Israel-Kritik in Berlin: Demo ohne Denkverbote

Erstmals demonstrieren jüdische, palästinensische und deutsche Vereine zusammen für ein Ende des Gazakrieges. Sie üben harte Kritik an Israels Regierung.

9.8.: Demo mit Palästinenser-Fahnen am Potsdamer Platz in Berlin. Bild: reuters

BERLIN taz | Rund 2.000 Menschen haben am Samstag in Berlin für ein sofortiges Ende der israelischen Angriffe auf den Gazastreifen sowie für eine Aufhebung der Blockade- und Besatzungspolitik demonstriert. Die Teilnehmer folgten einem Aufruf eines breiten Bündnisses von über 50 Organisationen, zu denen die Palästinensische Gemeinde in Deutschland, die Arbeitsgruppe Nahost der Berliner Grünen sowie der Verein „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ zählten.

Es war die erste Demonstration, bei der sich palästinensische, deutsche und jüdische Gruppierungen zusammengeschlossen haben, um gemeinsam für ein Ende des Gazakrieges zu demonstrieren. Seit dem Ausbruch des Krieges vor knapp fünf Wochen gingen in mehreren Städten propalästinensische Demonstranten auf die Straße. Immer wieder wurde ihnen Antisemitismus vorgeworfen.

Die Veranstalter der Berliner Demonstration am Wochenende distanzierten sich deshalb vorab von jeglichen rassistischen, antisemitischen und antimuslimischen Parolen. Und die Teilnehmer hielten sich daran. Das bestätigte auch ein Polizeisprecher. Mit harter Kritik an der aktuellen israelischen und deutschen Politik sparten sie dennoch nicht.

Iris Hefets vom Verein „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ sagte zur taz, der Verein fordere die sofortige Aufhebung der Gaza-Blockade, die Einstellung deutscher Waffenlieferungen an Israel sowie die Anklage der israelischen Regierung vor einem internationalen Gerichtshof. Den Antisemitismusvorwurf an Pro-Palästina-Demonstranten bezeichnete Hefets als eine von deutschen Medien befeuerte Debatte. Damit sollten Demonstrationen gegen Israel delegitimiert werden.

Problem Zionismus

Raif Hussein von der Palästinensischen Gemeinde in Deutschland nannte die Politik der israelischen Regierung „puren Faschismus“ und forderte, „dass ihre Verbrechen verfolgt und die Verantwortlichen angeklagt werden“. Er verband seine Aussage mit einem Boykottaufruf gegen Israel. Gleichzeitig stellte er klar, dass das Problem „der Zionismus“ sei. „Nicht jeder Israeli ist ein Zionist. Nicht jeder Zionist ist ein Jude, und nicht jeder Jude ist ein Israeli. Wer das nicht verstehen will, gehört nicht zu uns und auf dessen Unterstützung verzichten wir.“

Anwesend war auch Martin Lejeune, freier Journalist und taz-Autor, der seit dem 22. Juli aus dem Gazastreifen berichtet. Unter den israelischen Angriffen seien gezielte Massaker gegen Männer, Frauen und Kinder gewesen, die nichts mit den Hamas-Kämpfern zu tun hätten, erzählte Lejeune, der am Montag wieder in den Gazastreifen fliegt. Israel hat nach Militärangaben seit Beginn des Kriegs 5.000 Ziele im Gazastreifen angegriffen, militante Kämpfer in dem Gebiet feuerten mehr als 3.000 Raketen auf israelisches Territorium ab. Mehr als 1.900 Bewohner in Gaza kamen ums Leben, auf israelischer Seite wurden bislang 67 Menschen getötet.

Auf der Abschlusskundgebung in Berlin wurde auch ein offener Brief von mehr als 350 deutschen Künstlern veröffentlicht. Darin fordern unter anderem der Regisseur Schorsch Kamerun, der Schriftsteller Rupert Neudeck und die Musikerin Nina Hagen die deutsche Bundesregierung dazu auf, sich für die elementaren Rechte und den Schutz der palästinensischen Bevölkerung einzusetzen. Die Bundesregierung steht fest an der Seite Israels. Die Welt am Sonntag berichtete, dass bis zu 250 Bundeswehrsoldaten im Häuser- und Tunnelkampf durch die israelischen Streitkräfte ausgebildet werden sollen, um für sogenannte asymmetrische Bedrohungsszenarien besser gewappnet zu sein.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.