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Künstlerin Paula Modersohn-BeckerWarum sollten sie lachen?

Paula Modersohn-Becker ist mit einer Schau im Museum Louisiana in Kopenhagen vertreten. Die Malerin wird endlich auch international beachtet.

Paula Modersohn-Becker, Selbstbildnis am 6. Hochzeitstag (1906), Ausschnitt. Bild: Paula Modersohn-Becker Museum, Bremen

Eine Unbekannte ist sie natürlich nicht. In den siebziger Jahren, neben vielem auch ein Jahrzehnt der Suche nach Ausstiegen aufs Land, in die Natur, ins wolkenverhangen Erdige, waren ihre Bilder besonders beliebt – gern als großformatige Poster, auch Kalender mit ihren Werken fanden guten Absatz.

Paula Modersohn-Becker – das war die bekannteste Frau der Künstlerkolonie von Worpswede, in die es sie zog, weil diese Lebensform sie anzog. Mit Männern wie Otto Modersohn, Heinrich Vogeler und einem Dichter wie Rainer Maria Rilke wurde dort die Atmosphäre der Weltentrücktheit gepflegt, der gediegenen Melancholie.

Die Malerin, deren Bildern eine verblüffende Verwandtschaft zu Arbeiten von Paul Cézanne und Paul Gauguin eigen ist, farblich und figürlich, war das Kind einer bildungsbürgerlichen, kunstsinnig-liberalen Familie aus Dresden. Ihre malerische Passion, gefördert durch die Familie, ist bis ins Frühjahr im nördlich von Kopenhagen gelegenen Museum für zeitgenössische Kunst von Louisiana zu sehen.

Mehr als 100 der 700 Bilder Modersohn-Beckers kommen dort zur Geltung. Geht man die Gänge der Ausstellung entlang, erschließt sich auf Anhieb, dass sich diese Malerin für nichts weniger als für ökoinspirierte „Hinaus aufs Land zum einfachen Leben“-Fantasien eignet.

Die Ausstellung

„Paula Modersohn-Becker“: Louisiana Museum of Modern Art, Kopenhagen, Humlebæk, bis 6. 4. 2015, Katalog 298 Dänische Kronen.

Karg und kühl

Die Objekte sind sinnvoll sortiert und gehängt. Kuratorin Tine Colstrup sucht Modersohn-Becker in ihrer Zeit zu präsentieren. Eine beeindruckende Reihe an Naturbildern aus dem Teufelsmoor bei Bremen zeigen gerade nicht liebliche Birklein und possierliches Getier; vielmehr sieht man an allen Schattierungen, warmen Farben, die üble Arbeit, die in einer solchen Landschaft geleistet werden muss, um dort zu leben. Karg und kühl. Der schöne Schein der weiten Horizonte wird von Modersohn-Becker gemalt, dass die provinzielle Bedrückung spürbar werden muss.

Mehr jedoch als die auch im Oeuvre der Modersohn-Becker eher seltenen Stillleben überzeugen die Bilder mit Menschen. Vor allem die von ihr selbst. Malte sich nackt – die erste Künstlerin, die dies tat. Auch die Porträts ihres Geliebten Rainer Maria Rilke – wobei es ein Rätsel bleiben kann, weshalb sie seine Augen stets ohne Pupillen malte: Er, der ihr Begehren schätzte, wirkt auf diesen Bildern wie tot. Beinah im Übermaß die Selbstbilder der Malerin.

An diesen wie an den Gemälden von Frauen aus dem Teufelsmoor fällt der realistische Zug auf, mit den sie deren Körperlichkeit zu erfassen vermochte. Es sind Frauen, die meist nicht schön aussehen, stillende Frauen mit ihren Säuglingen, Frauen, die an Bäumen lehnen, Ruhe suchend.

In Interpretationen heißt es oft, seit Modersohn-Beckers Werke begutachtet werden, ihre Figuren lächelten nie. Man könnte hingegen sagen: Ja, weshalb sollten sie? Höllenanstrengende körperliche Arbeit lädt nicht gerade zum Juchzen und Juxen ein. Lebensumstände wie damals, zumal in spaßeintrübenden Gegenden, in denen der Protestantismus Gottes Sagen innehatte, luden nicht zum Scherzen ein.

Wobei ihr der Blick auf das Weibliche ohnehin immer nah lag. Paula Modersohn-Becker musste für ihre Arbeit Schmäh entsetzlichster Art einstecken. 1899 hieß es in der Weser-Zeitung über ihre ersten zwei Bilder – in einer Sammelausstellung –: „Für die Arbeiten […] reicht der Wörterschatz einer reinlichen Sprache nicht aus. […] Hätte eine solche Leistungsfähigkeit auf musikalischem oder mimischem Gebiet die Frechheit gehabt, sich in den Konzertsaal oder auf die Bühne zu wagen, es würde alsbald ein Sturm von Zischen und Pfeifen dem groben Unfug ein Ende gemacht haben.“

Ihr Mann Otto Modersohn wusste auch nur halbherzig zu loben. Ehe seine Frau zu reüssieren begann, urteilte er: „Sie hasst das Konventionelle und fällt nun in den Fehler, alles lieber eckig, hässlich, bizarr, hölzern zu machen. Die Farbe ist famos, aber die Form? Der Ausdruck! Hände wie Löffel, Nasen wie Kolben, Münder wie Wunden, Ausdruck wie Crétins. Sie ladet sich zuviel auf. 2 Köpfe, 4 Hände auf kleinster Fläche, unter dem thut sies nicht und dazu Kinder! Rath kann man ihr schwer ertheilen, wie meistens.“

Die Elenden

Modersohn-Becker hatte keine Seele aus Granit, der Blick dieser Männer mag sie geschmerzt, auch angespornt haben – aber sie ließ sich nicht wirklich irritieren. Sie war ja keine ganz und gar andere, nur eben eine Frau: Porträts von Geschundenen, Elenden, Gezeichneten sind auch von prominenten Malerkollegen gezeichnet worden, van Gogh oder Picasso.

Bei Modersohn-Becker, die ihre Modelle nicht bei den Schönen und Reichen suchte, sondern in den bäuerlichen oder städtischen Slums, wirkt das nur anders, weil man ihr einen mitfühlenden Blick als Frau unterstellt.

Die gönnerhafte Weise, mit der ihr Mann – wie andere Malerkollegen auch – ihr putziges Pinseln und Tuschen anempfahl, mag heute exotisch anmuten. Es war damals immerhin so, dass Paula Modersohn-Becker, unbedingt Avantgardistin in der Malerei, ein sie förderndes Elternhaus hatte. Die Ausstellung im Louisiana Museum wird von instruktiven Texten begleitet; der Blick auf die weltweit erste Malerin, der ein eigenes Museum eingerichtet wurde (in Bremen), der aber irgendwie immer ein torfiges Image (Worpswede!) anhaftet, ist breitwandig möglich.

Deprimierend eines ihrer letzten Selbstporträts – mit roten Wangen, erschöpfter Miene, vom Kampf um Anerkennung wie zermürbt: Sie war keine Dame, die in ihrer Freizeit mal ein wenig Farbe zur Staffel trug, sondern eine Malerin, deren Existenz davon abhing, malen zu dürfen – und das nicht nur im toten Winkel neben Bremen.

Als Modersohn-Becker wenige Tage nach der Geburt ihres einzigen Kindes nicht wieder ins Leben fand, sagte sie, so wird überliefert, im Moment ihres Sterbens: „Wie schade.“

Im Frühjahr, nach Louisiana, wandert diese Ausstellung nach Paris. Es wäre ein Leichtes, diese Schau nach Berlin zu holen – nicht nur künstlerische Erbinnen der Modersohn-Becker dürften dies für angemessen halten.

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3 Kommentare

 / 
  • Ps

    Sorry - war wohl "im toten Winkel neben Bremen" - schon zu erschöpft -

     

    "…Als Modersohn-Becker wenige Tage nach der Geburt ihres einzigen Kindes nicht wieder ins Leben fand, sagte sie, so wird überliefert, im Moment ihres Sterbens: „Wie schade.“…"

     

    Wer bitte - läßt so einen Schmarrn

    durchgehen - ??

    Geburt als Nahtoderfahrung -

    Mannoman - JAF JAF -

    Dagegen ist ja Kurz-Malheur -

    hohe Literatur - aber sowas von;

    (&der abschließende Absatz auch

    nicht - öh - angemessener).

  • Na das fängt ja gleich gut an -

     

    "…Mehr als 100 der 700 Bilder Modersohn-Beckers kommen dort zur Geltung.

    Geht man die Gänge der Ausstellung entlang, erschließt sich auf Anhieb, …" - aber Hallo!

     

    und däh -

     

    "…Er, der ihr Begehren schätzte, wirkt auf diesen Bildern wie tot. Beinah im Übermaß die Selbstbilder der Malerin.…"

     

    Ja - so kann mann das zu Sagen sich bemühen;)

    muß man aber nicht.

     

    Soo - geht's doch aber auch -

     

    "…Wobei ihr der Blick auf das Weibliche ohnehin immer nah lag. Paula Modersohn-Becker musste für ihre Arbeit Schmäh entsetzlichster Art einstecken.…"

     

    hinterher aber den Gehrock bitte

    wieder auszuziehen - nicht vergessen, gell!

    Besser is das;)

     

    Aber selbst zum Abschluß -

     

    "… der Blick auf die weltweit erste Malerin,

    der ein eigenes Museum eingerichtet wurde (in Bremen),

    der aber irgendwie immer ein torfiges Image (Worpswede!) anhaftet,

    ist breitwandig möglich." - hm¿

     

    ist das aber leider leider noch nicht

    breitwandig genug erfolgreich gelungen;-(

     

    Nunja - frauman kann es abwarten -

    Oder eben auch lassen.

    • @Lowandorder:

      Warum sollten sie lachen?

       

      Jetzt kann frauman es ahnen;

      Ja - die taz verfügt schon über eine

      illustre Sammlung von

      wannabes*~*