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Anführer des Protests in Thailand getötetKopfschuss für den Widerstand

Einer der führenden regierungskritischen Aktivisten ist am Sonntag in Thailand erschossen worden. Er ist das zehnte Todesopfer seit Beginn der Proteste vor drei Monaten.

Das Königreich Thailand wird seit fast drei Monaten von einem Machtkampf zwischen Regierung und Opposition erschüttert. Bild: ap

BANGKOK afp | In Thailand hat sich die Lage nach dem gewaltsamen Tod eines Anführers der regierungskritischen Proteste in Bangkok zugespitzt. Suthin Tharathin sei am Sonntag während einer Rede vor Demonstranten in den Kopf geschossen worden, sagte ein Sprecher der Protestbewegung. Regierungsgegner erzwangen unterdessen die Schließung von Wahllokalen zur vorzeitigen Stimmabgabe für die vorgezogene Parlamentswahl am kommenden Sonntag.

Der Sprecher der Protestbewegung, Akanat Promphan, sagte, Suthin sei Mitglied der Dharma-Armee gewesen, einer maßgeblich an den Protesten beteiligten buddistischen Organisation. Das Notfallzentrum Erawan in Bangkok bestätigte, dass bei dem Vorfall in einem Vorort der Hauptstadt ein Mann getötet und neun weitere Menschen verletzt wurden.

Akanat machte „regierungstreues Gesindel“ für den Tod des Protest-Anführers verantwortlich. Die Regierung habe zwar über Bangkok und Umgebung den Ausnahmezustand verhängt, sie habe aber „weder Schutz noch Sicherheit“ geboten. Suthin ist das zehnte Todesopfer seit Beginn der Proteste vor knapp drei Monaten, hunderte Menschen wurden verletzt. Beide Seiten geben sich regelmäßig gegenseitig die Schuld für die Gewalt.

Die Regierungsgegner wollen die von Ministerpräsidentin Shinawatra Yingluck angesetzte vorgezogene Parlamentswahl verhindern, weil sie eine Niederlage befürchten. Zahlreiche Demonstranten blockierten deshalb bereits am Sonntag die meisten Wahllokale in Bangkok und in mehreren südlichen Provinzen. Allein in Bangkok wurden daraufhin auf Anordnung der Behörden mindestens 45 von 50 Wahllokale geschlossen.

Stimmabgabe verhindert

Tausende Wahlberechtigte, die am kommenden Sonntag verhindert sind, konnten ihre Stimme deshalb nicht abgeben. In 66 von 76 Provinzen, darunter die Regierungshochburgen im Norden und Nordosten, blieben die Wahllokale nach Regierungsangaben geöffnet. Das Königreich Thailand wird seit fast drei Monaten von einem Machtkampf zwischen Regierung und Opposition erschüttert.

Die Gegner von Ministerpräsidentin Yingluck Shinawatra erhöhten mit zahlreichen Protestmärschen stetig den Druck. Immer wieder gab es dabei Schießereien und Explosionen. Die Opposition fordert den Rücktritt der Regierung und will einen nicht gewählten sogenannten Volksrat einsetzen. Dieser soll eine Reihe nicht genau definierter Reformen umsetzen.

Die Proteste hatten sich im November an einem von der Regierung befürworteten Amnestiegesetz entzündet, das Yinglucks Bruder, dem früheren Regierungschef Thaksin Shinawatra, wohl eine Rückkehr aus dem Exil erlaubt hätte. Yinglucks Regierung ließ das umstrittene Amnestievorhaben inzwischen fallen, vermochte ihre Gegner damit aber nicht zu beruhigen.

Thaksin war im Jahr 2006 vom königstreuen Militär entmachtet und später wegen Korruption verurteilt worden. Er ist vor allem auf dem Land und bei ärmeren Stadtbewohnern beliebt, für die Mittelklasse und Oberschicht hingegen ein Feindbild. Seine Gegner sehen Yingluck als „Marionette“ ihres Bruders, dem sie Bestechung und Stimmungsmache gegen die Monarchie vorwerfen.

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9 Kommentare

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  • L
    LarsLp

    Thailands Wähler und das sind immer noch die Mehrheit fühlen sich um Ihr Recht gebracht, wählen zu gehen, weil eine Minderheit, der gelbe Mob die Wahllokale blockiert hatte. Hier aus "The Nation":

    http://www.nationmultimedia.com/politics/Frustrated-voters-say-rights-violated-30225266.html

  • Nachdem inzwischen Stimmen laut wurden, daß der heutige Tod des Suthin Tarathin vermeidbar gewesen wäre, wenn sich "Ma-dam" bequemt hätte, sich schon am Samstag oder Sonntag mit der Wahlkommission zu treffen, um die Verschiebung der Wahlen zu beschließen, hat Yingluck, die Interims-Premierministerin, sich anscheinend doch noch entschlossen, ihren Termin von Dienstag auf den morgigen Montag vorzuziehen. Man wundert sich: Sie ist - zumindest bei Kleinigkeiten - doch lernfähig. Respekt, daß sie ihren gravierenhden Fehler sich und der Bevölkerung öffentlich eingesteht.

  • Wie der Anschlag gem. der "Bangkok Post" und anderer Medien in Thailand abgelaufen ist, habe ich hier schon zusammengefaßt:

     

    http://taz.de/Unruhen-in-Thailand/!131645/

     

    Für alle, die weder Thai lesen noch verstehen können (und auch nicht wissen, warum "Ma-dam Yingluck" so genannt wird).

     

    LOL

    • B
      Bangkoker
      @Raoul Duarte:

      Sie verbreiten hier ein völlig falsches Bild. Ich lebe in Bangkok und hier gibt es viele wütende Geschäftsleute die auch schon angedroht haben zu schiessen wenn die blockade von suthep nicht aufhört. Suthep hat die Toten zu verantworten! Sie schreiben hier als könnten Sie die Situation besser beurteilen sind aber nicht vor Ort!

  • 7G
    774 (Profil gelöscht)

    Ein Anführer der Gelbhemden wurde erschossen. Und natürlich sollen die Regierung oder die Rothemden dahinter stecken. Das wiegelt die Gelbhemden logischerweise noch mehr auf. Just zu einem Moment, als die Protestbewegung zu erlahmen schien. Wieder einmal nützt das Attentat Suthep. Daher ist m. M. nach er dahinter zu vermuten.

  • "Die Gegner von Ministerpräsidentin Yingluck Shinawatra erhöhten mit zahlreichen Protestmärschen stetig den Druck. Immer wieder gab es dabei Schießereien und Explosionen."

     

    Nur zur besseren Verständlichkeit:

     

    Immer wieder gab es Schüsse aus dem Hinterhalt und Bombenwürfe auf die friedlichen Demonstranten. In diesem Fall sollen sogar nachweisbar sog. "red-shirts" den Angriff auf die unbewaffnete Gruppe gestartet haben.

    • 7G
      774 (Profil gelöscht)
      @Raoul Duarte:

      So so, die redshirts sind die Angreifer. Komisch, daß die auf jeden ein Attentat verüben, außer auf Suthep.

      • A
        Akapor
        @774 (Profil gelöscht):

        Stimmt. Immer wenn er gerade durch ist. Komisch oder? Bei seiner letzten Kundgebung hat er, in schußsicherer Weste, um die Hilfe der Armee geflennt. Er weiß wohl, daß er die Übersicht inzwischen verloren hat. Der gute Herr Multimilionär aus dem Süden, gegen den inzwischen 4 Haftbefehle laufen. Einer davon wegen Mord, wegen seiner Beteiligung an den Ausschreitungen 2010, als stellvertretender Ministerpräsident.

    • JT
      Jack Tripleseck
      @Raoul Duarte:

      Irrtum. Die roten Flaggen, in der Nähe des Getöteten, die auch im Video zu sehen sind, haben nichts mit den Red-Shirts zu tun. Es sind die Flaggen des daneben liegenden Tempels. Es gab weder gelbe noch rote Shirts an dem Ort, wo der Mord geschah.Sie sollten sich besser informieren.

       

      RED: Kommentar gekürzt