Ermittlungen zur Neonazi-Zelle: Sündenbock Vorratsdaten

Niedersachsens Justizminister rechnet mit Verzögerungen bei den Ermittlungen zu den Neonazi-Terroristen. Und macht die fehlende Vorratsdaten dafür verantwortlich.

Erst als die Terrorzelle ein halbes Haus wegsprengte um Beweise zu vernichten, wurde sie bemerkt. Bild: dpa

HANNOVER dpa/taz | Niedersachsens Justizminister Bernd Busemann (CDU) rechnet mit erheblichen Verzögerungen bei den Ermittlungen zur Zwickauer Neonazi-Terrorzelle. Obwohl die Zelle bereits dreizehn Jahre im Untergrund bestand ohne aufzufliegen, sieht Busemann als Grund für längere Ermittlungen vor allem fehlende Verbindungsdaten für Mobilfunk und Internet.

Angesichts der fehlenden Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung werde die umfassende Aufklärung der Morde wohl "sehr lange brauchen", sagte der Ressortchef am Dienstag in Hannover. Als Grund gab Busemann an, dass "geeignete Instrumente für die Aufklärungsarbeit nicht zugelassen" wurden.

Der Fall der mutmaßlichen Rechtsterroristen habe verdeutlicht, "dass ohne eine Regelung zur Einsicht in die Verkehrsdaten von Mobiltelefonen und Internetverbindungen die Ermittlungen behindert und mögliche Unterstützer der Rechtsterroristen sich vor der Strafverfolgung geschützt sehen". Busemann forderte daher eine rasche Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung: "Es besteht dringender Handlungsbedarf."

Vorratsdaten brachten keinen Ermittlungserfolg

Vor Bekanntwerden der Neonazi-Terrorzelle hatte die Polizei häufig Angehörige der Opfer verdächtigt und war von Verbindungen zu Drogenkriminalität oder organisierter Kriminalität ausgegangen. Zwischenzeitlich hatte die Vorratsdatenspeicherung gegolten - ohne Ermittlungserfolg: Erst im März 2010 kippte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die bis dahin geltende Vorratsdatenspeicherung, die eine sechsmonatige Speicherung vorsah. Seitdem ist die Neuregelung offen - am Dienstag lief eine EU-Frist aus.

Dem Zwickauer Neonazi-Trio Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe werden zehn Morde sowie weitere Gewalttaten wie Banküberfälle zur Last gelegt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Mit der taz Bewegung bleibst Du auf dem Laufenden über Demos, Diskussionen und Aktionen gegen rechts.

Hier erfährst du mehr

Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.