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Zukunftstag in NiedersachsenSo wirksam wie schmutzige Socken

Der Boysday ist schlecht organisiert und weitgehend wirkungslos, glaubt die Kolumnistin. Aber die Kultusministerin sieht das natürlich ganz anders.

Boysday Symbolbild: Was bringt Jungs dazu, uncoole und schlecht bezahlte Berufe zu ergreifen? Foto: Marius Becker/dpa

E igentlich würde ich so gern etwas frühlingshaft Leichtfüßiges, Lustiges oder Melancholisches schreiben, aber ich muss mich schon wieder aufregen. Das Kultusministerium hat mir eine Pressemitteilung zum Zukunftstag (auch Girls Day oder Boys Day genannt) geschickt.

Das ist dieses Ding, bei dem Schulkinder ab der 5. Klasse einen halben Arbeitstag lang durch irgendein Unternehmen oder Institutionen gescheucht werden. Über den habe ich mich im letzten Jahr ja schon einmal ausgekotzt, aber ich tue das auch gern jedes Jahr wieder, bis meine Kinder aus dem Alter raus sind.

Den Scheiß gibt es schon seit 2001, lerne ich aus der Pressemitteilung. 22 Jahre! Und immer noch hat keiner es geschafft, das Ganze vernünftig zu organisieren. Ich war ganz stolz auf mich, dass ich dieses Jahr schon im Januar angefangen habe, E-Mails zu schreiben, um einen Platz für den 27. April zu organisieren.

Leider sind wir trotzdem leer ausgegangen. Alle Institutionen, die interessant gewesen wären, sind noch damit beschäftigt, ihre Wartelisten aus den Corona-Jahren abzuarbeiten oder erfordern mehr Vitamin-B als wir haben.

Die offizielle Online-Plattform zeigt kaum Angebote

Auf der Seite des Landgerichts Hannovers zum Beispiel prangte monatelang eine Pressemitteilung mit den entnervten Worten: „Bitte sehen Sie von weiteren Nachfragen ab, wir veröffentlichen die Informationen rechtzeitig“. Ich klickte jede Woche mehrmals drauf. Eines Tages wurde die Mitteilung nahtlos ersetzt mit: Es sind leider schon alle Plätze vergeben.

Auf dem Online-Portal für das auch das niedersächsische Kultusministerium wirbt – und bei dem ich davon ausgehe, dass in seine Erstellung einiges an Steuergeld geflossen ist – finden sich in unserer Umgebung genau zwei Angebote: Eines von der Stadtverwaltung, bei der sie schon einmal waren, und eines von einem Altenheim, in das sie auf keinen Fall wollen.

Kein Wunder: Im März verkündete dieses Portal stolz, man habe nun schon fast 120.000 Plätze eingestellt! Bundesweit, wohl gemerkt. Zu blöd, das allein in Niedersachsen mindestens 350.000 Schü­le­r*in­nen zur Teilnahme aufgerufen sind.

Trotzdem scheint Kultusministerin Julia Hamburg unverbrüchlich an den Erfolg dieses beknackten Rituals zu glauben: Der Zukunftstag wirkt, heißt es in ihrer Pressemitteilung.

Belegt wird das mit einer Studie, die sagt: „Der Anteil der Boys'Day-Teilnehmer, die sich sehr gut vorstellen können, in Gesundheits- und Pflegeberufen zu arbeiten, steigt danach von 16 auf 22 Prozent.“

Natürlich hängt es mal wieder am Elternhaus

Hallelujah! Eine Handvoll 11- bis 15-Jähriger, die in einer Befragung achselzuckend sagen: „Na ja, okay, vielleicht kann ich mir sowas doch vorstellen.“ Offenbar legt die Kultusministerin hier einen ähnlichen Wirkungsgrad zugrunde wie meine Jungs beim Aufräumen: Drei schmutzige Socken aufgehoben = fertig. Super wirkungsvoll, das alles.

Womit ich nicht sagen möchte, dass ich das Anliegen nicht wichtig fände. Im Gegenteil: Ich glaube, es gehört zu den wichtigsten Aufgaben von Schule, Kindern zu helfen, eine Vorstellung davon zu entwickeln, wer sie sind und wer sie sein könnten oder möchten – und zwar aufgrund ihrer Persönlichkeit, unabhängig von Klischees und Rollenvorstellungen.

Ich zweifele nur daran, dass der Zukunftstag irgendetwas dazu beiträgt. Vor allem, wenn man ein Großteil der Organisation den Eltern (seien wir ehrlich: Müttern) überlässt und damit mal wieder diejenigen abhängt, deren Familien nicht so gut darin sind. Und die auch nicht so viele Bekannte und Verwandte mit interessanten Berufen haben, bei denen sie um Gefallen bitten könnten.

Und was die Begeisterung für soziale, erzieherische oder pflegende Berufe angeht: Das Problem der sogenannten Frauenberufe ist nicht, dass Jungs die nicht kennen oder sich nicht zutrauen. Sondern, dass sie als uncool gelten und schlecht bezahlt werden. Daran ändert ein Schnuppertag gar nix.

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Nadine Conti
Niedersachsen-Korrespondentin der taz in Hannover seit 2020
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