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Wo bleibt Ullrich?

VON ANDREAS RÜTTENAUER

Die Universität Freiburg hat schnell gehandelt. Nur wenige Stunden nachdem die zwei früheren Teamärzte des deutschen Profirennstalls Team Telekom, Lothar Heinrich und Andreas Schmid, zugegeben hatten, tatsächlich am Dopingsystem der 90er-Jahre aktiv mitgewirkt zu haben, verkündete Rektor Wolfgang Jäger die Trennung von den beiden Medizinern.

Heinrich hatte in einem Brief an die Universität Freiburg erklärt: „Ich bedauere diese ärztlichen Verfehlungen und hoffe, dass durch meinen aktiven Beitrag das Doping in der Zukunft wirksam bekämpft werden kann.“ Als das Team T-Mobile im September des vergangenen Jahres sein neues Antidopingkonzept vorgestellt hat, war es Heinrich, der das Saubermannprogramm der Bonner präsentierte. Er versucht sich ebenso wie die geständigen Profis als geläuterten Sünder darzustellen. Sein Kollege Andreas Schmid hat sein Geständnis im Nachhinein ein wenig abgemildert. Zunächst ließ er mitteilen, er habe seit Mitte der 90er-Jahre das Doping „einzelner Radprofis“ unterstützt. Um klarzustellen, dass er diese verbotene Tätigkeit nur in einem begrenzten Zeitraum ausgeübt hat, korrigierte er sein Geständnis später. Er begrenzt seine Täterschaft nun auf die 90er-Jahre.

Die Entlassung der beiden Ärzte ist indes nicht die einzige Reaktion der Uni Freiburg auf die Dopingvorwürfe gegen ihre Angestellten. Sie will die Aktivitäten der Freiburger Sportmedizin in den letzten 20 Jahren auf den Prüfstand stellen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft soll eine Kommission zur Evaluierung des Instituts benennen. Bis die Ergebnisse vorliegen, würden alle Aktivitäten ruhen. Die Betreuung von 1.500 Leistungssportlern aus acht Sportarten wird eingestellt.

Rektor Jäger wies auf einer Pressekonferenz noch einmal ausdrücklich darauf hin, dass man bei der Untersuchung der Dopingfälle der 90er-Jahre auch die Rolle des Sponsors Telekom nicht außer Acht lassen dürfe. Eine aktive Rolle des Geldgebers wurde von Christian Fommert, dem Unternehmenssprecher, der taz gegenüber als „absurd“ bezeichnet. Während immer mehr Profis zur Aufklärung des Dauerdopingskandals der 90er-Jahre beitragen, sieht sich der Teamsponsor immer noch als Außenstehender des Systems.

Nachdem mit Erik Zabel der erste noch aktive Profi zugegeben hat, mit Epo experimentiert zu haben, sind Erwartungen, was weitere Geständnisse betrifft, groß. Sportpolitiker wie der Vorsitzende des Sportausschusses im Deutschen Bundestag, Peter Danckert (SPD), sprachen sich für eine Amnestie für geständige Athleten aus. Die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) will sich für eine Kronzeugenregelung im geplanten Anti-Doping-Gesetz stark machen. Entsetzt zeigte sich Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble von den Enthüllungen der letzten Tage und sprach von „mafiösen Netzwerken“. Er drängte auf eine möglichst rasche Verabschiedung des Gesetzes, mit dem der Besitz größerer Mengen von Dopingmitteln unter Strafe gestellt werden soll.

Rudolf Scharping, der Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR), hat sich indes gegen eine generelle Amnestie für reuige Manipulateure ausgesprochen. Wer allerdings zur Aufklärung von Dopingdelikten beitrage, solle mit einem gewissen Entgegenkommen rechnen können. Der BDR will in einem Schreiben weitere mögliche Beteiligte am Dopingskandal auffordern, schriftlich Stellung zu beziehen. „Sie können die Karten auf den Tisch legen. Wer das nicht oder falsch tut, muss mit Konsequenzen rechnen“, so Scharping.

Nicht zu erwarten ist, dass Jan Ullrich sich in die Phalanx der Geständigen einreiht. Sein Anwalt Peter-Michael Diestel verwies auf die strafrechtlichen Kosequenzen, mit denen der Tour-Sieger von 1997 zu rechnen hat.

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