Ombudsstelle für Terroropfer: Die "große Schwester" soll vermitteln
Berlins ehemalige Ausländerbeauftragte Barbara John wird Ombudsfrau für die Opfer des Neonazi-Terrors. Nun soll sie eine scheinbar unmögliche Aufgabe erfüllen.
BERLIN taz | Es ist eine unmögliche Aufgabe: Das Innenministerium richtet eine Ombudsstelle für die Opfer der "Zwickauer Terrorzelle" ein. Unmöglich, weil niemand zehn Jahre Trauer, üble Nachrede und staatliche Diffamierung wettmachen kann, die die Familien erlebt haben. Und doch hat das Ministerium für diese Stelle, die finanzielle und psychologische Hilfen koordinieren soll, mit Barbara John eine denkbar geeignete Besetzung gefunden.
Die heutige Chefin des Paritätischen Wohlfahrtsverbands war 22 Jahre lang Berliner Ausländerbeauftragte. Von 1981 bis 2003 brachte sie ihrer Partei, der CDU, bei, dass wir in einem Einwanderungsland leben und Integration nottut. "Je weniger die Zugewanderten sich angenommen fühlen, desto eher werden unsere Befürchtungen von einer Radikalisierung wahr", so beschreibt sie in einem Radiointerview ihre Geschäftsgrundlage, "je mehr sie sich angenommen fühlen, desto eher werden sie sich identifizieren und unsere Freiheiten zu schätzen wissen."
John war als Ausländerbeauftragte vor allem viel bei den verschiedenen Einwanderergruppen unterwegs. Sie war schon immer deren Ombudsfrau, weshalb die türkische Community sie adoptierte: "Abla John", große Schwester John, wird sie in Berlin noch heute genannt.
Schaltete sich in alle großen Debatten ein
Barbara John hält wenig von Islamkritik und viel vom Wandel durch Annäherung. In alle großen Debatten zum Islam schaltete sie sich ein: Sie kritisierte, dass die Kopftuchverbote für Lehrerinnen Diskriminierungen von Kopftuchträgerinnen in allen Berufen nach sich zogen. Sie beteiligte sich am Statement "Gerechtigkeit für Muslime", in dem 60 MigrationsforscherInnen kritisieren, dass die deutsche Integrationspolitik sich auf Vorurteile über Muslime stütze.
Namentlich wird etwa die islamkritische Autorin Necla Kelek angegriffen - die sich wehrt und ihrerseits John vorwirft, "Probleme weg zu idealisieren". Thilo Sarrazin, den Islamfeind der SPD, nennt sie einen "verbalen Triebtäter".
Die ersten Opfer des Nazi-Trios hat John schon kontaktiert. Konkrete Probleme sind ihr Fachgebiet, als "große Schwester" traut man ihr zu, den richtigen Ton und Umgang zu finden. Dabei hilft ihr sicher auch, dass sie selbst Einwandererkind war: Ihre Eltern kamen aus Polen.
Leser*innenkommentare
T. Baader
Gast
Frau John war eine der Unterzeichnerinnen des berüchtigten Manifests der 60?
Sorry, aber wenn gequälte, zwangsverheiratete und unterdrückte Frauen ihre Erlebnisse mühsam verarbeiten und dann zu Papier bringen, bloß um sich von "Migrationsforschern" auf herabwürdigende Art und Weise sagen lassen zu müssen, dass es sich bei diesen Erlebnisberichten um "reißerische Pamphlete" (O-Ton) handelt... dann spreche ich allen an dem Manifest beteiligten Personen, also auch Frau John, die Empathie und den Willen ab, sich ernsthaft für die Belange von Migranten einzusetzen.
Frau John ist daher, anders als der Artikel es suggeriert, eine klare Fehlbesetzung.