Zukunft des Bauwagenplatzes „Ölhafen“: Kampf der Kulturen
Die CDU reibt sich am Bauwagenplatz im Kleingartengebiet Bremen-Walle. Die Frage nach seiner Zukunft hängt eng mit der Stadtentwicklung zusammen.
Vordergründig geht es um Lärmbelästigung: Bei Konzerten habe es bis in die Nacht hinein „Musik und Ramba Zamba“ gegeben. „Es ist ja klar, dass den Kleingärtnern das nicht gefällt, wenn sie abends in Ruhe grillen wollen“, so Kerstin Eckardt, Vorsitzende des CDU Ortsverbandes Walle und Beiratsmitglied.
Laut Rosa und Luca vom Ölhafen ist aber Lärm gar kein Problem mehr: Sie hätten ohnehin ein Veranstaltungsverbot aus baurechtlichen Gründen bekommen. „Die Bühne haben wir brav zurückgebaut“, so Luca, „und das Zwangsgeld bezahlt“. Wie es kulturell für den Platz weitergehe, sei gar nicht abzusehen. Neun Konzerte habe man 2019 veranstaltet, 2020 keines.
Dass die CDU sich nun trotzdem des Ölhafens annehme, habe System: „Erst das Sportamt, jetzt wir – die CDU ist gerade law-and-order-mäßig gegen linke Projekte aktiv, um sich zu profilieren“, glaubt Rosa.
Wie das ankommt, bleibt ungewiss. Der „Kleingärtner- und Gartenheimerverein Walle“ steht schon lange ohne kompletten Vorstand da und antwortet nicht auf eine entsprechende Anfrage. Und beim benachbarten „Kleingartenverein Union“ bekommt man am Telefon nur die automatische Ansage zu hören, man solle sich keine Hoffnung auf eine Parzelle mit Laube machen: „Bei uns gibt es nur noch brachgefallene Gärten.“
Ein Nutzungsvertrag ist rechtlich schwierig
Auch vor Ort machen sich die Gärtner*innen trotz schönsten Gartenwetters rar. Ein einzelner Parzellist immerhin mag sprechen. Die Ölhafen-Leute sollten sich an Regeln halten, meint er: Mit Musik müssten sie sich zurück halten, und ihr Abwasser anmelden, wie alle anderen auch. Ansonsten finde er den alternativen Lebensstil „topp“.
Tatsächlich hätte bis zu diesem Frühjahr ein Nutzungsvertrag mit der Ölhafen-Crew stehen sollen, einer, der Rechte und Pflichten umrissen und die Existenz des Platzes abgesichert hätte. Doch das könnte noch dauern.
Denn in Wirklichkeit geht es um mehr als um Lärm und Abwassersysteme. Hinter dem Konflikt um die Nutzung steht die grundsätzlichere Frage nach gleichem Recht für alle. Beim Bauwagenplatz würden Dinge toleriert, die für alle anderen nicht möglich seien, so Eckardt von der CDU: „Es kann nicht sein, dass die Ölhafen-Leute dort leben und die Kleingärtner nicht einmal in ihren Gärten übernachten dürfen.“
Für Luca kein Argument: „Das Verbot wird für andere ja nicht schlimmer, weil wir hier leben.“ „Da werden zwei Sachen vermischt“, glaubt Rosa. „Die Kleingärtner*innen kämpfen ihren Kampf, wir unseren eigenen.“ Und der ist nicht leicht: Erst seit 2018 gibt es den Ölhafen, aber die Crew musste schon sechsmal den Ort wechseln.
Dennoch hat die CDU mit ihrer Kritik einen Punkt getroffen: „Wir können keine Sonderrechte vergeben“, so Tom Lecke-Lopatta. Er ist in der Baubehörde Referent für gesamtstädtische Standortplanung – und soll, so sieht es der Koalitionsvertrag vor, eigentlich Lösungen für alternative Wohnformen finden.
Tom Lecke-Lopatta, Referent
Der Wagenplatz steht dabei jedoch nicht für sich allein. Im Kleingartengebiet gibt es auch noch Kaisenhäuser, die von ihren Bewohner*innen noch „ausgewohnt“ werden dürfen. Die Stadt würde sie auch darüber hinaus gerne erhalten, zumindest als Parzellenhäuschen, hat aber Probleme mit dem Flächennutzungsplan: Das Areal ist als Grünfläche eingetragen, für ein Wohngebiet wären die kleingartentypischen engen Wege gar nicht zugelassen.
Solange es keine Lösung für die Kaisenhäuser gibt, dürften sich eigentlich auch keine Wagenplatz-Leute ansiedeln. Nun allerdings sind sie schon einmal da – und einen besseren Platz sieht Lecke-Lopatta für sie nicht.
„Die Frage ist eigentlich, wie eine Stadt überhaupt damit klar kommt, dass es Obdachlose gibt, unangemeldete Menschen und solche, die nicht ins Raster passen“, so der Stadtentwicklungsreferent. Ein Vertreiben der Crew bringe jedenfalls niemanden weiter: „Der Stadt ist nicht geholfen, wenn einzelne Bewohner danach auf der Straße leben“, sagt er. Eine Lösung hat er noch nicht. „Das ist eine große rechtliche Denksportaufgabe.“
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