Kolumne Luft und Liebe: Ein Tiramisu für den Smarties-Mann

Die Union will nicht, dass es die „Pille danach“ rezeptfrei in Apotheken gibt. Sie bringt – Überraschung – dumme Argumente.

Pille danach? Smarties? Schwer zu sagen, ganz schwer. Bild: dpa

Wer „Pille danach“ bei der Bildersuche der Nachrichtenagentur dpa eingibt, findet 29 Fotos: neunmal alte Männer, zweimal eine Ärztin und einmal eine junge Frau. Der Rest sind Bilder von Pillen und Krankenhäusern (und ein Rudi Völler). Von den Männern ist einer mit erhobenem Zeigefinger zu sehen und einer in Bischofskleidung mit gefalteten Händen. Das sagt viel über die Pille-danach-Debatte.

Der Expertenausschuss für Verschreibungspflicht empfiehlt, die Rezeptpflicht für die Pille danach aufzuheben (für die mit den Wirkstoff Levonorgestrel). Die WHO empfiehlt dasselbe. Das heißt, eine Frau, die im Notfall die Pille danach nehmen will, sollte diese, inklusive Beratung, in der Apotheke bekommen. Ohne dass sie vorher zum Arzt muss. Das ist in allen anderen EU-Ländern bereits so, außer in Italien und Polen.

Die Union ist dagegen. Allen voran Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, ohne medizinische Ausbildung, dafür mit crazy Frauenbild. Er denkt, wenn es die Pille danach rezeptfrei gibt, fangen Frauen an, sich davon zu ernähren. „Man muss es wohl immer wieder sagen: Das sind keine Smarties.“ Im Fernsehen und auf Twitter redet Herr Spahn sich um Kopf und Kragen. Den Shitstorm, den er vor einem Jahr schon mal abbekommen hat, fängt er sich einfach noch mal ein. Wieder unter dem Hashtag #wiesmarties.

Herr Spahn betont die Thrombosegefahr bei der Pille danach. Klar. Nur: Thrombosen kann man leider auch durch Schwangerschaften kriegen. Ja, Medikamente können gefährlich sein. Das ganze Scheißleben kann gefährlich sein. Umbringen kann man sich mit Autos, Zügen, Brücken, Wäscheleinen, Bohrmaschinen, Schnaps, Kloreiniger, Zoobesuchen, Flugzeugflügen, Grillanzünder, Fischgräten und Zigaretten. Man kann vermutlich, je nachdem wie man sich anstellt, sogar an einem CDU-Parteibuch ersticken.

Natürlich sollte man einiges wissen, bevor man die Pille danach schluckt. Wie bei anderen Medikamenten sind Apothekerinnen und Apotheker allerdings fähig, über die Risiken und Nebenwirkungen aufzuklären.

Der Witz dabei ist, Frauen die Entscheidung, was sie mit ihrem Körper machen, zuzugestehen. Es heißt, ihnen zuzutrauen, dass sie entscheiden können, ob sie lieber die Nebenwirkungen der Tablette in Kauf nehmen oder die einer ungewollten Schwangerschaft.

Es heißt, Frauen davon zu befreien, in einer eh schon beschissenen Lage einen Arzttermin kriegen zu müssen, möglicherweise stundenlang im Wartezimmer zu sitzen – in einer Situation, in der jede Stunde zählt. Es heißt oft, Frauen beknackte Bemerkungen von ärztlicher Seite zu ersparen (die kann der Apotheker immer noch machen). Und es heißt in einigen Fällen auch, einer Frau, die womöglich vor wenigen Stunden vergewaltigt wurde, eine ärztliche Untersuchung mit vaginalem Ultraschall zu ersparen.

Jens Spahn hat im Interview mit der, nun ja, Jungen Freiheit, mal gesagt, für „ein wirklich gutes Tiramisu“ lasse er alles stehen und liegen. Alles? Da lässt sich doch was drehen! Einmal Tiramisu für Herrn Spahn, bitte. Ein wirklich gutes und sehr, sehr großes.

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Jahrgang 1986. Schreibt seit 2009 für die taz über Kultur, Gesellschaft und Sex. Foto: Esra Rotthoff

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