taz-Dossier „Comeback der Folter“: „Die Glaubwürdigkeit nicht verlieren“

Folter muss strafrechtlich verfolgt werden: Wolfgang Neskovic über die Bedeutung des CIA-Folterreports für Deutschland und Europa.

Blitzblank, aber nicht sauber: CIA-Hauptquartier in Langley. Bild: ap

taz: Herr Neskovic, wir haben den Senatsbericht über die CIA-Folter ja alle zur Kenntnis genommen, als er veröffentlicht wurde. Warum braucht es jetzt eine Veröffentlichung auf Deutsch?

Wolfgang Neskovic: Es ist ein einzigartiges Dokument. Hier entwirft kein Romanautor fiktional die Welt der Geheimdienste, sondern es ist der Bericht eines Senatsausschusses, der in fast sechs Jahren Arbeit viele Millionen Seiten Dokumente ausgewertet hat. Er bietet eine Fülle einzigartiger Informationen, die jeder in seinem Bücherschrank haben sollte, der sich dafür interessiert, wozu ein Staat, der ein Rechtsstaat sein will, fähig ist, wenn er von einem Terroranschlag getroffen wird.

Was sollte die bundesdeutsche Öffentlichkeit aus dem Bericht machen?

Wir haben ein Völkerstrafgesetzbuch, das auch die Folter unter Strafe stellt, und zwar nach dem Weltrechtsprinzip: Folter irgendwo auf der Welt kann in Deutschland strafrechtlich verfolgt werden, unabhängig davon, ob Opfer oder Täter Deutsche waren oder ob die Folter auf deutschem Boden stattgefunden hat. Es können also in Deutschland auch Ermittlungen gegen US-Amerikaner eingeleitet werden.

Auch die USA sind Mitglied der Antifolterkonvention, die dazu verpflichtet, Folter strafrechtlich zu verfolgen. Doch niemand rechnet damit, dass das auch passiert.

Das zeigt die ganze Doppelzüngigkeit. Wenn der eigene Anspruch nur für andere gilt, aber nicht für einen selbst, verliert man an Glaubwürdigkeit. Wir müssen zumindest für uns in Deutschland sicherstellen, dass wir nicht in gleicher Weise die Glaubwürdigkeit verlieren. Wenn Frau Merkel im Zusammenhang mit der Ukraine von der Herrschaft des Rechts schwadroniert, dann kann das ja nicht nur für die „bösen Russen“, sondern muss auch für die „guten Amerikaner“ gelten. Sie scheint das nicht zu begreifen.

Der ehemalige Richter am BGH war bis 2013 Mitglied des Bundestags. Er ist Herausgeber des Berichts in deutscher Sprache.

Europäische Staaten haben im „Krieg gegen den Terror“ eng mit den USA kooperiert. CIA-Foltergefängnisse waren auf europäischem Boden. Welche Verantwortung hat Europa?

Jene Länder, die US-Geheimgefängnisse auf ihrem Territorium zugelassen und dafür auch noch Geld kassiert haben, sind jetzt besonders zur Aufklärung und zur strafrechtlichen Verfolgung der Verantwortlichen verpflichtet – erst recht, wenn sie Mitglieder der EU sind.

Nun wird ja niemand behaupten, dass die USA selbst zu Hochzeiten des „Antiterrorkrieges“ der schlimmste Folterstaat der Welt gewesen seien?

Stimmt, aber sie haben einen anderen Anspruch. Sie wollen nicht nur ökonomisch und militärisch die stärkste Macht der Welt sein, sondern auch ein Bollwerk für die Menschenrechte. Es geht darum, jene Kräfte in den USA zu stärken, die gegen Menschenrechtsverletzungen arbeiten. Von Dianne Feinstein als Vorsitzender des Senatsausschusses, der den Bericht erarbeitet hat, über jene CIA-Mitarbeiter, die sich geweigert haben, an Folter mitzuwirken bis hin zu Edward Snowden.

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