Zwischenbericht für Atomendlager: Gorleben soll leben

Halb Deutschland ist nach dem Bericht der zuständigen Gesellschaft BGE für ein atomares Endlager geeignet – aber nicht Gorleben.

Eine Frau hat sich das Radioaktivität-Zeichen auf die Stirn gemalt

Jahrzentelanger Protest hat Erfolg: Junge Frau beim Anti-Castor-Protest 2010 bei Gorleben Foto: Christian Charisius/reuters

BERLIN taz | Die Suche nach einem atomaren Endlager in Deutschland hat mit einer Überraschung und einem Erfolg der Umweltbewegung begonnen. Der umstrittene Standort im niedersächsischen Gorleben ist nach dem „Zwischenbericht Teilgebiete“, den die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) am Montag vorgestellt hat, aus geologischer Sicht ungeeignet und wird ausgeschlossen. „Der Salzstock Gorleben wird daher nicht bei den weiteren Arbeiten der BGE zu den Vorschlägen über die Standortregionen betrachtet“, heißt es in der Presserklärung der BGE. Das ist genau das, was AtomkritikerInnen seit Jahrzehnten fordern.

Dagegen ist laut BGE-Bericht mehr als die Hälfte der Fläche Deutschlands nach geologischen Kriterien für ein atomares Endlager geeignet: 54 Prozent oder insgesamt 194.157 Quadratkilometer erfüllen die Bedingungen, um die hochradioaktiven Abfälle für eine Million Jahre sicher zu lagern.

Diese 90 „Teilgebiete“ bilden nun „den Ausgangspunkt für die weiteren Arbeiten im Standortauswahlverfahren“, heißt es. Die Gebiete mit ausreichenden Formationen von Ton, Salz oder Kristallin erstrecken sich über weite Teile von Nord-, Süd- und Ostdeutschland. Der Westen, die Gebiete südlich der Donau und der äußerste Nordosten an der polnischen Grenze gelten dagegen zu großen Teilen als ungeeignet.

Grundlage der Bewertung für die BGE waren die Daten von Behörden und Unternehmen zum Untergrund in Deutschland. Obwohl zwischenzeitig umstritten war, wie belastbar diese Daten sind, betont nun die BGE, sie habe genug Daten zur Bewertung aller Gebiete gehabt.

Ausschlussverfahren in drei Schritten

Für die Bewertung hat die BGE zuerst im Ausschlussverfahren Regionen eliminiert, die etwa wegen Bergbau, Vulkanismus oder jungem Grundwasser ungeeignet sind. Im zweiten Schritt wurden die Regionen ausgesiebt, die den Mindestanforderungen nicht entsprechen: Mindestens 300 Meter unter der Erde, ein starkes Deckgebirge, ausreichend Platz von mehreren Quadratkilometern für ein Atom-Bergwerk unter der Erde. Und in einem dritten Schritt wurden „geologische Abwägungskriterien“ berücksichtigt, etwa die Reaktion des Gesteins auf die Wärme aus den Lagerbehältern, der mögliche Transport von strahlenden Stoffen durch Grundwasser und die langfristige Stabilität des Gesteins. Übrig blieben dann die 90 Gebiete, die sich teilweise überlappen.

Mit dem Bericht der BGE beginnt nun ernsthaft die Suche nach einem Endlager für den hochradioaktiven Müll, der sich nach Abschaltung des letzten Atomkraftwerks Ende 2022 auf etwa 10.500 Tonnen addieren wird. Mitte Oktober soll der Bericht in einer „Fachkonferenz“ in Kassel und danach auf drei weitere Konferenzen mit der Öffentlichkeit debattiert werden. Später soll die BGE entscheiden, welche Gegenden an der Oberfläche näher untersucht werden.

Dann sollen mindestens zwei Gebiete auch unterirdisch erkundet werden. Nach dem „Standortauswahlgesetz“ sollen 2031 Bundestag und Bundesrat über einen Standort entscheiden. Ab 2050 soll demnach das Endlager fertig sein – allerdings rechnen viele ExpertInnen mit Verzögerungen auf dem Weg.

Den Ausschluss von Gorleben hatten viele Umweltverbände seit langem gefordert. Der BUND-Vorsitzende Olaf Band sagte erst vor zwei Wochen: „Nur wenn dieser größte Streitpunkt der deutschen Endlager-Debatte endlich vom Tisch kommt, kann eine tatsächlich qualifizierte Standortsuche beginnen. Ansonsten wird es als Rückfalloption den Suchprozess immer weiter vergiften. Auch die 1,9 Milliarden Euro, die bislang in die Erkundung von Gorleben gesteckt worden sind, wiegen die Sicherheitsmängel nicht auf.“

Wolfgang Ehmke von der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg meinte damals, die Daten über den Salzstock Gorleben könnten „aus unserer Sicht nur dazu führen, dass der bisherige Standort schon im ersten Vergleichsschritt wegen seiner geologischen Mängel aus dem Endlagersuchverfahren herausfliegt.“ Das hat sich nun bestätigt.

Die bayerische Regierung hält ihr Bundesland für ungeeignet

Gegenwind für das Ende von Gorleben und das gesamte Verfahren kommt aus Bayern. Die Regierung von CSU und Freien Wählern hat in ihrem Koalitionsvertrag 2019 festgeschrieben, dass das Kristallingestein in Bayern nicht für ein Endlager taugen solle – was der BGE-Bericht nun nach wissenschaftlichen Kriterien widerlegt.

Erst letzte Woche hatte Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber das Verfahren in Frage gestellt. Der Suchprozess werde „über Jahrzehnte in Deutschland für Unruhe sorgen und Milliarden kosten“. In Gorleben habe man „nur aus politischen Gründen den Schlüssel abgezogen“. Dem widerspricht nun der BGE-Bericht ebenfalls.

Für das Verfahren machte sich auch Grünen-Chef Robert Habeck stark. Im Morgenmagazin der ARD sagt er am Montag, es sei für das Vertrauen der Bevölkerung wichtig, dass die Kriterien „von der Wissenschaft festgelegt wurden, ohne politischen Einfluss.“ Ein Endlager im eigenen Wahlkreis zu haben sei nicht angenehm, „aber wenn das der sicherste Standort wäre, würde ich auch in meinem Wahlkreis sagen: Das ist nicht schön, muss aber sein“, so Habeck. Er hatte als Mitglied der „Endlagerkommission“ des Bundestags 2016 das jetzige Verfahren mit angeschoben.

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