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Große Koalition der Geheimhaltung

Innenminister wollen die Arbeit der Geheimdienste nicht gefährden und im NPD-Verbotsverfahren keine weiteren V-Leute enttarnen. Die FDP fordert Rücknahme des Verbotsantrags. Der Grüne Ströbele verlangt: „Alle Fakten auf den Tisch“

von LUKAS WALLRAFF

Das NPD-Verbotsverfahren scheint seit gestern noch stärker gefährdet als bisher. Die Innenminister der Länder wollen trotz der Aufforderung des Bundesverfassungsgerichts „keine neuen Namen von V-Leuten“ nennen, sagte der Sprecher des bayerischen Innenministers Günther Beckstein (CSU) der taz. Auch Bundesinnenminister Otto Schily und die Kollegen aus den SPD-regierten Ländern tragen diese Linie mit. Bei den Grünen gibt es unterschiedliche Auffassungen.

Die FDP fühlt sich in ihrer Ablehnung des NPD-Verbotsverfahrens bestätigt und fordert eine Rücknahme des Verbotsantrags. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Max Stadler warf den Innenministern von Bund und Ländern vor: „Wenn man die Vorgaben des Gerichts nicht erfüllt, bedeutet das, dass man sehenden Auges auf eine juristische Niederlage in Karlsruhe zusteuert.“

Das Bundesverfassungsgericht hatte die Beteiligten am NPD-Verbotsfahren im Mai in einer offiziellen Mitteilung aufgefordert, bis zum 31. Juli „die konkreten Umstände einer Zusammenarbeit staatlicher Stellen“ mit Informanten innerhalb der rechtsextremen Partei offen zu legen. Nach dem Bekanntwerden der Existenz mehrerer V-Leute Anfang des Jahres hatte das Verfassungsgericht die Verhandlungen im Verbotsverfahren vertagt und zunächst „Aufklärung“ verlangt, ob und welche weiteren NPD-Funktionäre „mit staatlichen Stellen kooperiert haben oder noch kooperieren“. Für das Verbotsverfahren sei es „bedeutsam“ zu klären, „ob das Gesamtbild der Partei von Umständen geprägt wird, die ihr nicht zugerechnet werden können“.

Dieser Aufforderung wollen die Minister nicht nachkommen. Statt Aufklärung über die Aktivitäten des Verfassungsschutzes werden die Richter ein ausführliches Schreiben erhalten. Darin, so Becksteins Sprecher, werden die Minister erklären, dass „zwingende Geheimnisschutzbelange“ es nicht ermöglichten, weitere Namen zu nennen. Dies sei aber „kein Affront“ gegen Karlsruhe. Becksteins Sprecher verwies auf die Mitteilung des Gerichts vom Mai, in der es heißt, wenn sich die Antragsteller „gehindert sehen, diese Auskünfte zu erteilen, wird um Mitteilung der Gründe gebeten“.

Der grüne Rechtsexperte Volker Beck sagte der taz: „Dass die Länderinnenminister erst einmal versuchen, ihre Quellen zu schützen, ist verständlich und vernünftig.“ Das Gericht habe allerdings Anspruch darauf, „alles zu erfahren“. Nun müsse ein Weg gefunden werden, „zur Wahrheitsfindung beizutragen und trotzdem den Quellenschutz nicht zu gefährden“.

Auch in Bayern will man „neue Modalitäten“ finden. Beckstein und die SPD-Innenminister hoffen offenbar darauf, dass sich das Gericht auf nichtöffentliche Verhandlungen einlässt.

Daran glaubt der grüne Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele nicht. Er forderte deshalb, „alles offen zu legen“ und „alle Fakten auf den Tisch“ zu packen. Nur so könne ein mögliches späteres NPD-Verbot vom Ruch der Mauschelei befreit werden, sagte Ströbele der taz.

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