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Ein Dorn im rechten Auge

Chemnitz wird Europäische Kulturhauptstadt 2025. Den Rechten gefällt das nicht

Von Amelie Sittenauer

Ein „großes, horizontales Erlebnis“. Das stellt Stefan Schmidtke sich vor, wenn er an das kommende Jahr denkt. Dann nämlich trägt Chemnitz den Titel Europäische Kulturhauptstadt 2025. Und wenn es nach dem Programmgeschäftsführer der Kulturhauptstadt Chemnitz GmbH geht, soll die Stadt in Ostsachsen dann vor allem eines sein: die der Chemnitzer. Unermüdlich betont das der 56-jährige Kulturmanager auch auf dem taz Panter Forum im Chemnitzer Weltecho.

Auch als rechtsextreme Hochburg ist Chemnitz heute bekannt. Der NSU-Komplex und Hetzjagden konnten hier stattfinden. Rechtsextreme Parteien wie die AfD und die Freien Sachsen sitzen im Stadtrat. Kann das eine Kulturhauptstadt sein? Seit 1985 gibt es das Kulturhauptstadtprojekt der EU. Das Förderprojekt wird heute genutzt, um strukturschwache Gegenden in Europa neu zu beleben wie die letzte deutsche Kulturhauptstadt Essen im Jahr 2010. In Chemnitz soll die Kulturhauptstadt vor allem eines beleben: eine strukturschwache Zivilgesellschaft.

Statt wie andere Städte Künstlergrößen und internationale Theaterproduktionen einzuladen, wird die Kunst und Kultur deshalb aus den Ideen und der Zusammenarbeit der Chemnitzer entwickelt. 150 zivilgesellschaftliche Organisationen stellen über 1.000 Veranstaltungen in Chemnitz und in den 38 Gemeinden im Umland auf die Beine. Rund die Hälfte der Teilnehmenden ist ehrenamtlich. Manche pflanzen Streuobstwiesen, andere präsentieren Chemnitzer Garagenkultur im Projekt #3000Garagen.

Diese neuen Netzwerke sollen Kulturen des Miteinanders und des Vertrauens entstehen lassen. Denn „Vertrauen ineinander fehlt“, so Schmidtke, der selbst im 50 Kilometer entfernten Döbeln aufgewachsen ist. Verantwortlich dafür sieht er auch das große, unbearbeitete Erbe der DDR. Als politisch will der Kulturmanager das Projekt nicht verstanden wissen. Es gehe vielmehr darum, „sich wieder mit seinen Nachbarn und Nachbarinnen Respekt füreinander aufzubauen, und sei es über den Gartenzaun hinweg“.

Name Nachname 6Ich bin ein taz-Blindtext. Von Geburt an. Es hat lange gedauert, bis ich begriffen habe, was es bedeutet, ein blinder Text zu sein: Man macht 05 keinen Sinn.

Den Rechten ist die Kulturhauptstadt ein Dorn im Auge. Im Chemnitzer Stadtrat hatten die rechtsextremen Freien Sachsen im März in einem symbolpolitischen Akt die Beendigung des Kulturhauptstadtprojekts gefordert – auch wenn sie das nicht können, weil die Mittel nicht aus dem Stadtrat kommen. Nachdem das Datum der Eröffnungsfeier bekannt gegeben wurde, meldeten erneut die Freien Sachsen nur Stunden später eine politische Kundgebung an diesem Tag an.

Darauf angesprochen, reagiert Stefan Schmidtke gefasst. Die Kulturhauptstadt stehe vor allem für das Miteinander und die Zivilgesellschaft und nicht gegen etwas. An die Chemnitzer appelliert er stattdessen, neugierig zu sein: „Seien Sie neugierig auf Ihr eigenes Leben und das Ihrer Mitmenschen, denn Sie gestalten es mit.“

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