualifizierte Mehrheit. Nun könnte die EU-Kommission allein entscheiden.

Kein Ende in Sicht beim Streit um das Glyphosat-Gift Foto: dpa
BRÜSSEL taz | Neue Schlappe für die Anhänger des umstrittenen Pflanzenschutzmittels Glyphosat: Bei einer Abstimmung der 28 EU-Staaten in Brüssel kam wieder keine Mehrheit für die geplante Neuzulassung zustande. Nun schieben sich Brüssel und Berlin gegenseitig die Schuld zu, auch in der Bundesregierung fliegen die Fetzen.
„Für dieses Ergebnis sind allein die Mitgliedstaaten verantwortlich.“ Mit diesen Worten reichte ein Sprecher der EU-Kommission am Montag den Schwarzen Peter an die EU-Länder weiter. Die Kommission hatte vorgeschlagen, die Zulassung für Glyphosat, die Ende Juni ausläuft, um maximal 18 Monate zu verlängern. Im zuständigen Fachausschuss kam dafür aber nicht die nötige qualifizierte Mehrheit zustande.
Zwar stimmten 20 EU-Staaten für die Verlängerung. Da aber Malta mit Nein votierte und sich Deutschland und weitere große Staaten wie Frankreich enthielten, repräsentiert die Mehrheit nicht wie gefordert 65 Prozent der EU-Bevölkerung – der Vorschlag fiel deshalb durch.
Das Glyphosat-Drama geht nun in die nächste Runde – Ausgang offen. Vor allem in Berlin streitet die Koalition. So warf Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) der SPD vor, aus ideologischen Gründen gegen die Neuzulassung zu sein. Er sehe es „mit Sorge, dass in einer solchen Frage Politik nach Belieben betrieben wird und nicht auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse“, sagte Schmidt der Rheinischen Post.
Dagegen lobte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) die Nicht-Entscheidung. Viele Mitgliedstaaten wollten erst die Krebsrisiken geklärt sehen, bevor das in Deutschland auf 40 Prozent aller Äcker versprühte Glyphosat weiter eingesetzt werden dürfe, sagte Hendricks. „Wir müssen dem Einsatz von Chemikalien in der freien Landschaft verantwortungsvolle Grenzen setzen“, betonte sie.
Die deutsche Enthaltung sei „peinlich“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der konservativen Fraktion im Europaparlament, Peter Liese (CDU). Die beste Lösung wäre eine begrenzte Zulassung unter strikten Auflagen. „Die bisherigen Vorschläge der EU-Kommission waren nicht streng genug“, fügte er hinzu.
Keine Kompromisse
Von einem „großen Erfolg der europäischen Zivilgesellschaft“ spricht dagegen der Grünen-Abgeordnete Sven Giegold. Verbraucherschutz- und Umweltverbände hätten den Regierungen klargemacht, dass beim Vorsorgeprinzip keine Kompromisse gemacht werden dürfen. Die EU-Kommission dürfe nun nicht im Alleingang handeln – und selbst eine Verlängerung genehmigen.
Doch genau darauf könnte es hinauslaufen – wenn auch noch nicht sofort. Zunächst wolle man über das weitere Vorgehen beraten, sagte ein Kommissionssprecher.
Danach dürfte es wohl eine weitere Abstimmung geben, diesmal in einem Berufungsausschuss. Wenn auch die in die Hose geht, könnte die Brüsseler Behörde die Neuzulassung im Alleingang beschließen. Denn zum einen gilt sie als Anhängerin des umstrittenen Produkts. Zum anderen würde sie Klagen von Konzernen wie dem Glyphosat-Hersteller Monsanto riskieren, wenn die Zulassung Ende Juni einfach ausliefe.
Leser*innenkommentare
the real günni
also wir haben hier einen bundeslandwirtschaftsminister, der immer schoen im hintergrund bleibt und nie einen kommentar abgibt, aber nach dieser schlappe sein wahres gesicht zeigt: Er sehe es „mit Sorge, dass in einer solchen Frage Politik nach Belieben betrieben wird und nicht auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse“.
wirklich? als was sieht er denn die WHO, als kasperletheater? hat unser landwirtschaftsminister noch alle tassen im schrank?
und noch einen drauf setzen muss der gesundheitspolitische Sprecher der konservativen Fraktion im Europaparlament, Peter Liese (CDU), die deutsche Enthaltung sei „peinlich“.
Demokratie ist peinlich? sich bei der zulassungsabstimmung bei einem wahrscheinlich krebserregenden und mit sicherheit embryoschaedigenden totalherbizid zu enthalten, sei peinlich? sagt ein sprecher fuer gesundheit.
tja. vielleicht sollten mal beide politiker ihre posten raeumen?
Jörg 70
Bei dem Thema Glyphosat wird laut geschrien. Für Glyphosat gibt es aber Grenzwerte und ist nicht als Lebensmittel zugelassen. Mit dem Thema Glyphosat treffen wir ja die üblich verdächtigen. Was ist den mit Cola? Ist diese nicht viel gefährlicher, weil als Nahrungsmittel zugelassen? Ist TTIP ein Segen für uns weil der Farbstoff dann auch hier verboten werden könnte? http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/umstrittener-farbstoff-krebsgesetz-zwingt-cola-konzerne-zum-handeln-a-820382.html
Georg Marder
Und für was soll das jetzt ein Argument sein? Die eine Ungerechtigkeit rechtfertigt das Schweigen bei der anderen Ungerechtigkeit? Oder. Weil es Grenzwerte gibt, darf es auch dann, wenn die gesundheitliche Gefährdung sich entgegen bisheriger Behauptungen als wahrscheinlich sehr hoch herausstellt, weiterhin eingesetzt werden und niemand darf "schreien".
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34718 (Profil gelöscht)
Gast
Also wenn eine Frage zur demokratischen Abstimmung steht und abgelehnt wird. Dann wird sie einfach so oft wiederholt bis es eine Zustimmung gibt? Nein heisst nein, pech.
33293 (Profil gelöscht)
Gast
Wer hat diese EU-Kommision gewählt? Ich nicht! Sollten Sie Glyphosat zulassen so ist schlichtweg Unrecht. Wieso kann Monsanto die EU verklagen? Ich verstehe diese Welt nicht. Zeit für eine Revulotion.
Georg Marder
EU-Strategie: Ergebnis steht schon fest. Dann DU-Staaten abstimmen lassen. Wenn das Ergebnis nicht JA ist, dann vertagen. Wenn so kein JA erreichbar ist, dann Berufungskommission einsetzen und entscheiden lassen. Wenn diese Berufungskommission dann auch nicht JA sage, dann entscheidet die EU-Kommission im Alleingang. Wozu der ganze Aufwand - soll die EU-Kommission doch gleich selber entscheiden! Dieses Schauspiel ist nicht mehr zu ertragen.
1714 (Profil gelöscht)
Gast
Mit einer Zulassungsgenehmigung durch die EU Kommission, gegen den Willen größter Teile der europäischen Bevölkerung, liefert die Kommission einen erneuten Beweis, dass sie undemokratisch und lobbygesteuert ist. Das sind Elfmeter für die Rechtspopulisten, die solche Beispiele sammeln...