„Korruption im Marktwesen“

■ Grüne untersuchten Beziehung zwischen Schausteller Renoldi und Innensenator Borttscheller

Ein Jahr lang haben die Grünen versucht, über Akteneinsicht und diverse Gespräche Licht ins Dunkel der Vergabe von Plätzen auf Freimarkt, Osterwiese und Weihnachtsmarkt zu bringen. Gestern stellten sie ihr Fazit der Presse vor: „Ein Netz von Korruption und Fehlverhalten“ sei in den Akten dokumentiert, und dabei gehe es nicht nur um den wegen Mordversuches in Haft sitzenden Schausteller Klaus Renoldi und den wegen Bestechlichkeit unter Anklage stehenden früheren Marktmeister Wolfgang Ahrens. In den Akten stießen sie immer wieder auch auf das langjährige Mitglied im Marktausschuss, den früheren Innensenator Ralf Borttscheller.

Damit sich solche Vorgänge nicht wiederholen, so der Abgeordnete Matthias Güldner, müsse vor allem der Marktausschuss des Parlaments abgeschafft werden. Über diesen Ausschuss, dessen Mitglieder regelmäßig von den Schaustel-lern reichlich mit Geschenken bedient werden, waren die Begünstigungen der Familie Renoldi möglich geworden.

Zweite Schlussfolgerung: Es dürfe nicht sein, dass eine einzige Person im Stadtamt über die Auswahl der Schausteller entscheide. Immerhin gehe es da um große Investitionen, manchmal um die wirtschaftliche Existenz eines Schaustellers. Schon 1993 hatte das Oberverwaltungsgericht (OVG) in einem Urteil festgestellt, die Änderung des Bremer Zulassungsverfahrens sei „geboten“. Die Innenbehörde kam dem aber nicht nach. Vertreter der Stadt in dem damaligen Verfahren war genau der Marktmeister Wolfgang Ahrens, gegen den die Staatsanwaltschaft dann fünf Jahre später ihre Ermittlungen wegen Bestechlichkeit aufnahm.

Bestechlich war Ahrens offenbar unter anderem durch die Schaustellerfamilie Renoldi. Was da im Einzelnen passierte, wird das Gericht demnächst aufklären müssen. In diesen Ermittlungen geht es auch um den früheren Innensenator Ralf Borttscheller, der schon Anfang der 90er Jahre Mitglied im Marktausschuss war. Damals hatte die Familie Renoldi einen gastronomischen Freimarkt-Betrieb, die „Hansekogge“, für 600.000 Mark an die Schaustellerfamilie H. verkauft. Offenbar war es ein Teil der Vereinbarung, dass H. noch 100.000 Mark nachzahlen sollte, wenn die Hansekogge wieder einen Platz auf dem Freimarkt bekam. Renoldi war bekannt für seine guten Beziehungen zum Marktausschuss und brüstete sich auch unter den Schaustellern damit.

Dieser Vorgang ist als „Verkauf von Standplätzen“ rechtswidrig. Ein Schausteller, der dies tut, riskiert seine eigene Zulassung zum Freimarkt. In dem Fall Hansekogge kam es später zwischen den Schaustellerfamilien zum Streit, Rechtsanwalt Ralf Borttscheller half, einen Vergleich zu vermitteln. „Borttscheller muss daher vom Verkauf von Standplätzen in Bremen gewusst haben“, schließen die Grünen. Als Parteivertreter und Anwalt mag er darüber schweigen, als Mitglied im Marktausschuss und später als Innensenator darf er aber nicht den Eindruck erwecken, er halte den Schausteller Renoldi für „zuverlässig“ im Sinne der Gewerbeordnung.

Borttscheller hielt aber weiter seine „schützende Hand“ über die Schausteller-Familien. Gegen das ausdrückliche Votum des zuständigen Stadtamtes setzte er noch 1998 die weitere Zulassung durch, als die Staatsanwaltschaft schon wegen Anstiftung zum Mord und wegen illegaler Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer ermittelte.

Die Renoldi-Familie verdankt ihren Erfolg auf den bremischen Märkten nicht nur den guten Beziehungen zum Marktmeister, die demnächst vor Gericht verhandelt werden, sondern auch denen zu dem Innensenator. Als Renoldi im vergangenen Jahr in Augsburg vor Gericht stand, wurde er von Borttscheller verteidigt.

Renoldi habe sich „in einer schwierigen Lebenslage“ befunden und ihn „um Hilfe gebeten“, rechtfertigte Borttscheller die Annahme dieses Mandats. Als Renoldi dann in den Bremer Knast in Oslebshausen verlegt wurde, brachte ihm Borttscheller eine dicke Tüte voll Freimarkt-Chips ins Gefängnis, die Frau Renoldi dem Anwalt in einem Briefumschlag mitgegeben hatte. Er habe nicht gewusst, was er da durch die Gefängnismauern schmuggelt, rechtfertigte sich Borttscheller.

„Als Mitglied des Justizausschusses nicht tragbar“ ist das Fazit, das die Grünen aus den Verbindungen Borttschellers zu Ahrens und Renoldi ziehen. Aber einem Politiker ist es nicht verwehrt, Geschenke anzunehmen. Daher sollen nicht mehr die Parlamentarier, sondern dem Dienstrecht unterliegende Beamte über die Zulassung von Schaustelllern entscheiden.

Die Leitung des Stadtamtes, so stellten die Grünen in den Akten fest, hat immer wieder auf ein korrektes Verfahren gedrungen, wurde aber vom Innensenator gebremst. Schließlich versuchte der Innensenator, über öffentliche Äußerungen gegen den Leiter des Stadtamtes diesen in ganz anderem Zusammenhang unter Druck zu setzen. Der Vater des Marktmeisters Ahrens schickte dem Leiter des Stadtamtes eine Morddrohung, die die Polizei nach dem Mordversuch Renoldis durchaus ernst nahm.

„Korruptions-Prävention“ sei angezeigt, schließt der grüne Innenpolitiker Matthias Güldner, die Vergabe der lukrativen Plätze auf den Märkten müsse dringend in einem transparenten Verfahren geregelt werden, wie das OLG schon 1993 gefordert hatte.

Für Heiko Strohmann, CDU-Bürgerschaftsabgeordneter und gleichzeitig Vorsitzender des Landesverbandes der Schausteller und Marktkaufleute, ist das derzeitige Vergabeverfahren dagegen nicht einfach schlecht. Denn über den Marktausschuss der Parlamentarier können die Schausteller-Verbände Einfluss nehmen. Was nicht geht, sagt er, dass die Parlamentarier ohne transparentes Verfahren einfach für den einen Schausteller und gegen einen anderen entscheiden. Aber wenn die Verwaltung einen Vorschlag macht, hätten die Schausteller im Gespräch mit den Politikern manchmal die Chance, Einfluss zu nehmen.

Da komme es dann darauf an, dass die Politiker ihre Aufgabe ernst nähmen. „Bei dem wievielten Aal fängt die Bestechung an?“, das ist für Strohmann die Frage. Die Mitglieder des Marktausschusses müssten sich wegen der Vorgänge in den zurückliegenden Jahren „an die eigene Nase fassen“. Elke Kröning, damals AfB, sei die Einzige gewesen, die Innensenator Borttscheller oder dem Marktmeister hin und wieder deutlich entgegengetreten sei. Die anderen hätten immer zugestimmt.

Wenn nun das Gremium der Parlamentarier ganz ausgeschaltet werden solle, dann hat Strohmann „Angst, dass unser Mitspracherecht begrenzt wird“. Derzeit funktioniere das Verfahren sehr gut.

K.W.