: Koalition hat Kredit verspielt
Grüne: Große Koalition hat die Glaubwürdigkeit für Haushaltssanierung verloren. Politischer Neuanfang gefordert. PDS: Diepgen soll seinem langjährigem Berater Bankkredit verschafft haben
von ROLF LAUTENSCHLÄGER und ANDREAS SPANNBAUER
Berlin steht vor einem haushaltspolitischen Super-GAU. Das sagte gestern der Fraktionschef der Grünen und forderte einen politischen Neuanfang. Die Sanierung des Landeshaushalts, so Wolfgang Wieland, sei in der großen Koalition nicht mehr möglich. Die PDS sieht unterdessen auch den Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen durch Kreditgeschäfte belastet.
Wieland sagte, die Landesregierung habe wegen der Bankaffäre jede Glaubwürdigkeit verspielt, Sparmaßnahmen im Sozial- oder Bildungsbereich einzufordern. Insbesondere für die „unbedingt notwendige“ Aufnahme von Verhandlungen mit dem Bund über eine Bundesergänzungszuweisung seien „unbelastete Personen“ gefragt, die eine verlässliche Sanierung durchführen könnten.
Nach Wielands Auffassung steht die Entscheidung über Neuwahlen spätestens im Mai bevor, wenn die Prüfergebnisse der Kreditaufsicht über die landeseigene Bankgesellschaft vorliegen. Die zu erwartenden Einnahmeausfälle des Landes wegen der Defizite der Bank betragen nach Schätzungen allein im Jahr 2001 zwischen 3,5 und 4 Milliarden Mark.
Zu einer Verschärfung der Situation trägt bei, dass nun auch Diepgen im Zusammenhang mit der Kreditvergabe der Landesbank unter Druck gerät. PDS-Fraktionschef Harald Wolf nannte Diepgen einen „aktiven Mitspieler im Berliner Filz“. Laut den Vorwürfen soll Diepgen sich persönlich für einen Millionenkredit der Bankgesellschaft an den Investor Klaus Groth stark gemacht haben. Wolf forderte, den Groth-Kredit in Höhe von 24 Millionen Mark im Untersuchungsausschuss zur Bankenaffäre zu thematisieren, der seine Arbeit am 11. April aufnehmen soll. Es spreche vieles dafür, dass Diepgen dem Ende der 90er-Jahre in finanzielle Schwierigkeiten geratenen Projektentwickler zu Hilfe gekommen sei und seine Kontakte zur Landesbank habe spielen lassen. Groth sei „langjähriger“ wirtschaftspolitischer Berater von Diepgen, so Wolf. Außerdem verleihe „der Umstand, dass Groth ein Großspender der CDU ist, der Angelegenheit zusätzliche Brisanz“.
Die Groth-Holding hatte Anfang des Jahres ein Darlehen der Ibag, einer Immobilientochter der Bankgesellschaft, in Höhe von 24 Millionen Mark erhalten. Der Kredit soll ohne ausreichende Sicherheiten, aber mit der Hilfe Diepgens zustande gekommen sein. Die Bankgesellschaft wies die Vorwürfe zurück. Die Bank treffe „ihre Kreditentscheidungen in eigener Verantwortung“. Diese sei durch Diepgen weder „direkt noch indirekt“ beeinflusst worden.
Sozialdemokraten, Grüne und PDS machen CDU-Fraktionschef und Exbankchef Klaus Landowsky für die Milliardendefizite der Landesbank verantwortlich. Die Sozialdemokraten wollen auf ihrem Parteitag am kommenden Wochenende eine eindeutige Resolution über die Fortsetzung des Regierungsbündnisses verabschieden. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Klaus Wowereit hat den Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen bereits aufgefordert, sich „für den CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky oder für die Koalition zu entscheiden“.
Diepgen und Klaus Wowereit trafen gestern zu einem Gespräch unter vier Augen zusammen. Über den Inhalt hatten beide Seiten Vertraulichkeit vereinbart.
Die CDU lehnt den Rücktritt Landowskys und eine vorzeitige Auflösung des Parlaments ab. Bleibt es dabei, wollen Grüne und PDS Diepgen in einem Misstrauensvotum stürzen und zusammen mit der SPD eine Übergangsregierung bilden.
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