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Zugriff der Polizei auf BesucherdatenKein Freund und Helfer

Ich hinterlasse meine Daten in Restaurants, weil ich ein sozialer Mensch sein will. Wenn die Polizei das ausnutzt, untergräbt sie meinen guten Willen.

Der Polizei zugänglich: Zettel für die Gäste-Registrierung in einem Restaurant Foto: dpa

I n gewisser Weise bin ich eine öffentliche Person. Ich schreibe Texte und veröffentliche­ die, und wenn man mich googelt, dann findet man mein Bild, weiß, wie ich aussehe und kann herausfinden, auf welchen Veranstaltungen ich auftrete.

Ich bin bisher nicht wegen eines Textes bedroht, aber beschimpft worden schon. Über meinen Facebook-Account kann man mir Nachrichten schicken, die kann ich schlecht ignorieren. Denn bevor ich sie lösche, muss ich sie öffnen, und dann werfe ich doch einen Blick drauf. Das ist etwa so, wie wenn jemand plötzlich in meinem Wohnzimmer steht und mich bepöbelt. Es ist mein Wohnzimmer, aber ich kann es nicht verhindern, dass der da plötzlich steht und mir seine Meinung sagt.

Aber ist das schlimm? Es ist nicht schlimm. Schlimm ist was anderes. Schlimm ist, wenn man einen Brief kriegt, der unterzeichnet ist mit „NSU 2.0“. Schlimm ist, wenn einem Gewalt angedroht wird. Denn wenn man so einen Brief kriegt, dann weiß man: Sie wissen, wo du wohnst! Sie können, eines Tages, wirklich in deinem Wohnzimmer stehen. Die Wahnsinnigen, die Gewalttätigen, die Hasserfüllten. So etwas passiert. Und wo haben sie die Daten her? Ausgerechnet aus einem Polizeicomputer. Anscheinend gibt es also unter den Polizisten welche, die eine spezielle Vorstellung von Recht haben. Denen vielleicht das Gesetz nicht so besonders viel bedeutet.

Und dann war ich also in diesem Jahr irgendwann im Juni das erste Mal wieder in einem Lokal einen Salat essen. Da wurde mir vorschriftsmäßig eine Liste gereicht, in der ich mich eintragen sollte. Ich trug mich ein. Und ich fühlte mich nicht besonders dabei. Denn auf der Liste standen noch andere Namen und Adressen, und mir gefiel die Vorstellung nicht, dass der nachfolgende Gast dann ebenso auf meine Adresse­ starren könnte, wie ich auf die der vorherigen Gäste.

Natürlich habe ich schon oft gedacht: Warum schreibe ich nicht irgendwas auf die Liste?
Bild: Lou Probsthayn
Katrin Seddig

ist Schriftstellerin in Hamburg mit einem besonderen Interesse am Fremden im Eigenen. Ihr jüngster Roman „Sicherheitszone“ erscheint am 18. August bei Rowohlt Berlin.

Mir gefiel die Vorstellung nicht, dass jemand das lesen könnte, der aus irgendeinem Grund erbost über einen Text von mir wäre, und der jetzt also wüsste, wo ich wohne. In der Folge war ich jetzt schon mehrmals in einem Lokal und bekam ab da aber nur Einzelzettel, was ich sehr viel besser fand, aber es war mir immer noch nicht angenehm.

Denn, kenne ich das Personal eines Restaurants? Aber sie alle können jetzt, sofern es sie interessiert, meine Telefonnummer notieren, sich merken, wo ich wohne. Meine Befürchtungen sind nicht so stark, dass ich Restaurants deshalb meiden würde. Meine Befürchtungen sind nur so vage, dass ich bloß ein leichtes Unwohlsein verspüre, wenn ich meinen Namen, meine Adresse und meine Telefonnummer aufschreibe.

Und natürlich habe ich schon oft gedacht: Warum schreibe ich nicht irgendwas auf? Warum lüge ich nicht? Weil ich halt so jemand bin, der das nicht tut. Weil ich jemand bin, der sich an die Regeln hält, wenn ihm die Regeln sinnvoll und nützlich vorkommen. Weil ich innerhalb der Gesellschaft ein sozialer, solidarischer Mensch sein möchte.

Und dann lese ich heute morgen, dass die Geschäftsführerin der Dehoga Niedersachsen, Renate Mitulla, sich darüber beschwert, dass die Polizei sich in einigen Fällen Einsicht in diese von der Gastronomie erhobenen Daten verschafft hat. Genau hat sie gesagt: „Das ist ein Missbrauch unserer Daten.“ (NDR Niedersachsen) Die Polizei findet, den Gästen müsse einfach klar sein, dass das eben nun mal so sei.

Ich glaube auch, dass den Gästen das klar sein sollte, dass das so ist. Und ich glaube, dass, wenn den Gästen das erst einmal richtig klar geworden ist, manche von ihnen nicht mehr so bereitwillig sich an die aktuellen Auskunftsregeln halten werden, weil sie dann vielleicht die Nützlichkeit und den Sinn dieser freiwilligen Auskunft in verschiedener Hinsicht ganz genau abwägen werden.

Wenn die Anständigkeit der Menschen ausgenutzt wird – denn die Anständigen geben, aus gutem Willen, ihre persönlichen Daten auf einem Zettel neben dem Olivenöl einem Menschen, den sie nicht kennen, in die Küche mit – dann verhalten sich die diesen guten Willen Ausnutzenden nicht mehr anständig. Und untergraben nebenbei diesen guten Willen.

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2 Kommentare

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  • Es mag ja sein dass die Polizei das findet. Die Polizei findet auch dass man ihren Vorladungen folge leisten müsse. Die Polizei findet so viele Dinge die nicht der Realität entsprechen.

    Mich würde doch mal sehr eine Einschätzung eines Datenschutzrechtlers interessieren. Und zwar des gesamten Apparats, nicht nur den polizeilichen Zugriff. Ich habe meine Zweifel dass das Ganze DSGVO konform ist. beim polizeilichen Zugriff hingegen bin ich mir sicher dass dieser nicht konform war

    Ich bin froh dass ich nicht in einer Gegend lebe in der es dieses Vorgehen gibt. Ich fand es ja schon übergriffig als ich bei meinem einzigen Besuch einer überteuerten US-amerikanischen Heißgetränkekette nach meinem Vornamen gefragt wurde.

    • @Yodel Diplom:

      1. Von der Autorin geschilderte Sammelliste mit Kontaktdaten mehrerer unabhängig erschienener Gäste: Klarer Verstoß gegen die DSVGO



      2. Kontaktdaten für jeden Tisch: Gesetzliche Vorgabe, kein Verstoß gegen DSVGO



      3. Polizeiliche Beschlagnahmung der Datenblätter: §§ 160, 161 StPO und § 94 StPO eindeutig erlaubt und übliches Verfahren, ebenfalls (da gesetzlich normiert) kein Verstoß gegen DSVGO.



      4. Vorladung nicht Folge leisten: Vorsicht! Seit einer 2017 erfolgten Änderung des § 163 StPO darf ein Zeuge eine "Vorladung" der Polizei zwar noch ignorieren, erfolgt sie jedoch (wie so oft) im Namen der Staatsanwaltschaft (§ 163 Abs. 3), muss ihr Folge geleistet werden. Sonst wird man gerne mal von einem Streifenwagen von der Arbeit abgeholt.