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„Wir sind keine sozialdemokratische Partei“

Krista Sager, Vorsitzende der grünen Bundestagsfraktion, über die Erhöhung des Rentenbeitrags, Gerechtigkeit zwischen den Generationen, grundlegende Änderungen bei den sozialen Sicherungssystemen und die Rolle der grünen Partei als Reformmotor der Koalition

taz: Frau Sager, als die Grünen in die Koalitionsrunde hineingingen, waren sie aufmüpfig gegenüber der SPD. Als sie herauskamen, standen sie fast mit leeren Händen da. Haben die Grünen in der Koalition nichts mehr zu sagen?

Krista Sager: Es wird Sie nicht wundern, dass ich das differenzierter sehe. Wir haben bei der Ökosteuer und der Gesundheit Erfolge errungen. So werden 150 Millionen Euro aus den Mehreinnahmen der weiterentwickelten Ökosteuer in die Altbausanierung fließen. Bei den Sparplänen für das Gesundheitswesen haben wir uns mit der SPD auf mehrere Öffnungsklauseln geeinigt. Von der geplanten Nullrunde sind Krankenhäuser ausgenommen, die sich auf das neue Preissystem umstellen, die neue Arbeitszeitmodelle erproben oder an den Chronikerprogrammen teilnehmen.

Aber bei der zentralen Frage, der Erhöhung des Rentenbeitrags, hat die SPD die Grünen abblitzen lassen.

Das ist nicht zu leugnen. Mit unserer Forderung, den Anstieg des Rentenbeitrags auf 19,3 Prozent zu begrenzen, haben wir uns nicht durchsetzen können.

Die Grünen standen einst für Generationengerechtigkeit. Jetzt lösen sie die Probleme nur noch auf Kosten der zukünftigen Generation. Werden die Grünen jetzt zur kleinen sozialdemokratischen Partei?

Überhaupt nicht. Wir sind der Reformmotor der Regierung, das haben wir auch am Montag wieder gezeigt.

Bitte?

Die Grünen haben durchgesetzt, dass es eine Grundsatzkommission nach dem Vorbild von Hartz geben wird, die sich nicht nur mit der Gesundheitsreform, sondern auch mit der Rente und der Pflegeversicherung beschäftigen soll.

Die Einsetzung einer solchen Kommission ist doch Schröders Idee.

Aber nicht mit dieser Aufgabenbeschreibung. Die Kommission wird sich mit einer grundsätzlichen Reform der sozialen Sicherungssysteme beschäftigen, und zwar unter den Gesichtspunkten des demografischen Wandels, der Nachhaltigkeit sowie der Generationen- und Geschlechtergerechtigkeit. Es kann nicht sein, dass wir ständig Notprogramme auflegen müssen, sobald die Konjunktur lahmt. Diese Erkenntnis bei der SPD durchgesetzt zu haben – das ist ein Erfolg für uns und das Gegenteil von Sozialdemokratisierung der Grünen.

Was heißt das konkret: grundsätzliche Reform der Sozialsysteme?

Angesichts der unsicheren weltwirtschaftlichen Lage ist es ein zu hohes Risiko, die Finanzierung der sozialen Systeme ausschließlich an die Beschäftigung zu koppeln. Wenn es eng wird, belasten wir zusätzlich immer nur Arbeitnehmer und Arbeitgeber, und die Lohnnebenkosten steigen. Es wäre konsequent, für die Finanzierung der Sozialsysteme weitere Personengruppen und Einkommensarten einzubeziehen, beispielsweise Selbstständige und Beamte, aber auch Mieten und Zinsen.

Das geht in Richtung einer steuerfinanzierten Bürgerversicherung, wie in anderen europäischen Ländern?

Ja. Dort ist das Sozialsystem schon ganz oder weitgehend steuerfinanziert. In Deutschland haben wir eine Strukturreform bereits eingeleitet, indem die Ökosteuer-Einnahmen in die Rente fließen. Weiter gehende Reformvorschläge soll die Kommission bis Herbst 2003 vorlegen, wobei klar ist, dass ein solcher Systemwechsel nicht von heute auf morgen stattfinden kann. Aber wir müssen eine stärkere Annäherung der Systeme hinkriegen. INTERVIEW: JENS KÖNIG

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