Aktivist über Abriss des Bahnhofs Altona: „Das Projekt ist noch zu stoppen“
Die Initiative Prellbock kämpft seit 2016 für den Erhalt des Kopfbahnhofs in Hamburgs Westen und gibt nicht auf. Nun hat sie die Anwohner gefragt.

taz: Herr Müller-Goldenstedt, Prellbock Altona kämpft seit Jahren für den Erhalt des Bahnhofs Altona. Sehen Sie noch Chancen?
Andreas Müller-Goldenstedt: Ja. Denn wir sehen große Chancen, dass der als Ersatz geplante Fernbahnhof am Diebsteich nicht gebaut wird. Zurzeit gibt es dort keine Bauaktivitäten. Die Deutsche Bahn hat uns bestätigt, dass sie Schwierigkeiten hat.
taz: Am Diebsteich wurde doch gebaut?
Müller-Goldenstedt: Ja, man hat dort den S-Bahnhof verschoben, um Platz für den neuen Bahnhof mitsamt der zwei Hochhaustürme zu bekommen. Sehr pikant übrigens: Dieser nagelneue S-Bahnhof ist nicht barrierefrei. Aber ob die Türme kommen und der Investor noch Interesse an dem Projekt hat, ist die große Frage. Denn bevor dort am Diebsteich Bahnhofsgebäude gebaut würde, müsste ja erst mal der neue S-Bahn-Verbindungsbahntunnel vom Hamburger Hauptbahnhof fertig werden. Und der steht ja, wie man liest, sehr in Frage.
taz: Selbst wenn dieser Tunnel käme, gingen Jahre ins Land. So lange gibt es den Bahnhof Altona auf jeden Fall noch?
Müller-Goldenstedt: Genau. Wir schätzen, bis 2030/35 gibt es ihn auf alle Fälle. Dabei sollte er nach ursprünglicher Planung schon 2023 abgerissen werden. Wir sind jetzt im zehnten Jahr als Prellbock Altona aktiv, sind ein Verein und Umweltverband.
taz: Heute Abend stellen Sie eine Anwohner-Umfrage vor. Was ist das Ergebnis?
Müller-Goldenstedt: Es haben sich immerhin 6.500 Leute Zeit für diese Onlineumfrage genommen, für die sie alle 16 Fragen beantworten mussten. Von diesen sprachen sich rund 5.000 für den Erhalt des Bahnhofs Altona aus. 78 Prozent wollen den jetzigen Bahnhof Altona behalten. Wer zur Veranstaltung kommt, bekommt auch einen 24-seitigen Auswertungsreader.
73, ist Mitglied im Vorstand des Vereins Prellbock Altona und in der Initiative „Bürgerbahn Denkfabrik“.
taz: Das waren alles Anwohner?
Müller-Goldenstedt: Das bekommt man natürlich nicht genau raus. Aber wir warben für die Umfrage aktiv mit einem QR Code rund um den Bahnhof und in anliegenden Stadtteilen. Und das Bedürfnis, gehört zu werden, ist da. In den fast 2.000 abgegebenen Kommentaren kritisierten viele Anwohner, dass sie nie einer fragte, ob sie die Verlegung möchten.
taz: Sie kämpfen seit zehn Jahren. Aber die Politik überzeugen Sie nicht?
Müller-Goldenstedt: Auch die Politik merkt, dass sie nicht mehr das Geld hat. Die Verlegung des Bahnhofs Altona würde mindestens eine Milliarde Euro kosten und wäre klimatechnisch ein Desaster. Vor allem wäre der neue Bahnhof Diebsteich mit nur sechs Gleisen und als reiner Durchgangsbahnhof zu klein. Er würde ja wie der Altonaer Bahnhof als Kopfbahnhof benutzt. Alle Regionalzüge gen Norden würden da halten und wieder losfahren.
„Noch ist es nicht zu spät, den Bahnhof Altona zu erhalten“: 4. Juni, 19 Uhr, Alte Druckerei Bahrenfelder Straße 73d/Hinterhof am Spritzenplatz
taz: In Altona ist es ein richtiger Kopfbahnhof. Was ist das Besondere daran?
Müller-Goldenstedt: Am Altonaer Kopfbahnhof können alle acht Gleise von allen Richtungen angefahren werden, wie bei einem Fächer. Der Regionalexpress aus Westerland kann an Gleis fünf halten oder am Gleis zwölf, das ist vollkommen egal. So ein Bauwerk ist sehr viel flexibler als zum Beispiel der Hamburger Hauptbahnhof. Da führen, wenn ein Lokführer vom Norden kommt, entweder die Gleise nach Berlin oder nach Bremen.
taz: Gibt es denn noch mal eine Entscheidung, auf die Sie warten?
Müller-Goldenstedt: Wir warten nicht nur ab, was die Politik sagt, sondern wir versuchen Einfluss zu nehmen. Alle merken gerade, dass nicht unendlich Geld vorhanden ist. Man weiß nicht, welche Projekte der neue Bundesverkehrsminister eventuell stoppen wird. Wir könnten uns vorstellen, dass er Diebsteich stoppt, weil das Projekt noch zu stoppen ist.
taz: Aber falls der Bund diesen Tunnel sein lässt, könnte Diebsteich früher fertig sein?
Müller-Goldenstedt: Das könnte sein. Aber ohne diesen S-Bahn-Tunnel wäre der neue Bahnhof Diebsteich für den Fern- und Regionalverkehr erst recht zu klein.
taz: Der Bahnhof Altona sollte ja für Wohnungen weichen. Wäre es nicht schade drum?
Müller-Goldenstedt: Wenn man den Bahnhof Altona richtig modernisiert, dann gäbe es auch noch Flächen für einen Wohnungsbau. Vielleicht nicht in der Größe, aber es gäbe sie.
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