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Historische Allianz gegen Schwefel

Umweltverbände verbünden sich mit dem ADAC und der Automobilindustrie, um entgiftetes Benzin schneller am Markt durchzusetzen. Vor allem Esso blockiert die Einführung  ■   Von Manfred Kriener

Berlin (taz) – Eine ungewöhnliche, in dieser Konstellation historische Allianz aus Umweltkämpfern, ADAC und dem Verband der Automobilindustrie hat gestern in Berlin der Mineralölindustrie Dampf gemacht. Gemeinsam forderten sie eine schnellere Gangart bei der Einführung schwefelarmen Benzins.

Mit steuerlichen Anreizen auf Trab gebracht, könnten die Tankstellen in der Bundesrepublik schon bis zum Jahresende 2000 komplett auf den umweltfreundlichen Saft umstellen, sagte Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe. Und der Chef der Autoindustrie, Werner Zimmermeyer, nickte artig mit dem Kopf. Ein Preisvorteil von 5 Pfennig ab 1. Januar 2000 soll dem schwefelarmen Sprit zum Durchbruch am Markt verhelfen.

Vier Länder – Schweden, Finnland, Dänemark und Großbritannien – haben den schwefelarmen Kraftstoff bereits eingeführt, die EU insgesamt will erst im Jahr 2005 nachziehen. Der einstige Umwelt-Musterknabe Deutschland hinke ebenfalls hinterher und drohe seine Spitzenposition zu verlieren, warnte Resch. Da die anderen EU-Länder auf die Bundesrepublik warteten, habe man eine besondere Verantwortung.

Blockiert wird die Einführung vor allem von Esso. Der US-Konzern gilt, wie zu erfahren war, als wichtigster Quertreiber, der mit seiner hartnäckigen Weigerung den gesamten Mineralölverband blockiere. Gemeinsam mit Veba spiele Esso auf Zeit und versuche durch Interventionen bei Wirtschaftsminister Werner Müller eine schnelle Umstellung zu verhindern. Shell, BP und Elf hätten dagegen signalisiert, dass sie bereit seien.

Axel Friedrich, Verkehrexperte des Umweltbundesamtes, sieht bei einer Umstellung große Chancen, die Luftqualität zu verbessern und die anfälligen Katalysatoren zu schonen. Der Schwefel im Sprit vergifte die Katalysatoren und senke ihren Wirkungsgrad. Gerade in der Stadt würden deshalb sehr viel mehr Schadstoffe ausgestoßen. Krebs erzeugende Partikelemissionen der Diesel-Fahrzeuge könnten um zehn Prozent reduziert werden. Aber auch das hochgiftige, ebenfalls Krebs erregende Benzol, andere Kohlenwasserstoffe und Stickoxide ließen sich um bis zu zehn Prozent einsparen. Und dies alles, so Friedrich, bei Mehrkosten von einem Pfennig je Liter Kraftstoff.

Automann Zimmermeyer sorgt sich um die neue Generation der Direkteinspritzer. Gerade sie brauche dringend schwefelarmen Sprit. Die Lebensdauer der teuren Kats werde durch den Schwefel dramatisch begrenzt. „Unsere Entwickler brauchen Klarheit.“

ADAC-Sprecher Dieter-Klaus Franke sieht Kosten von mehreren tausend Mark auf die Autofahrer zukommen, wenn die neuen Kat-Systeme der Direkteinspritzer nach 60.000 Kilometern vom Schwefel zerstört seien. Der ADAC-Mann machte zugleich deutlich, dass der Autoclub weitere Benzinpreiserhöhungen als Folge aber nicht mittragen wolle.

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