Zwischen Kopf und Kirche: Die heilige Rübe
Der Kölner Gereonskopf hinter der gleichnamigen Kirche ist so archaisch wie unverwüstlich. Drum herum weht ein Hauch zwischen Realität und Legende.
Den Gereonskopf kennt eigentlich jeder. Na ja, zumindest jeder, der durchs Gereonsviertel in der Kölner Innenstadt läuft, gleich unterhalb des Doms. Und das sind viele: TouristInnen, AnwohnerInnen, auch Studenten vom nahen Priesterseminar des allseits beliebten Kardinals Rainer Maria Woelki.
Wenn der heilige Gereon wüsste, was Woelki so alles treibt, drehte er sich wohl im Grabe um. Das heißt: Ein ordentliches Grab hat er ja nicht, der einstige Anführer der Thebäischen Legion, die im dritten Jahrhundert für den römischen Kaisers Diokletian gegen Christen vorgehen sollte. Allerdings: Gereon, selbst bekennender Christ, weigerte sich, legte samt Mannschaft die Waffen nieder. Also wurden er und alle 318 Geführten anno 304 geköpft, so die Legende.
Die Körper der Märtyrer soll man in einen Brunnen genau dort geworfen haben, wo der Kopf jetzt liegt: bärtig, behelmt, mit leeren Augen auf die Rückseite der Gereonskirche blickend. Das mit dem Auslöschen von Erinnerung hat allerdings nicht geklappt, im Gegenteil: Die von der Bezirksvertretung initiierte, mäzenfinanzierte Granitskulptur des Künstlers Iskender Yediler ist acht Tonnen schwer, mehr als mannshoch und liegt seit 2005 unbehelligt in einem kleinen Park.
Pause am Schädel
Daneben verläuft zwar eine belebte Straße, aber der Park selbst ist doch erstaunlich ruhig. Man sitzt hier sehr heimelig auf Bänken unter Bäumen. Joseph Beuys soll hier mal drei Linden gepflanzt, dazu Basaltsteine aufgestellt haben. Ich sitze zwar gelegentlich dort, habe sie aber bisher nicht gefunden. Und der Kopf – nun, direkt heimelig fühlt man sich nicht neben diesem Monolithen, Zeugnis einer sehr verspäteten Heiligenverehrung. Er wirkt wie ein Asteroid aus vergangener Zeit. Und vermutlich auch für die Ewigkeit, denn den bekommt man einfach nicht geklaut.
Das wäre ja auch schlimm, schließlich ist er Schutzpatron Kölns und hilft wohl auch gegen Kopfschmerz. Jedenfalls soll ein Bischof mal von seinem Kopfschmerz geheilt worden sein, nachdem er Staub aus besagtem Märtyrerbrunnen eingeatmet hatte. Gefunden wurde dieser Brunnen allerdings nie.
Erwiesen ist hingegen, dass der 350 geweihte Vorgängerbau der romanischen Gereonskirche auf einer frühchristlich-römischen Kultstätte stand: vermutlich ein Mausoleum auf einem Gräberfeld.
Von der Gereonslegende ist dann erstmals im neunten Jahrhundert die Rede. Und nachdem die Märtyrer dem Kölner Erzibischof Anno II. angeblich im Traum Schläge angedroht hatten, weil sie nicht angemessen verehrt wurden, ließ er die Kirche im Jahr 1060 erweitern und ihre Gebeine in der Krypta bestatten.
Um 1120 fand man weitere Gräber. Eins barg einen vornehm gekleidet Leichnam mit Teilen eines Schwerts. Man beschloss, dass dies der heilige Gereon sei, und widmete ihm die Kirche. Die wegen ihres – auf dem Oval des römischen Vorgängerbaus basierenden – Zehnecks (Dekagons) bis heute eine Rarität unter Kölns romanischen Kirchen ist.
Tatort: Kloster
Und sie verbirgt ihre Vergangenheit nicht: Wenn man dem Gereonskopf den Rücken zudreht und um die Kirche herum auf den Vorplatz geht, stolpert man fast über die knöchelhohen Steinquader, die den Grundriss des einstigen Gereonsklosters markieren.
Und gegenüber, in gut kalkulierter Blickachse, liegt das Historische Archiv von 1894 mit feinen neogotischen Spitzbogenfenstern. Nicht zu verwechseln übrigens mit dem 1971 eröffneten Stadtarchiv, das 2009 spektakulär einstürzte.
Das charismatische alte Archivgebäude indes ist seit 2014 ein Hotel. Und wer gelegentlich den „Köln-Tatort“ guckt, hat es sicher schon gesehen: Die Kommissare Schenk und Ballauf haben dort nämlich schon oft recherchiert.
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