:
Klein Gerhard ■ Strieders Freiflug im Schatten der Affären
SPD-Senator Peter Strieder hat Glück im Unglück gehabt. Gewiss, ohne die Flugaffäre seiner Parteifreunde in Nordrhein-Westfalen hätte sich wohl niemand für seinen Freiflug im Firmenjet des Dienstleisters Peter Dussmann interessiert. Gleichzeitig aber kam der weit gewichtigere Spendenskandal der CDU dem Berliner SPD-Chef zur Hilfe. Sonst hätten die Parteipolitiker aller Couleur wohl kaum so milde über Peter Strieders Ausflug nach Moskau geurteilt.
CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky, sonst für einen dezenten Seitenhieb auf den Koalitionspartner immer zu haben, schlug angesichts der Kalamitäten im eigenen Lager versöhnliche Töne an. Mit Affären aller Art wollen die Berliner Christdemokraten nichts mehr zu tun haben.
PDS und Grüne haben andere Motive, den reiselustigen Senator nur sanft zu tadeln. Sie fürchten, eine allzu großmäulige Kritik könnte die Maßstäbe verschwimmen lassen. Und womöglich der Strategie mancher Christdemokraten in die Hände spielen: Teile der Union möchten den Unmut über den eigenen Spendenskandal – statt auf die Mühlen der politischen Gegner – lieber in den großen Strom der allgemeinen Politikverdrossenheit ableiten.
Da braucht sich die Berliner Opposition allerdings keine Sorgen zu machen. Selbst die Treuesten der Kohl-Getreuen versuchen die CDU-Affäre nicht mehr zu relativieren, seit ihr Law-and-Order-Idol Manfred Kanther in seinem hessischen Landesverband Geldwäsche nach Mafiamanier einräumen musste.
Dass Strieder mit seiner Dienstreise bei weitem nicht an mafioses Format heranreicht, ist so offensichtlich, dass man es eigentlich gar nicht sagen müsste.
Diese Relationen aber sind noch lange kein Grund, über Strieders Fehltritt einfach gnädig hinwegzusehen. Die mangelnde Sensibilität des Senators ist bezeichnend für einen Typus von Politikern, der sich aus eigener Unsicherheit über jede Gelegenheit freut, mit Wirtschaftsgrößen auf Augenhöhe zu konferieren. Schließlich reiste schon Schröder mit VW-Ticket zum Wiener Opernball. Da wollte sich auch Strieder einmal als Klein Gerhard fühlen. Ralph Bollmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen