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taz-adventskalender (18)Es wird eng für Kriminelle

Die Staatsanwaltschaft will härter gegen die organisierte Kriminalität vorgehen und hat eine neue Abteilung dafür eingerichtet. Die wird viel Beifang machen

Neukölln 2017: Polizei beschlagnahmt, was sie kriegen kann: In diesem Fall 77 Immobilien Foto: dpa

Nach dem christlichen Kalender wird die Frohe Botschaft ja erst am 24. Dezember verkündet. Weil es in diesem irdischen Jammertal aber so selten Grund zur Freude gibt, präsentieren wir bis Weihnachten täglich eine gute Nachricht.

Teure Immobilien, Nobelkarossen und andere Luxusgüter, in denen Gelder aus der organisierten oder der Wirtschaftskriminalität stecken, sind künftig weniger sicher vor dem staatlichen Zugriff. Eine neue Abteilung der Staatsanwaltschaft, die sich um ihre Beschlagnahmung kümmern soll, hat am Montag ihre Arbeit aufgenommen. Ihr Ziel sei es, die organisierte Kriminalität noch wirksamer zu bekämpfen, teilte die Staatsanwaltschaft am Montag mit.

Für die Startphase hat Berlin zwei Staats­anwält*innen und vier Rechtspfleger*innen bereitgestellt, zwei weitere Staatsanwält*innen werden die Abteilung im kommenden Jahr verstärken. Sie sollen den Ermittlungsbehörden zuarbeiten und ihnen helfen, eine Gesetzesänderung vom Juli 2017 konsequenter umzusetzen.

Seit der Änderung darf die Staatsanwaltschaft noch bei laufenden Ermittlungen Vermögen vorläufig beschlagnahmen, von denen sie annimmt, dass sie durch Betrug, Erpressung oder andere Straftaten in den Besitz der Verdächtigen gelangt sind. Im Falle einer Verurteilung geht das ergaunerte Gut dann endgültig in den Besitz des Landes über oder kann, je nach Urteil, auch dem Opfer zugesprochen werden.

Staatsanwaltschaft hat 30 Jahre Zeit zur Strafverfolgung

Allerdings zielt die neue Abteilung nicht speziell auf organisierte Kriminalität, sondern auf jede Art von Strafdelikten. „Der Grundsatz ist: Kriminalität darf sich nicht mehr lohnen“, sagt die stellvertretende Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Mona Lorenz, der taz. Das heißt: Auch wer eine Packung Zigaretten klaut, sie aufraucht und hinterher wegen Diebstahls belangt wird, muss nicht nur die Strafe für den Diebstahl zahlen, sondern ebenfalls die 6,50 Euro für die Zigaretten.

Die Staatsanwaltschaft hat jetzt 30 Jahre Zeit, von einem Schwarzfahrer die 2,80 Euro für das Ticket einzutreiben

Die Spanne, innerhalb deren die Delikte verjähren, hat sich durch die Gesetzesnovelle drastisch verlängert: „Die Staatsanwaltschaft hat jetzt 30 Jahre Zeit, von einem Schwarzfahrer die 2,80 Euro für das Ticket einzutreiben“, erklärt Lorenz.

Ob das noch eine frohe Botschaft ist? Es dürfte wohl eher einen absurden Verwaltungsaufwand bedeuten. Ob die Schwarzfahrerin 60 Euro Strafe zahlt oder 62,80 Euro, dürfte ihr auch halbwegs egal sein. Organisierten Großkriminellen, die ihren Porsche hergeben müssen oder ihre Villa im Grunewald, dürfte es mehr wehtun. Das ist immerhin doch eine gute Nachricht oder ein „positiver Nebeneffekt“, wie es die Staatsanwaltschaft nennt.

Und auch, dass der gesunde Menschenverstand bei der Strafverfolgung dann doch noch zum Tragen kommt: Das Gesetz enthält eine Klausel, nach der die Behörden wegen Geringfügigkeit von der Verfolgung absehen können.

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1 Kommentar

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  • Kriminalitätsbekämpfung wird zunehmend wichtiger denn je. Doch diverse Strukturen motivieren zur Skepsis, denn es gibt zwei Arten organisierter Kriminalität. Zum einen ist es die stetig angeprangerte Kriminalität, die mit Rauschgifthandel u. a. verbundene Kriminalität, die mit Geldwäsche einhergeht, und zum anderen ist es die mit Korruption, Kartellabsprachen und Gesetzesmanipulation einhergehende Kriminalität, die erstere im Eiltempo ablöst.

    Hier stellt sich angesichts immer neuer und immer mehr Skandale die Frage, wie ernst gemeint die Bekämpfung organsisierter Kriminalität wirklich ist. Geht es überwiegend noch um die Bekämpfung kriminellen Verhaltens, oder geht es zunehmend nur noch um die Ausschaltung lästiger Konkurrenz zum Vorteil derer, denen es gelungen ist und immer mehr gelingt, sich in den Staatsapparat einzuschleichen und dort pseudolegal und nahezu gefahrlos ihrem kriminellen Handwerk nachzugehen?

    Diverse eigenwillige und kaum nachvollziehbare Gerichtsurteile, tief verschachtelte Gesetzesänderungen, die an ihrem Ende unter dem Strich das Gegenteil dessen bewirken, was zuvor propagiert wurde, fortgesetztes Wegschauen in manchen Bereichen, daß den Argwohn auf Mutwillen schon beinahe erzwingt u. v. a. wecken da immer mehr Zweifel, die nichts mit Verschwörungstheorien zu tun haben, auch wenn solche Zweifel immer wieder in diese Ecke gedrängt werden.