taz Talk zur Wahl mit Franziska Giffey: „Mache keinen Koalitionswahlkampf“
Weiter mit Rot-Rot-Grün in Berlin? Dazu sagte Franziska Giffey in der taz Kantine nichts. Aber sie zeigte dort große Übereinstimmung mit der CDU.
Vor gut 50 Menschen in der taz Kantine beantwortet Giffey am Donnerstagabend anderthalb Stunden lang Fragen von taz-Redaktion und Publikum – auch von Zuschauern im Internet, denn die Veranstaltung wird auf mehreren Kanälen live gestreamt. Und „Beantworten“ ist wörtlich gemeint: Anders etwa als ihr Parteifreund und Exkollege im Bundeskabinett, Olaf Scholz, der es im ZDF-Sommerinterview jüngst schaffte, um fast jede Frage herum zu antworten, weicht Giffey keiner aus.
Das fängt schon beim „Entweder-Oder“-Spiel zum Aufwärmen an: „Willy Brandt oder Heinz Buschkowsky?“, will Moderatorin Alke Wierth wissen. Giffey zieht die SPD-Ikone ihrem Mentor und Vorgänger als Neuköllner Bezirksbürgermeisterin vor. Bei „Kostüm oder Jogginghose“ will sie wissen, ob die taz das auch einen Mann fragen würden. Worauf die in Person von taz-Berlin-Ressortleiter Bert Schulz versichert: Natürlich, bloß würde die Frage dann „Anzug oder Jogginghose“ lauten. Worauf Giffey offenbart, Jogginghose trage sie „eher selten“. Später hat sie noch einen Tipp für alle, die ihren Nachnamen falsch aussprechen: „Giffey, wie Norderney“
Grundsätzlich aber macht sie in dem sehr dynamischen Gespräch deutlich, dass ein reines Entweder-oder nicht unbedingt ihre Sache ist. Etwa beim Thema Geschwindigkeitsbegrenzung. Pauschal Tempo 30 zu beschließen, „das finde ich eine undifferenzierte Herangehensweise“, sagt sie und verweist darauf, dass auch andere, dazu oft zitierte europäische Hauptstädte das letztlich doch nicht flächendeckend machen würden.
Programminhalte hin oder her, eine Frage muss unbedingt auch kommen: Warum denn das rote Herz in der SPD-Wahlkampagne eckig statt rund ist. Vielleicht, damit die Sozialdemokraten nicht mehr so kuschelig wirken?, mutmaßt Ressortleiter Schulz. Die Erklärung ist weniger inhaltlich als technisch: Das Herz und andere, allerdings weit weniger bekannte Wahlkampfbausteine, soll sich aus einem Würfel basteln lassen, und das hat natürlich Ecken zur Folge.
Giffey weist die Aussage zurück, sie trieze die Noch-Koalitionspartner der SPD, also Linkspartei und Grüne: „Ich sehe das nicht so“. Im Gegenteil, sie selber sei am Donnerstag – von Linksparteichefin Katina Schubert im Interview mit der taz – als „Populistin“ bezeichnet worden. Giffey mag nicht Falsches daran erkennen, auf „SPD pur“ zu setzen: „Wir machen ja keinen Koalitionswahlkampf.“
Zu eben solchen Koalitionen sagt sie nichts an diesem Abend. Indirekt aber stellt sie eine klare Verbindung zu der Partei des Mannes her, der am Vorabend beim taz Talk auf dem selben grünen Sessel saß. CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner hatte am Mittwoch für die Randbebauung des Tempelhofer Feldes geworben und erklärt, dass dann von dessen 300 Hektar noch immer 200 blieben und dass das größer sei als der Central Park in New York. Und als es um das Thema Sicherheit geht, griff der CDUler als Beispiel eine Krankenschwester heraus, die tief in der Nacht nach Hause fahren müsse.
Franziska Giffey, SPD
Und was macht Giffey? Spricht von 200 verbleibenden Hektar Feld, vom Central Park und auch von einer Krankenschwester. Das ist nun noch nicht die Unterschrift unter einen Koalitionsvertrag der beiden mit der FDP als drittem Partner. Aber eine große Überschneidung bei den ebenso großen Themen Bauen und Sicherheit ist unübersehbar.
Eine andere viel zitierte Aussage von ihr rückt Giffey an diesem Abend gerade: Als sie von „roten Linien“ als Ausschlussgrund für Koalitionsgespräche gesprochen habe, habe sie damit nicht gemeint, sie wolle ein mögliches „Ja“ beim Volksentscheid Deutsche Wohnen und Co. enteignen ignorieren. Gerichtet habe sich die Aussage vielmehr an jene Parteien, die eine solche Enteignung unterstützen – was vorrangig die Linkspartei betrifft.
Zum Fall eines erfolgreichen Entscheids, der ebenfalls am 26. September zur Abstimmung steht, sagt sie: „Selbstverständlich muss mit jedem Volksentscheid respektvoll umgegangen werden.“ Erster Schritt wäre dann aus ihrer Sicht eine rechtliche und verfassungsmäßige Prüfung. Das werde „in aller Verantwortung und wie sich das gehört gemacht werden.“
Mit Franziska Giffey kann man genauso wenig wie frau einen Abend lang zusammen sitzen, ohne auf die Plagiatsaffäre um ihre Doktorarbeit einzugehen. Für sie ist die Sache abgehakt: Überprüfung durch die Universität beendet, Dr.-Titel weg, als Ministerin zurückgetreten, wie für diesen Fall versprochen. Mit sich selbst gibt sie sich weiter im Reinen: „Ich habe diese Arbeit so geschrieben, wie ich es für richtig gehalten habe.“
Und zu der immer wieder mal, vorrangig von der politischen Konkurrenz, erhobenen Frage, ob sie nach all dem nun so einfach Regierende Bürgermeisterin werden kann, verweist sei auf die Wahl am 26. September: „Das entscheiden die Berlinerinnen und Berliner.“
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