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Zentralrat der Juden kritisiert AfDAntisemitismusprüfung „unsinnig“

Eine Kommission soll prüfen, ob ein Abgeordneter Antisemit ist. Zentralratspräsident Schuster kritisiert diese Entscheidung der AfD scharf.

Was reden sie wohl? Die AfD-Abgeordneten Gedeon und Meuthen (rechts) Foto: dpa

Berlin taz/dpa | Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat die Entscheidung der baden-würt­tembergischen AfD, eine Kommission über die antisemitischen Äußerungen ihres Landtagsabgeordneten Wolfgang Gedeon befinden zu lassen, scharf kritisiert. „Die Einberufung einer solchen Kommission halten wir für unsinnig und überflüssig“, sagte Zentralratspräsident Josef Schuster auf Anfrage der taz. „Wer die Schoa relativiert und Holocaust-Leugner als Dissidenten bezeichnet, ist eindeutig antisemitisch. Da muss nichts mehr geprüft werden.“

Gedeons Buch sei „mit der klaren Absicht geschrieben, gegen die angeblich alles beherrschenden Juden zu hetzen“. Der Zentralratspräsident bezog sich dabei auf „Der grüne Kommunismus und die Diktatur der Minderheiten: Eine Kritik des westlichen Zeitgeistes“, das Gedeon 2012 veröffentlicht hat.

Die AfD-Fraktion hatte sich am Dienstag darauf geeinigt, dass Gedeon bis September seine Arbeit in der Fraktion ruhen lassen wird. Gleichzeitig soll eine dreiköpfige Kommission ein Gutachten darüber erstellen, ob seine Äußerungen antisemitisch sind. Gedeon hatte sich unter anderem auf die antisemitische Propagandaschrift, die „Protokolle der Weisen von Zion“, bezogen. Meuthen wollte Gedeon aus der Fraktion ausschließen und hatte angekündigt, wenn dies nicht geschehe, werde er den Fraktionsvorsitz niederlegen und aus der Fraktion ausscheiden. Doch obwohl er sich nicht durchgesetzt hatte, blieb er.

Genauere Vorstellungen über die Kommission hatte Meuthen noch nicht. Er regte aber an, einer der drei Kommissionsmitglieder solle jüdischen Glaubens sein. Vertreter des Zentralrats dürften dafür aber nicht zur Verfügung stehen.

Ruhende Mitgliedschaft gibt es nicht

Die Entscheidung von Fraktionschef Meuthen zeige lediglich, „dass er sich mit seiner berechtigten Forderung nach einem Ausschluss Gedeons aus der Landtagsfraktion nicht durchsetzen konnte und er jetzt Zeit gewinnen will“, kritisierte Schuster. Der Ausschluss Gedeons aber wäre der einzig richtige Weg gewesen. Die Entscheidung zeige: „Die AfD ist nicht bereit, sich eindeutig von rechtsextremen Strömungen zu distanzieren.“

Unterdessen teilte Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) mit, für das Ruhen der Mitgliedschaft Gedeons in der AfD-Fraktion gebe es keine rechtliche Grundlage. Juristisch gehöre der Mandatsträger weiterhin der Fraktion an, so Aras. Weder das Fraktionsgesetz noch die Geschäftsordnung des Landtags sähen ein Ruhenlassen der Mitgliedschaft vor. Aras kritisierte den Beschluss der AfD-Fraktion: „Ich hätte mir gewünscht, dass die AfD die Reißleine zieht, was aber leider nicht geschehen ist.“

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23 Kommentare

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  • Meuthen möchte gern den netten Nazi von nebenan geben. Das ging schon bei Gauland voll nach hinten los. Jetzt wird sich die AfD wohl mit diesen tragischen Chimären dahinschleppen müssen - "bis der Tod sie scheidet".

    • @Rainer B.:

      Meuthen schafft einen formalen Prozess, der für zukünftige Fälle geeignet sein kann. Das ist gut, er geht sozusagen die Extrameile, die angesichts der Schwere der grundsätzlichen Entscheidung einen freien Abgeordneten seiner Fraktionszugehörigkeit zu entledigen auch gerechtfertigt ist. Es geht hier auch um die Schaffung von Strukturen, für die der Fall Herr Gedeon ein dankbarer ist.

      • @Ansgar Reb:

        Ich bezweifle, dass die AfD grundsätzlich an so einem formalen Prozess interessiert sein kann. Solange er nur der eigenen Verharmlosung in der Aussenwirkung dient, sieht man kein Problem. Wenn es konkret wird, rudert man zurück.

  • Ich verstehe das auch nicht. Der Vorsitzende Schuster des Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat bereits festgestellt, dass nicht mehr geprüft werden müssen.

    Deshalb sollte die AfD jetzt und unverzüglich Herrn Gedeon aus der AfD rauswerfen, denn wer die Schoa relativiert und Holocaust-Leugner als Dissidenten bezeichnet, ist eindeutig antisemitisch.

  • Da sind wieder einmal die Prioritäten komplett falsch gesetzt. Jeder Politiker sollten daraufhin überprüft werden, ob er vom Charakter her Lügen, Einschleimen und Klugscheißerei bevorzugt oder ob ihm so etwas fremd ist. Bei solchen Kriterien würde vieles besser werden und so manches andere vermeintliche Problem würde sich dadurch beinahe von selbst lösen.

     

    Einen einzelnen Politiker wegen einer unpassenden Äußerung herauspicken

    und ihn durch die Meinungszensur jagen ist reiner Populismus, egal, von welcher Seite es ausgeht.

    • @wxyz:

      Welche "eine unpassende Äußerung" meinen Sie? Etwa die, dass der Holocaust lediglich die Ausgeburt eines "Wahrheitsministeriums im Orwell'schen Sinn" sei? Oder die, dass die in den letzten rund 100 Jahren mehrfach und unabhängig voneinander als Fälschung entlarvten antisemitischen "Protokolle der Weisen von Zion" doch "echt" seien? Oder doch eher diejenige, wonach Holocaust-Leugner, wie Horst Mahler und Ernst Zündel, zu Unrecht verfolgte und unterdrückte Verfechter der Wahrheit über die jüngere deutsche Geschichte seien?

       

      Entschuldigung, aber bei so vielen einschlägigen Aussagen stehe ich da jetzt ein bisschen auf dem Schlauch, welche sie als "EINE" bezeichnen. Ich erkenne da schon ein durchgehendes "Denkmuster", ist aber sicherlich mein Fehler, so als Nicht-AfD-Wähler fehlt mir wohl ein bisschen was an der Genetik um auf ihr Level zu kommen...

  • Ist ja krass, dass es ein solcher Politiker in den Landtag schafft, aber nun gut, Parlamente sollen ja Abbild der Gesellschaft sein. Mit einem Buch von 2012 anzukommen, das ist ja auch seltsam, schaut sich denn keiner vorher an, was die Leute verzapft haben?

    • @Ansgar Reb:

      meinen sie jetzt die waehler?

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Hauptsache Ruhe.

     

    Ich finde man sollte eine Historikerkommission einberufen, die prüfen soll, ob dieser Herr Hitler tatsächlich ein Antisemit gewesen ist.

     

    Ich meine, die einen sagen so, die anderen sagen so.

     

    Und der Grundtenor ist in Deutschland ja der, dass im Regelfall nur der, der ein KZ geleitet hat oder dies gern tun würde, als Antisemit bezeichnet wird.

    • @88181 (Profil gelöscht):

      kein vertrauen in die staatsanwaltschaft?

      • @christine rölke-sommer:

        Wohl eher übertriebenes Vertrauen. Die meisten Staatsanwaltschaften stellen dem Herrn Hitler hier regelmäßig nachträglich noch einen Persilschein aus, indem sie auf die Anwendung des § 130 StGB bei Rechtsextremisten wohlwollend verzichten.

        • @Rainer B.:

          da muß ich doch mal nachfragen, ob Sie das belegen können.

          • @christine rölke-sommer:

            Da muss ich doch mal nachfragen, wann hier denn das letzte Mal ein Holocaust-Leugner inhaftiert wurde.

            • @Rainer B.:

              ichsachmaso: über anträge (strafanzeigen, strafanträge), die nicht gestellt werden, kann nicht entschieden werden. und auch kein klageerzwingungsverfahren geführt werden.

              also?

               

              aber vielleicht sind ja andere nicht so zögerlich wie der ZJD....

              • @christine rölke-sommer:

                Volksverhetzung ist ein Äußerungsdelikt/Inhaltsdelikt.

                Es gab durchaus Fälle, in denen eine Staatsanwaltschaft schon von Amts wegen Ermittlungen eingeleitet hat. Meines Wissens nach war die letzte Inhaftierung 2015 die von Dieter Riefling aus Söhlde, der wegen Volksverhetzung auf dem Neonazi-Festival "Rock für Deutschland" 2012 zu einem Jahr Haft ohne Bewährung verurteilt wurde. Das Urteil wurde nach Berufung von neun Monate auf ein Jahr erhöht und nach Revision vom Oberlandesgericht Gera bestätigt. Vor ihm gab es 2011 eine Haftstrafe für Axel Möller von 30 Monaten, die 2013 um ein weiteres Jahr verlängert wurde, weil Möller noch aus der Haft heraus volksverhetzende Straftaten beging. 2008 wurde Ernst Zündel, der unter dem Pseudonym Christof Friedrich bzw. Mattern Friedrich in seinen Schriften den Holocaust leugnete, zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt und saß bis März 2010 in der JVA Mannheim. Inhaftierungen von Holocaust-Leugnern sind also sehr wohl möglich, aber von "gängiger Rechtssprechung" wird man jetzt nicht so unbedingt sprechen können.

                 

                Anläßlich der Neufassung des § 130 hat der Zentralrat der Juden 1959 bereits auf entscheidende Geburtsfehler in der Gesetzgebung hingewiesen, wie man diesem aufschlußreichen Spiegel-Artikel entnehmen kann, der bereits alle Aspekte der heutigen Debatte widerspiegelt.

                http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-42622172.html

                • @Rainer B.:

                  ich hab nicht behauptet, dass es mit dem derzeitigen 130 https://dejure.org/gesetze/StGB/130.html mitsamt der dazugehörigen rechtsprechung einfach würde...

                  aber als begleitmusik zu einer kommission, die prüft, ob der autor (volks)verhetzender schriften der fraktion einer partei, welche ein (volks)verhetzendes programm hat, angehören darf oder nicht, stell ich mir das recht lustig vor...

                  weshalb ich es gut fände, wenn sich der ZdM und der LSVD z.b. der anzeige/dem strafantrag anschlössen...

                  • @christine rölke-sommer:

                    Dagegen wäre wohl nichts einzuwenden.

  • Folge

     

    Das Ziel einer Volksgruppe in Marokko durch das Beharren, insistieren und Bestehen auf die Vergangenheit ist Marokko zu melken melken und weiter melken...

    Die Sache ist wirklich schlimm als man denkt. Stellen Sie sich vor, allein wenn man das Wort Geschichte in Deutschland erwähnt, denkt man automatisch an das Holocaust. Nicht an den Großen Werken Beethovens, Goethes...

    Ich war überall in Deutschland und ich finde, dass die deutsche Gesellschaft eine sehr tolerante, liebevolle, kluge Gesellschaft ist.

    Man braucht sie nicht ständig an die Vergangenheit zu erinnern.

    • @Sara:

      Hier geht es aber nicht um das permanente Erinnern an die Vergangenheit, sondern darum, dass Menschen wie Herr Gedeon historische Fakten rundweg bestreiten und so tun, als wären sie unbelegte Meinungen. Die Mehrheit in Deutschland ist sicher tolerant, liebevoll und vielleicht sogar klug, aber die Minderheiten, die versuchen, historische Fakten zu verdrehen und die Vergangenheit so darzustellen, wie sie nicht war, werden zur Zeit immer lauter. Das darf man nicht unwidersprochen lassen.

  • dann soll der zentralrat unter beifügung des buches ihn anzeigen.

    damit a' ruah is!

    • @christine rölke-sommer:

      Die AfD sollte sich auch Rassismus, Islam- und Türkenhass beschränken. Wenn jetzt die Rechtsextremen aller AfD und PEGIDA auch noch auf die jüdischen Mitbürger losgehen, könnte das den Einzug in den Bundestag in 2017 verhageln. Das sind wahrscheinlich die Überlegungen von Meuthen, Petry und Gedon.

    • @christine rölke-sommer:

      Aber ein Buch zu verbieten, wird sehr schwer für den Staatsanwalt. Sie sehen an Böhmermann, was man sich alles so erlauben kann, wenn man seine Meinung äußern will.