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Zum Tod von Wolfram SiebeckEin sehr ernsthafter Hedonist

Wolfram Siebeck stritt sein Leben lang für kulinarische Kultur. Am Donnerstag ist er nach kurzer Krankheit mit 87 Jahren verstorben.

40 Bücher schrieb Siebeck, am bekanntesten die „Kochschule für Anspruchsvolle“ Foto: dpa

Berlin taz | Zuletzt – da war er von seinem Hausblatt, dem Zeit-Magazin, mit großem Pomp verabschiedet worden – begann er noch zu bloggen, der 80-Jährige, der den Nachkriegsdeutschen das Essen beigebracht hatte. Kleine Reiseeindrücke waren da zu lesen, immer mal wieder von einem Restaurantbesuch, regelmäßig aber spießte er auch das Tagesgeschehen auf – mit leidenschaftlichen Polemiken. Da bekam man ein Gefühl dafür, was für ein Satiriker Wolfram Siebeck einst war und dass sein Thema Essen lange auch ein Mittel gewesen sein muss, um Wut und Streitlust zu zivilisieren.

Auf dem Gebiet machte sein Zorn vor niemandem halt. Siebeck verspottete Frankreichs Jahrhundertkoch Paul Bocuse als Fernfahrerkneipenwirt, nach dem Verriss des Tantris in München sprach Eckart Witzigmann 21 Jahre lang kein Wort mehr mit dem Kritiker. Vor allem aber ging Siebeck den ganz normalen deutschen Esser an. Er sprach ihm beinahe genetisch jeden Sinn für kulinarische Kultur ab. Damit polarisierte er, selbst ein Deutscher. Siebeck war wie der Kreter, der immer sagt: Alle Kreter lügen.

Zur Kulinarik kam Siebeck per Zufall, ausgebildet war er als Grafiker. Seine ersten Kolumnen veröffentlichte er 1958 in der Jugendzeitschrift Twen, avancierte dann aber schnell zu dem Gastronomiekritiker schlechthin. Von seinen über vierzig Büchern vor allem die „Kochschule für ­Anspruchsvolle“ im Regal stehen zu haben hatte für viele Menschen Bekenntnischarakter. Als in westdeutschen Zeitungen das Papsttum ausbrach, mit seinen Reich-Ranickis und Kaisers, da war Siebeck das schon längst – fürs Essen.

Sein Thema bot ihm zugleich immer die Möglichkeit zur Zeitdiagnose. Ein arroganter Publikumsbeschimpfer beobachtet da en detail, in welche Nischen sich deutsches Gemütlichkeitsstreben zurückzieht. In einer Zeit, als andere den NS-Muff unter den Talaren kritisierten, beschrieb Siebeck lieber die Wohlstandsbäuche, über denen sich die Talare auch noch blähten. „Adorno mit dem Schneebesen“ wurde er dafür genannt.

Siebeck beschrieb sich gern als Linker. Das war er auch, ein heimischer Linker. Ohne ihn hätte es die Toskana-Fraktion kaum gegeben. Und selten war jemand in seinem Hedonismus so ernsthaft, strikt und deshalb auch irgendwie deutsch. Am Donnerstag ist er nach kurzer Krankheit mit 87 Jahren verstorben.

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1 Kommentar

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  • Wieder mal ein immer seltener werdendes Stück Wahrheit verloren gegangen.