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Nettes Plauderstündchen im Rathaus

Wowereits Treffen mit den Gewerkschaften und der FU Berlin bleiben ohne konkrete Ergebnisse. Der neue Senat hält an den Sparmaßnahmen im öffentlichen Dienst und der Schließung der FU-Klinik Benjamin Franklin fest

Über Mittag die Hochschulmedizin, ab drei Uhr die Gewerkschaften. Zum Beginn der ersten vollen Arbeitswoche des neuen Senats standen gestern gleich zwei dicke Brocken auf dem Terminplan des Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD): die geplante Abwicklung des Uniklinikums Benjamin Franklin (UKBF) und die Sparpläne im öffentlichen Dienst, wo 15.000 Stellen wegfallen sollen. Konkrete Ergebnisse aber blieben aus.

Wowereit sagte im Gespräch mit dem Präsidenten der Freien Universität (FU), Peter Gaethgens, im Vordergrund aller Überlegungen stehe sowohl eine leistungsfähige Struktur der Hochschulmedizin als auch eine dauerhafte Entlastung des Landeshaushalts. Alternativvorschläge würden „selbstverständlich“ geprüft, allerdings komme für ihn ein Festhalten an ineffektiven Strukturen keineswegs in Frage, so Wowereit. Er werde darüber in Kürze auch mit dem Präsidenten des Wissenschaftsrates, Karl Max Einhäupl, sprechen. Zuvor hatte Wowereit noch einmal betont, Rot-Rot werde an den Sparplänen für das UKBF festhalten. Wenn diese Entscheidung nicht komme, „dann passiert in dieser Stadt bald gar nichts mehr.“

Gaethgens sagte im Anschluss an das einstündige Gespräch, es habe „in der Sache keine Bewegung“ gegeben, immerhin sei jetzt aber „eine Gesprächsebene hergestellt“ worden. Der FU-Präsident hatte in der vergangenen Woche bereits mit den neuen PDS-Senatoren für Wissenschaft und Wirtschaft, Thomas Flierl und Gregor Gysi, gesprochen. Beide hätten sich im Verfahren „beweglicher“ als Wowereit gezeigt.

Der wissenschaftspolitische Sprecher der PDS, Benjamin Hoff, der bei dem Gespräch auch dabei war, schließt nicht aus, dass nun doch Alternativen zur UKBF-Schließung geprüft werden. „Wenn es andere Wege gibt, um zu den notwendigen Einsparungen zu kommen, werden wir uns dem nicht verschließen“, so Hoff. Mit Vorschlägen seien jetzt die Hochschulen am Zug.

Nach dem SPD-Politiker Klaus-Uwe Benneter, der aus dem Berliner Süden für die SPD in den Bundestag will, hat sich jetzt auch die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) der Berliner SPD für den Erhalt des UKBF ausgesprochen.

Die FU hat mit Unterstützung der Berliner Morgenpost inzwischen über 60.000 Unterschriften gegen die Schließung des UKBF gesammelt. Weitere Protestaktionen seien in Vorbereitung, so Gaehtgens.

Ähnlich ergebnislos ging gestern auch das zweite Spitzengespräch aus. Man habe nett zusammengesessen und geplaudert, sagte Ver.di-Landeschefin Susanne Stumpenhusen nach dem eineinhalbstündigenTreffen zwischen Wowereit und Gewerkschaftsvertretern im Roten Rathaus. Weder konkrete Sparmaßnahmen noch ein Zeitplan für Verhandlungen spielten nach gleichlautenden Aussagen dabei eine Rolle.

Stumpenhusen sah allerdings eine gewisse Verhandlungsbereitschaft auf der anderen Seite: Vom festgesetzten Einsparvolumen werde der Senat zwar nicht abrücken, „aber über das Wie wollen sie mit uns reden“. Die Arbeitnehmerseite will am 1. Februar bei einer Sitzung des DGB-Landesbezirkvorstands gemeinsam Stellung zum Koalitionspapier von SPD und PDS beziehen und über ihre künftige Strategie sprechen.

Zur Gesprächsatmosphäre äußerten sich beide Seiten positiv. Über den neuen Finanzsenator Thilo Sarrazin, der ebenfalls an dem Treffen teilnahm, sagte Stumpenhusen: „Kein Weichei, aber auch kein Grobian.“ DGB-Landesvize Bernd Rissmann urteilte in doppelter Verneinung, er habe keinen negativen Eindruck von ihm gehabt. Sarrazin soll nun den Zeitplan für Verhandlungen abstecken und für eine solide Zahlengrundlage für alle Beteiligten sorgen.

Die Gewerkschaften waren mit geringen Erwartungen und weitgehend ablehnender Haltung in das Treffen gegangen. „So nicht“, tönte die Gewerkschaft der Polizei (GdP) zum Sparkonzept. Ein Langzeitkonzept gegen die beabsichtigte Kürzungen soll bereits ihrer Schublade liegen. Eine Sprecherin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sah den Koalitionsvertrag weiter als eine Mogelpackung an. Ver.di hatte sich vor allem konkrete Informationen zu den Senatsplänen erwartet. „Uns sind viele Sachen einfach noch unklar“, sagte Gewerkschaftssprecher Andreas Splanemann. STEFAN ALBERTISABINE AM ORDE

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