Zoologe über Ethik im Tierpark: „Manchmal ist Töten vernünftiger“
Im dänischen Odense wird eine Zoolöwin eingeschläfert, obwohl sie gesund ist. Kann das Töten von Zootieren gerechtfertigt sein?
Warum werden in Zoos Tiere umgebracht, die topfit sind?
Steven Seet: In Zoos ist nur begrenzt Platz, man hat daher zwei Möglichkeiten: Entweder man verhindert, dass sich die Tiere vermehren. Das hat aber negative Auswirkungen auf ihre Gesundheit. Tiere sind zur Reproduktion veranlagt. Wenn sie dieser Veranlagung nicht folgen, haben sie zum Beispiel ein höheres Krebsrisiko. In Dänemark hat man deshalb entschieden, dass sich die Tiere fortpflanzen dürfen. Dann gibt es natürlich irgendwann zu viele, und eine Tötung der überzähligen Tiere wird notwendig.
Wie viele Tiere kommen in deutschen Zoos auf diese Weise um?
Hier in Deutschland sieht das Gesetz eine Tötung von Tieren nur aus vernünftigem Grund vor. Platzmangel ist kein vernünftiger Grund. Anders sieht das aus, wenn es zu viele Tiere gibt und Inzucht droht. Dann kann im Einzelfall anders entschieden werden, da hier ein vernünftiger Grund vorliegt.
Wie wird stattdessen der Bestand kontrolliert?
In Deutschland arbeiten wir mit verschiedenen Verhütungsmitteln. Eine andere Möglichkeit ist, Tiere mit anderen Zoos zu tauschen.
Gibt es da eine Tauschbörse? So wie: Berlin bietet Elefant, Köln sucht Giraffe?
Die gibt es, und es wird auch regelmäßig getauscht. Nicht nur bei Überschuss. Zum Beispiel auch, wenn sich Tiere nicht miteinander vertragen oder bei Inzuchtgefahr. Das ist sogar europaweit möglich. Im Europäischen Erhaltungszuchtprogramm (EEP) werden solche Austausche organisiert.
Das funktioniert allerdings nicht immer. Im letzten Jahr gab es auch schon Kritik, weil im Kopenhagener Zoo eine Giraffe getötet wurde. Die Giraffe hatte man vorher angeboten, niemand wollte sie haben. Dagegen ist eine große Nachkommenschaft bei hoch bedrohten Tierarten gewünscht, diese stellen aber kein Platzproblem dar, da sie in die natürlichen Habitate überführt werden.
Der Löwe von Odense ist öffentlich seziert worden. Dazu waren auch Kinder eingeladen. Verstehen Sie die Empörung darüber?
Zoos haben grundsätzlich zwei Aufträge: Die Biodiversität zu erhalten und ein Bildungsangebot zu schaffen. Die Kollegen in Dänemark haben dazu eine ganz entspannte Einstellung: Das Publikum soll lernen, dass getötet werden zu Natur dazugehört. Dass es eine Regulierung gibt, die Überbevölkerung verhindert. Warum sollen das nicht auch Kinder erfahren?
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Krieg in der Ukraine
Keine Angst vor Trump und Putin