Zu Gast im ARD-Presseclub: Die Frage zur Homosexualität
Beim Presseclub wird unser Autor von Anrufer Andreas nach seiner Haltung zu Homosexualität gefragt. Zeit, den Andreassen mal etwas zu erklären.
A m Sonntag war ich Gast beim ARD-„Presseclub“. Es ging um Kritik an (emanzipatorischer) Identitätspolitik. Ich habe mir Mühe gegeben, zu beruhigen (zu viel Aufregung erzeugt Bluthochdruck, Identitätspolitik ist vor allem ein rechtes Projekt, Antirassismus ist jetzt halt fester Bestandteil des gesellschaftlichen Diskurses). Der „Presseclub“ endet stets mit einem Call-in-Segment. Andreas aus Berlin rief an und richtete ein Statement samt Frage an mich. Ich möchte ihn an dieser Stelle ausgiebig zitieren:
„Ich bin Jahrgang 1961, schwul und habe also erlebt, wie die Schwulen ihre Rechte erkämpft haben in sechzig Jahren. Zu meiner Kindheit kam man noch ins Gefängnis, jetzt kann man heiraten. (…) Wir haben dieses nicht erreicht, weil wir Geschäfte angezündet haben und weil wir die Heterosexuellen angegriffen haben. Wir haben das mit anderen Methoden erreicht. Ich würde allen benachteiligten Gruppen, die es gibt – und ich bin für Gleichberechtigung – wirklich empfehlen nicht in einen Kampf einzusteigen (…). Und ich hätte eine persönliche Frage an Herrn Amajid (…): Wie stehen Sie denn persönlich zur Homosexualität?“
Ich wurde in Sendungen, aber auch im nichttelevisierten Leben schon oft mit solchen Call-in-Andreassen konfrontiert. Also möchte ich drei Punkte klarstellen.
Antirassismus ist kein Angriff auf Weiße
1. Queers haben nicht ihre Rechte erlangt, indem sie nett danach gefragt haben. Der Stonewall-Aufstand war ein Akt der Selbstverteidigung angesichts massiver Polizeigewalt gegen Queers in New York und anderswo auf dieser Welt. In Westberlin oder Hamburg folgten queere Demos, bei denen sich die Teilnehmenden auch hierzulande physisch gegen den queerfeindlichen Staat schützen mussten. Paragraf 175, der erst 1994 abgeschafft wurde, stellte sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe. Die spätere Professionalisierung der queeren Bewegung in Form von Abgeordneten, Verbänden und einem „bunten“ CSD ändert nichts an dieser Geschichte. Außerdem ist Queerfeindlichkeit heute noch ein großes Problem in Deutschland.
2. Ich weiß nicht, woher der Anschein kommt, dass rassifizierte und migrantisierte Menschen randalierend durch die Gegend ziehen und „Geschäfte anzünden“. Der Eindruck ist falsch. Das Gros der Antira-Bewegung ist friedlich. Antirassismus ist auch kein Angriff auf Weiße. Tone Policing, also die Kritik an Emotionen und deren Äußerung, ist fehl am Platz. Apropos Emotionen: Woher kommt diese überbordende Fürsorge für Schaufensterscheiben?
3. Die Frage, wie ich zur Homosexualität stehe, hat dazu geführt, dass (mit einiger Wahrscheinlichkeit) die einzige queere Person der Sendung mit der Frage konfrontiert wurde. Absurd. Für einige weiße Queers existieren nichtweiße Queers schlicht nicht. Ich habe direkt live darauf hingewiesen, dass es schon komisch ist, dass ausgerechnet ich diese Frage gestellt bekomme. Ich weiß nicht, ob Call-in-Andreas verstanden hat, worauf ich damit hinauswollte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles