platz da!: Warum der Verkehr das wichtige Thema der Hamburger Wahl ist
Mein linker Fuß hängt in der Luft. Es ist so eng an diesem Morgen in der S3 in Richtung Hauptbahnhof, dass mir der Platz dafür fehlt, ihn abzustellen. Dort, wo er hin müsste, steht der Hackenporsche des Mannes neben mir. Die Frau auf der anderen Seite ist so nah, dass ich sie ohne Probleme auf den Mund küssen könnte, wenn ich den Kopf drehen würde.
Das ist ein guter Tag. Niemand in meiner näheren Umgebung dünstet den Alkohol der vergangenen Nacht aus. Die Wörter „Störung im Betriebsablauf“ sind nicht gefallen. Ich habe die erste Bahn erwischt und stand nicht bis zur zweiten oder dritten auf dem überfüllten Bahnsteig der Veddel. Oft sind die Waggons so voll, dass die Menschen eine Wand bilden, direkt hinter den sich öffnenden Türen.
Es wundert mich nicht, dass für die Hamburger*innen der Verkehr das große Thema der Wahl ist. Denn wer sich nicht über die S-Bahnen ärgert, steckt wohl gerade mit dem Auto im Stau oder weicht mit dem Fahrrad Lastwagen aus, die einem auf dem für Radfahrer abgetrennten Teil der Straße zu nahe kommen.
Das Meinungsforschungsinstitut Infratest Dimap hat im Januar im Auftrag des NDR 1.000 Wahlberechtigte aus Hamburg gefragt, was für sie die wichtigsten Probleme sind, die die Politik in Hamburg lösen müsse. 39 Prozent nannten Mobilität, Verkehr und Infrastruktur.
Das Thema Wohnen landet mit etwas Abstand dahinter. 33 Prozent sehen die steigenden Mieten und den zu knappen Wohnraum als zentrale Aufgabe der Hamburger Politik. Auch wenn Dorothee Stapelfeldt, Hamburgs Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen (SPD), im vergangenen November erleichtert verkündet hat, dass sich der Anstieg der durchschnittlichen Nettokaltmiete halbiert habe, ist für Wohnungssuchende noch keine echte Entlastung zu spüren. Die Schanze, Ottensen, St. Pauli oder die Alsterseite von St. Georg sind überwiegend durchgentrifiziert. Normalverdiener*innen müssen sich mit den Rändern der Stadt anfreunden.
Beide Themen hängen darum zusammen: Durch die angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt werden die Wege zur Arbeit länger. Die Industriegewerkschaft Bau hat im Oktober Zahlen veröffentlicht: „Im vergangenen Jahr kamen rund 350.000 Menschen zum Arbeiten regelmäßig von außerhalb in die Stadt – das sind 30 Prozent mehr als noch im Jahr 2000“, heißt es dort. Es wird an der neu gewählten Regierung sein, diesen Frust zu lindern. Andrea Maestro
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