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Trumps Drohung gegen Brics-StaatenBeschleunigter eigener Abstieg

Kommentar von Leila van Rinsum

Der US-Präsident droht den Brics-Staaten, aber das wird nicht verfangen. Denn das Bündnis ist längst eine Alternative für den globalen Süden.

Die Staats- und Regierungschefs der Brics-Staaten während des Brics-Gipfels in Rio de Janeiro am 7. Juli 2025 Foto: Pilar Olivares/reuters

U S-Präsident Donald Trump ist wieder mal auf Krawall gebürstet. In der Nacht von Sonntag auf Montag postete er in einem sozialen Netzwerk Drohungen gegen den Staatenbund Brics, der gerade im brasilianischen Rio de Janeiro tagt und Trumps Zollpolitik kritisiert hatte. „Jedes Land, das sich der antiamerikanischen Politik der Brics anschließt, wird mit einem ZUSÄTZLICHEN Zoll von zehn Prozent belegt“, schrieb Trump.

Brics gehören neben den Namensgebern Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika seit 2023 auch Ägypten, Äthiopien, Indonesien, Iran, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate an. Es ist der wichtigste Zusammenschluss wirtschaftlich starker Staaten des sogenannten Globalen Südens – und damit ein Gegengewicht zum alten Westen. China Außenministerium antworte prompt: Brics suche keine Konfrontation und nähme kein Land ins Visier.

Nun sind die USA schon länger auf dem Abstieg als Weltmacht, wir sind längst in einer multipolaren Weltordnung angekommen. Und dennoch: Der US-Präsident beschleunigt den Abstieg – durch seine rigorose Zollpolitik, deren Kosten für die eigene Bevölkerung ihm egal sind, aber vielleicht sogar noch mehr mit seiner Rhetorik, die Handel politisiert. Der plumpe Versuch, andere Länder zu einer Allianz mit den USA zu erpressen, ist schlicht nicht zeitgemäß – weil Amerika das politische Kapital verloren hat.

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Denn Brics stellt für viele Länder eine reale Alternative zu den USA und Europa dar. Sie stellen mehr als 35 Prozent des globalen Bruttoinlandsproduktes. Die großen Projekte einer alternativen Weltbank und einer eigenen Leitwährung, um den Dollar abzulösen, entwickeln sich zwar nur langsam, die Handelsbeziehungen und Investitionen aber wachsen stetig.

Und Brics knüpft sie nicht an moralische Standards. Der westliche Anspruch an eine regelbasierte Weltordnung gilt längst als scheinheilig – jüngst zeigt das der Umgang mit Israel, das sich nicht um das Völkerrecht in Gaza schert. Die Frage bleibt noch, ob Europa die Zeitenwende verstanden hat.

Korrekturhinweis: In einer früheren Version wurde Argentinien als Brics-Mitlglied gelistet. Das ist falsch. Stattdessen ist Indonesien ebenfalls Mitglied. Wir haben den Fehler korrigiert.

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Wirtschaftsredakteurin
ist Redakteurin im Ressort Wirtschaft & Umwelt. Dort schreibt sie über Internationalen Handel und Entwicklungspolitik. Sie war zuvor freie Journalistin in Nairobi und Berlin und schrieb über Nord-Süd Beziehungen, Kapitalismus und Queeres.
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16 Kommentare

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  • Ich sehe nicht, was an den BRICS besser sein soll, als an den USA und Europa. Sind fehlende moralische Standards etwa besser als eine regelbasierte Weltordnung, sei sie auch noch so scheinheilig. Viele arme Länder haben sich bereits bei China hoffnungslos verschuldet. Russland schickt seine Privatarmeen nach Afrika um die Goldvorkommen auszubeuten. Das nicht zertifizierte Gold wird in Dubai gehandelt und hauptsächlich von den Zentralbanken Chinas und Indiens gekauft. Argentinien und Brasilien sind sich spinnefeind. Von Regenwaldschutz und Klimaschutz ganz zu schweigen. Wenn Amerika das es verloren hat, worin besteht dann das politische Kapital der BRICS?

  • Ja, Trump reagiert aus einer Position der Überschätzung.



    Und ja, er wird die Entwicklung des internationalen Wandels beschleunigen.



    Doch sind wir , auf unsere eigene Art, als Europa wirklich anders?



    Haben wir realisiert, worum es weltpolitisch geht?



    Baerbock bezeichnete China öffentlich als Diktatur, erklärte Russland wirtschaftlich ruinieren zu wollen und aktuell rüsten wir für die Verteidigung gegen Russlands Imperialismus.



    Die geächtete Situation Russlands in der Welt, die dafür notwendig wäre, gibt es offensichtlich nicht und schadet uns unbestritten selbst.



    Wo sind die europäischen Kontakte zu den Bricks Staaten?



    Wo das Verständnis für eine multipolare Welt?



    Natürlich nutzen diese Länder nicht unsere Narrative im Ukrainekonflikt.



    Dass Sie sich alle von russischer Propaganda leiten lassen, wäre wohl die einfachste Erklärung, wenn man so weiter agieren will.



    Doch wohin führt unsere Aufrüstung und das beharren auf die eigene Position?



    Abgesehen vom Sichern der Pfründe für Finanzkonzerne, die den Ausverkauf der Ukraine begleiten und zwangsrekrutierten Ukrainern, die dafür sterben.



    Letztlich rüsten wir für den Kampf gegen die Neugestaltung der Welt und den Großteil aller Staaten.

  • Die Scheinheiligkeit des Westens ist völlig egal. Länder wie Russland oder China würden auch dann das Böse tun, wenn der Westen eine weiße Weste hätte.



    Der Gedanke, andere würden sich nach dem Westen richten, wenn der das richtige täte, ist zutiefst eurozentrisch und spricht anderen Staaten ab, selbständig agieren zu können.

  • BRICS ist kein „Bündnis“, dazu sind die Widersprüche zwischen den Mitgliedern viel zu groß. Allein schon die Rivalität zwischen China und Indien…



    In erster Linie ist BRICS ein Vehikel Chinas, um Macht zu projizieren. Ohne China wäre dieses Format tot.

  • "Gegengewicht zum alten Westen. Chinas Außenministerium antworte prompt: Brics suche keine Konfrontation und nähme kein Land ins Visier."



    Vielleicht kein Land, aber irgendwie doch eine Währung, die Leitwährung, die die zementierte Weltmacht mit Vorherrschaft verleiht.



    www.fiw.ac.at/2024...aehrung-us-dollar/



    In den Finanzzentren der Welt werden sie wissen, was das ökonomisch bedeuten kann.

  • Was ist eigentlich los mit Europa? Menschenrechte waren mal Kompass – heute sind sie Verhandlungsmasse. Wenn’s wirtschaftlich passt, machen wir Geschäfte mit Diktaturen. Wenn Verbündete das Völkerrecht brechen, schauen wir weg.

    BRICS wächst – weil sie keine Fragen stellen. Kein Wort zu Demokratie, kein Wort zu Freiheit. Nur Geld, Macht, Einfluss. Und viele Staaten steigen ein, weil der Westen seine Glaubwürdigkeit verspielt hat. Weil Europa Werte predigt – und sie verkauft, wenn es unbequem wird.



    Menschenrechte sind keine Dekoration, sie sind das Fundament. Wer sie verrät, verliert nicht nur moralisch – sondern auch politisch.



    Wenn Europa weiter schweigt, wird es nicht überflügelt.



    Es wird überflüssig.

    • @Stefan Schmitt:

      Kein Land der Welt kann es sich leisten, nur mit den „Guten“ Geschäfte zu machen. Interessen schlagen sog. Werte. Menschen- und Arbeitsrechte können nicht unser primärer Maßstab sein. Der Umwelt- und Naturschutz hingegen gehört definitiv zu unseren ureigenen Interessen, denn auch wir brauchen die Regenwälder und die Artenvielfalt des globalen Südens. Deswegen müsste das Thema zwingend von Menschen- und Arbeitsrechten abgekoppelt werden. Mit Maximalforderungen erreichen „wir“ gar nichts.

    • @Stefan Schmitt:

      Sie glauben wirklich, wenn sich Europa nur „besser benehmen“ würde, würden Akteure wie Iran oder China ihre Innenpolitik anpassen? (Mit beiden Staaten pflegt D. Seit Jahrzehnten recht enge Handelsbeziehungen.) Nehmen wir mal die Zeit seit den 70ern… Wo und wie ist das passiert? Die naive Attitüde „Wenn nur Europa voranschreiten würde, dann hätten wir eine bessere Welt.“ Scheitert seit Jahrzehnten an der Wirklichkeit. Das einzige was jetzt real zerfällt ist nicht die regelbasierte Ordnung, die es de facto nie gab, sondern die Scheinheiligkeit mit der sich Akteure auf dieser Basis begegnet sind.



      Willkommen in der Multipolaren Weltordnung, die ja alle dringend wollten. Wertehegemonie ade. Nicht mehr mit am europäischen Wesen soll die Welt genesen.

    • @Stefan Schmitt:

      "Wenn’s wirtschaftlich passt, machen wir Geschäfte mit Diktaturen. Wenn Verbündete das Völkerrecht brechen, schauen wir weg."

      Was ist daran neu? Menschenrechte standen schon immer unter dem Vorbehalt anderer Interessen.

    • @Stefan Schmitt:

      Menschenrechte waren schon immer Verhandlungsmasse, auch im "alten" Europa. Nur bröckelt heute die wirtschaftliche Macht, die die Anderen zum freundlichen Nicken zwang.

      • @Wurstfinger Joe:

        Die großen humanistischen Aufbrüche – nach 1945, 1989 oder in Momenten der Befreiung – waren Versuche, den Menschen als verletzliches, freiheitsfähiges Wesen zu sehen, das Verantwortung für sich und andere übernehmen kann. Diese Bewegungen wollten nicht nur neue Strukturen – sie wollten eine andere Haltung zur Welt.

        Und klar: diese andere Haltung ist anfällig in einem System, das alles in Verwertung überführt. Der Kapitalismus bringt keine Tyrannei – aber er bringt Vergessen. Er verschlingt das Pathos, schleift es ab, übersetzt es in Marktlogik. Was gestern noch moralischer Aufstand war, ist morgen PR-Kampagne. Und plötzlich ist der Aufbruch weg – nicht durch Gewalt, sondern durch Gleichgültigkeit.



        Vielleicht deshalb erodieren die großen humanistischen Momente immer wieder.

  • Dann können wir ja auch endlich mit dem „West-Bashing“ aufhören. Wenn die Europäer und die Amis nicht ehr als Feindbild für alles Übel der südlichen Welt taugen, gegen wen oder was kämpft die „antikoloniale Linke“ dann?

  • "Die Frage bleibt noch, ob Europa die Zeitenwende verstanden hat."

    ... Im Falle von Deutschland wäre ich mir da nicht so sicher.

  • Der Vorteil des Brics-Modells scheint ja auch darin zu bestehen, dass es eben keine festgefügte Allianz ist, die sich gegen irgendwen richtet. Sondern dass die einzelnen Staaten frei sind, jeweils souveräne Arrangements mit Dritten einzugehen, auch mit den USA. In einer multipolaren Welt ist eine solch eine lose Vereinigung ohne jeden ideologischen Geltungsanspruch vielleicht das Modell für die Zukunft.

  • BRICS gehört die Zukunft. Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung leben in diesen Staaten. Dagegen ist die USA ein Zwerg. Und passend dazu haben sie derzeit einen entsprechenden Präsidenten.



    Die EU sollte etwas geschickter und schlauer agieren. Es ist nicht mehr zeitgemäß vor den USA zu kuschen, sondern sich endlich Anderen zuzuwenden und die Zukunft gemeinsam zu gestalten.

  • "...wir sind längst in einer multipolaren Weltordnung angekommen."

    So ist es. Allerdings wollen es sehr viele nicht wahrhaben.