Zukunftsrat über Öffentlich-Rechtliche: „Verlässlichkeit und Vielfalt“
Der Zukunftsrat sagt: ARD und ZDF sollen weniger Geld bekommen, wenn sie ihren Auftrag nicht richtig umsetzen. Ein Ex-Richter erklärt, was das bedeutet.
taz: Herr Huber, Sie waren stellvertretender Vorsitzender des „Zukunftsrats“, den die Länder 2023 eingesetzt haben. Der hat einen neuen Ansatz erarbeitet, wie ARD, ZDF und Deutschlandradio finanziert werden könnten. Zahlen wir bald keinen Rundfunkbeitrag mehr?
Peter Huber: Doch. Es soll beim Rundfunkbeitrag bleiben, der pro Wohnung bezahlt wird. Eine Finanzierung aus dem Staatshaushalt wäre schwieriger, weil der Rundfunk staatsfern und unabhängig sein muss.
Was schlagen Sie vor?
Das Aufkommen des Rundfunkbeitrags zum Zeitpunkt der Umstellung auf unser System – derzeit circa 9 Milliarden Euro pro Jahr – soll künftig indexiert werden, das heißt mit einem medienspezifischen Schlüssel an die Inflation gekoppelt. Dieser Automatismus würde das Verfahren stark vereinfachen. Die Rundfunkanstalten müssten nicht mehr ihren Bedarf anmelden. Die KEF (Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, d. Red.) müsste den Bedarf nicht mehr prüfen.
65, war stellvertretender Vorsitzender des Zukunftsrats für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Huber ist Rechtsprofessor in München, war Richter am Bundesverfassungsgericht und 2009/2010 CDU-Innenminister in Thüringen.
Und die Länder müssten nicht mehr alle vier Jahre die Erhöhung des Rundfunkbeitrags per Staatsvertrag beschließen. Stattdessen würde die KEF alle zwei Jahre kontrollieren, ob die einzelnen Anstalten ihren Angebotsauftrag erfüllen. Wenn nicht, ordnet sie als Sanktion beim nächsten Mal Abschläge bei den Finanzzuweisungen an. Das bedeutet nicht, dass der Rundfunkbeitrag kontinuierlich steigt. Vielmehr wird die Umsetzung aller Vorschläge des Zukunftsrats mittelfristig zu signifikanten Einsparungen führen.
Was ist der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks?
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk dient in erster Linie der Demokratie und dem Gemeinwohl. Er soll Anwalt des gesellschaftlichen Diskurses sein, national, aber auch regional und vor Ort, nicht zuletzt dort, wo keine ausreichende Versorgung mit Tageszeitungen mehr besteht. Relevante Kriterien für die Überprüfung des Auftrags wären dann unter anderem Verlässlichkeit, Wahrhaftigkeit, Vielfalt, Verständlichkeit und Zugänglichkeit.
Wie soll die KEF zum Beispiel die „Wahrhaftigkeit“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks prüfen? Soll bei der KEF jemand Strichlisten für Falschmeldungen führen?
Das bezieht sich auf das gesamte Angebot, nicht auf einzelne Beiträge und lässt sich – so die Kommunikationswissenschaft – durchaus messen. In der Schweiz hat man erste Ansätze entwickelt.
Und wie würde die KEF prüfen, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk wirklich als „Anwalt des gesellschaftlichen Diskurses“ agiert?
Sie müsste auf der Basis des Staatsvertrags im Zusammenspiel mit der Kommunikationswissenschaft praktikable Modelle entwickeln. Aber so viel ist klar: Wenn fast nur noch Krimis oder Sport laufen, dann wäre der Angebotsauftrag nicht erfüllt. Auch wenn die Öffentlich-Rechtlichen keine Anstrengungen unternehmen, den gesellschaftlichen Dialog über große, kontrovers diskutierte Projekte – etwa eine Stromtrasse – zu organisieren, wäre das unzureichend.
Wie hoch sollen die Sanktionen sein, wenn die Anforderungen nicht erfüllt sind?
Die Abschläge sollen nicht nur symbolisch sein, aber die Erfüllung des Angebotsauftrags im Übrigen nicht bedrohen.
Was können betroffene Sender tun, wenn sie mit den Sanktionen nicht einverstanden sind?
Die Anordnung von Abschlägen durch die KEF wäre wohl ein Verwaltungsakt, gegen den die Sender klagen könnten. In letzter Instanz wäre das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zuständig.
Wer soll in dieser mächtigen KEF-Kommission sitzen?
Bisher sind es 16 Experten, die von den Ländern benannt werden, vor allem Juristen und Ökonomen. In Zukunft braucht es zumindest auch Kommunikationswissenschaftler, weil sie die Erfüllung des Auftrags bewerten müssen.
Führt die Aufwertung der KEF nicht zu einer Entmachtung der Länder?
Nein. Die Länder sind die Herren der Rundfunkgesetzgebung. Sie bestimmen den Angebotsauftrag und die Kriterien, an denen seine Erfüllung zu messen ist. Bei der Finanzierung war ihre Macht allerdings schon bisher recht begrenzt, weil sie die KEF-Empfehlungen zur Erhöhung des Rundfunkbeitrags grundsätzlich umsetzen müssen. Ein Vetorecht haben sie nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts allenfalls aus sozialpolitischen Gründen.
Wie geht es weiter mit dem Zukunftsbericht?
Ab diesem Donnerstag berät die Rundfunkkommission der Länder auf einer Klausurtagung über unsere Empfehlungen.
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