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heute in hamburg„Salonfrauen wurden zu Musen stilisiert“

Online-Vortrag von Hannah Lotte Lund zum 250. Geburtstag von Rahel Varnhagen, geb. Levin: 19 Uhr, über Zoom aus dem Heine-Haus. Anmeldung unter heine.haus@gmail.com

Interview Petra Schellen

taz: Frau Lund, hat die vor 250 Jahren geborene Rahel Varnhagen die Berliner „Salons“ erfunden?

Hannah Lotte Lund: Ach, den Begriff „Salon“ hat die Forschung erst im Nachhinein gesetzt. Damals waren es Familien, die aus ihrem Wohnzimmer einen geselligen Ort machten, eine Art Halb-Öffentlichkeit. Es war ein gesellschaftliches Experiment.

Gab es Vorläufer?

Ja. Schon in der Vätergeneration hatten sich in Berlin jüdische und christliche Aufklärer, Gelehrte zum Austausch getroffen. Um 1800 waren Henriette Herz und ihr Mann die ersten, die ein solch offenes Haus führten.

Was war daran besonders?

Es waren jene seltenen Orte, an denen sich Frauen und Männer, Adlige und Bürgerliche, Christen und Juden trafen und auf Augenhöhe über Literatur, Kunst, Philosophie debattierten. Es war eine spannende, intellektuell stimulierende Zeit, als friderizianische, christliche und jüdische Aufklärung zusammenkamen. Da war vieles in Bewegung, und die „Salons“ waren Teil davon.

Warum führten stets Jüdinnen diese Salons?

Zu solch interreligiös gemischten Geselligkeiten hätte ein christliches Haus in der Tat nicht einladen können, ein gewisser antijüdischer Vorbehalt war vielleicht da. Die – wenigen – jüdischen Familien, denen der preußische Staat das so genannte Privileg gewährte und die deshalb eine Sonderstellung hatten, konnten das leichter. Hannah Arendt hat die Salons einmal „exterritoriale Orte“ genannt.

Wie interreligiös und tolerant ging es dort wirklich zu?

Schwer zu sagen. Es gibt aus den Berliner Salons keine Notizen oder Erinnerungen. Und die Briefe zeigen vor allem, dass literarische und philosophische Brücken geschlagen wurden. Die Stimmung wird also über einige Jahre tolerant gewesen sein – bis es irgendwann kippte.

Foto: Kleist-Museum

Hannah Lotte Lund

Jg. 1971, Historikerin, hat über die Berliner „jüdischen Salons“ promoviert und leitet seit 2016 das Kleist-Museum in Frankfurt/Oder.

Wieso?

Es gab einen schleichenden Wiedereinzug antijüdischer Vorurteile. Mit der konservativen Entwicklung nach 1800, mit Napoleon, der Kriegsstimmung, der nationalen Erhebung kamen auch antijüdische Vorurteile wieder in die Gesellschaft und die BesucherInnen wurden weniger.

Sie wollen in Ihrem Vortrag auch „Irrlichter“ der Rezeption beleuchten. Welche?

Diese Frauen wurden unglaublich glorifiziert oder auch abgewertet. Mal waren sie Abtrünnige der jüdischen Religion, mal Befreierinnen. Rahel Varnhagen war mal „schöne Seele“, die nie selber schreiben durfte – was nicht stimmt. Dann wieder stilisierte man die Salonfrauen zu „Musen“ der Männer. Dabei waren diese Frauen vor allem eins: Freidenkerinnen, die sich von Gedankenkonstrukten und Vorurteilen zu lösen suchten.

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