Angriff auf Bremer Wagenplatz Ølhafen: Aus dem Hinterhalt

Auf den Bremer Wagenplatz Ølhafen hat es einen tätlichen Angriff gegeben. Wie geht man damit um, wenn Polizei rufen keine Option erscheint?

Zwei Bauwägen auf dem Wagenplatz Oelhafen im September 2020 in Bremen Walle

Bald weniger offen als bisher: Die Bauwagenbewohner am Ølhafen wollen sich mit einem hohen Zaun gegen weitere Angriffe schützen Foto: Drügemöller

BREMEN taz | Der Wagenplatz Ølhafen im Parzellengebiet im Bremer Stadtteil Walle ist laut Be­woh­ne­r*in­nen tätlich angegriffen worden. In der Nacht vom 1. auf den 2. Februar habe es einen Hinterhalt gegeben, bei dem plötzlich einige wenige Ølhafen-Leute einer Übermacht an An­grei­fe­r*in­nen gegenübergestanden. Erstmals seien damit nun Be­woh­ne­r*in­nen auch direkt körperlich attackiert worden. Zwei Menschen bekamen Pfefferspray ab, einer wurde am Kopf verletzt.

In der Beschreibung der Gruppe liest sich das so: „Zwei unbekannte Personen warfen von der Straße aus Steine auf den Ølhafen Wagenplatz. Als Be­woh­ne­r*in­nen vors Tor liefen tauchten fünf bis sechs weitere An­grei­fe­r*in­nen auf. Diese waren teilweise vermummt und griffen mit Pfefferspray und einem Flaschenwurf an. Es wurde auch ein Messer gezogen. Ein*e Mit­be­woh­ne­r*in sprühte daraufhin mit einem Feuerlöscher in die Menge. Dadurch konnten sich alle angegriffenen Personen auf den Platz zurück ziehen.“

Ganz aus dem Nichts kam der Angriff nicht: In der Vergangenheit hatte es durchaus immer wieder bedrohliche Szenarien gegeben. Böller, offensichtlich Marke Eigenbau, seien immer mal wieder aufs Areal geworfen worden. Und Autos seien vorbeigefahren, aus denen rechte Parolen gerufen wurden: „Sieg Heil“ und Ähnliches, erzählt Frieda (echter Name der Redaktion bekannt).

In der Bewertung des Angriffs bleiben Frieda und ihr Mitbewohner Luca trotzdem vorsichtig. „Bevor die ersten Steine auf den Platz flogen, gab es schon Beleidigungen“, sagt Frieda. „Das waren nicht per se rechte Sprüche, sondern eher Homophobes und anderer Provokations-Macker-Kram.“ Einen der Angreifer glauben sie außerdem schon früher gesehen zu haben: Ein Jugendlicher, der sich bereits mit Böllerattacken hervorgetan hatte.

Stimmungsmache gegen alternatives Leben

Von organisierten rechten Kadern gehen die Wagenplatz-Bewohner*innen deshalb momentan nicht aus; eher machen sie ein allgemeines rechtes Weltbild in Teilen der Gesellschaft verantwortlich. „Es gibt eine gewisse Feindlichkeit gegen links, gegen Leute, die anders aussehen“, sagt Luca.

Mit dem, was strukturell Diskriminierte tagtäglich durchmachen, wolle er das nicht vergleichen – aber bei diesem spezifischen Angriff hätten eben auch sie die Auswirkungen eines rechten Weltbilds zu spüren bekommen.

Die beiden sehen durchaus auch lokale Politiker aus dem Waller Beirat, dem Stadtteilparlament, in der Verantwortung für diese Anti-Stimmung: „Sowohl AfD als auch CDU versuchen hier regelmäßig gegen uns Stimmung zu machen“, erklärt Luca. So wollte die Waller CDU eine Räumung des Areals durchsetzen, mit markigen Worten. AfD-Politiker*innen wiederum waren mehrfach auf den Bahndamm geklettert, um Fotos vom Platz zu machen.

Bedroht zu werden, meint Luca, das sei eigentlich Teil der Erfahrungswelt, wenn man sich politisch links engagiere. Frieda zögert. „Ich finde“, sagt sie schließlich, „es macht emotional einen Unterschied, ob das Autonome Zentrum angegriffen wird, in dem ich mich engagiere – oder ob es der Ort ist, an dem ich lebe.“

Angst ist ein Thema. Beziehungsweise: „Es fühlt sich nicht gut an, so in die Defensive getrieben zu sein“, sagt Luca. Zwischen den Böllerattacken der Vergangenheit gab es oft viele Monate Pause, erzählt Frieda. „Man wartet dann eigentlich nur ab, was die als nächstes tun, ob sie was tun. Das macht Menschen mürbe.“

Trotzdem wollen sie vorerst nicht die Polizei rufen. Man verstehe sich als linksradikales Projekt – die Zusammenarbeit mit den Repressionsbehörden ist da nicht vorgesehen. „Genau von dieser Institution haben wir genug Druck abbekommen. Nächtliche Störungen, die nicht von uns provoziert waren zum Beispiel“, sagt Luca. „Das gibt uns eher das Gefühl: Die kann man nicht rufen, das sind keine Freunde und Helfer.“

Dazu kommt: Weder Namen noch Gesichter der Angreifer haben sie; „wir haben einfach auch nicht das Gefühl, dass die Polizei überhaupt in der Lage wäre, was zu machen“.

Ein Zaun als Kompromiss für etwas Sicherheit

Stattdessen soll nun ein Zaun helfen. Eigentlich auch ein No-Go, ein kleiner Bruch mit dem eigenen Weltbild: „Wir haben damit echte Probleme, wir stellen uns eigentlich gegen die Logik, dass es überall fette Mauern und hohe Zäune geben muss“, sagt Luca.

Zusätzlich soll mehr Licht installiert werden, um An­grei­fe­r*in­nen abzuschrecken. Die Ølhafen-Leute haben schon Spenden bekommen, Geld und Material haben solidarische Menschen vorbeigebracht – und mehrere helfen jetzt bei den Umbauarbeiten.

Auch abseits der Aufbauhilfe hätten sie viel Zuspruch bekommen. „Das tut gut“, sagt Luca. „Jede Karte, jede Mail zeigt uns: Wir sind nicht allein.“ Auch Menschen aus der Nachbarschaft seien schon viele vorbeigekommen um ihre Solidarität zu zeigen. Eine Selbstverständlichkeit ist das nicht: Die rechtspopulistischen Bürger in Wut, die heute als Bündnis Deutschland auftreten, schneiden im angrenzenden Wahlbereich Hohweg regelmäßig stark ab.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.