US-Bürgermeisterin Erin Mendenhall: Salt Lake City zeigt Flagge
Der US-Bundesstaat Utah verbietet die Regenbogenflagge an öffentlichen Gebäuden. Doch die Bürgermeisterin der Hauptstadt kommt dem Ansinnen zuvor.
Es ist ein Rückschlag für den Kampf gegen „Wokeness“ und Diversität, den die US-Regierung führt: Während Unternehmen weltweit, Politiker und sogar Universitäten unter dem Druck aus Washington reihenweise einknicken, ist der Bürgermeisterin von Salt Lake City ein Coup gegen die queerfeindliche Politik ihres Bundesstaates gelungen.
Kurz vor Inkrafttreten eines Gesetzes, das die Verwendung der Regenbogenflagge „und anderer inoffizieller Flaggen“ in öffentlichen Gebäuden mit einer Geldstrafe von 500 Dollar belegt, hat Bürgermeisterin Erin Mendenhall mit Stimmen des Stadtrats die offiziellen Flaggen der Stadt kurzerhand geändert.
Künftig sollen demnach in allen Behörden, Schulen und auf öffentlichen Plätzen eine Regenbogenflagge, eine Trans*flagge und eine Juneteenth-Flagge wehen, jeweils mit dem Stadtemblem der Lilie versehen. Juneteenth bezeichnet den unter Präsident Joe Biden eingeführten Gedenktag, der seit 2022 das Ende der Sklaverei am 19. Juni 1865 feiert.
Erin Mendenhall, Bürgermeisterin von Salt Lake City
Es seien „mächtige Symbole, die die Werte von Salt Lake City repräsentierten“, schrieb Mendenhall in einer Pressemitteilung. „Ich will, dass alle Salt Lakers zu diesen Flaggen aufschauen und sich daran erinnern, dass wir Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion wertschätzen – und keinen Zweifel daran lassen, dass wir als Stadt und als Menschen gemeinsam und vereint weiter voranschreiten.“
„Kreuzzug der Wokeness“
Ein Akt des Widerstands für die einen, eine unerträgliche Provokation für andere. Reaktionäre Stimmen empören sich in sozialen Medien über den vermeintlichen Kreuzzug im Namen des „Wokeness-Kultes“, den Mendenhall führe. Die Bürgermeisterin müsse sofort abgewählt werden, forderten viele.
Die 44-jährige Demokratin ist seit 2020 im Amt. Den Weg in die Politik fand sie nach eigenen Aussagen über den Kampf gegen die notorisch schlechte Luft in der 600.000-Einwohner-Stadt. Nach dem Highschool-Abschluss studierte Mendenhall an der staatlichen Universität von Utah Gender Studies, anschließend machte sie ihren Master in Technologiemanagement.
Nach der Geburt ihres ersten Sohnes, 2008, engagierte sie sich zunächst in der Initiative Moms for Clean Air (Mütter für saubere Luft) und gründete später die Umweltorganisation Breathe Utah (Atme, Utah). Aufgrund ihrer geografischen Lage leidet die Stadt unter besonders hohen Ozon- und Feinstaubwerten. Abgase aus Öl- und Gasindustrien, starkem Verkehr, aber auch Waldbrände sorgen für eine der schlimmsten Luftverschmutzungen im ganzen Land.
Nach zwei Amtsperioden im Stadtrat setzte Mendenhall sich im Jahr 2019 in einer Stichwahl gegen ihre Mitbewerberin für das Bürgermeisteramt durch. Auf ihrer Homepage nennt sie als ihre Schwerpunkte unter anderem einen besseren Zugang zu Wohnraum und öffentlichen Verkehrsmitteln sowie eine gerechtere Stadt für Frauen und Mädchen.
Mut zum Widerstand
Das Image einer weltoffenen Stadt inmitten eines ultrakonservativen Staates, der von den strengen religiösen Gesetzen der Mormonen geprägt ist, hat Mendenhall durch die Flaggen-Aktion erst mal verteidigt. Sie hat sich nicht erst seitdem Feinde gemacht: Bereits kurz nach ihrem Amtsantritt war sie wegen ihrer Coronapolitik bedroht worden, ein Mann wurde wegen Tötungsabsicht festgenommen.
Mit ihrem Mut, standhaft gegen rechte Hetze zu bleiben, ist sie allerdings nicht allein. Im konservativ regierten Nachbarstaat Idaho hat die Hauptstadt Boise das Verbot der Prideflagge ebenfalls umgangen: ebenfalls auf Initiative der dortigen Bürgermeisterin.
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