Zentralafrikanische Republik: Frankreich verstärkt seine Truppen
Milizen begehen in der Hauptstadt Bangui immer neue Massaker. Frankreich schickt deshalb mehr Soldaten, hätte aber gerne eine UN-Mission.
BERLIN taz | Angesichts der ständig weiter zunehmenden Gewalt in der zentralafrikanischen Hauptstadt Bangui schickt Frankreich zusätzliche Kampftruppen. Nach Berichten französischer Militärblogs wurde am Samstag in Abidjan in der Elfenbeinküste eine besonders kriegserfahrene Kompanie von rund 140 Mann in ein Flugzeug nach Bangui gesetzt. Die Kompanie sei zuletzt im Oktober in Kidal, Brennpunkt der Gewalt im Norden Malis, eingesetzt worden, hieß es. Offiziell verbleibt die Obergrenze der französischen Militäroperation „Sangaris“ in der Zentralafrikanischen Republik bei 1600 Mann.
Dass dies bei weitem nicht ausreicht, um auch nur in Bangui die ausufernde Gewalt zu beenden, bei der sich christliche und muslimische Bevölkerungsteile und ihre jeweiligen bewaffneten Milizen gegenüberstehen, ist inzwischen auch den Franzosen klar. Seit Beginn des französischen Einsatzes in Bangui am 5. Dezember sind Hunderte von Menschen in der Stadt getötet worden.
Erst am Donnerstag wurden an einer Straße auf einem Hügel nahe des Militärcamps Roux 30 bis 40 Leichen geborgen, verstreut über ein 150 Meter langes Straßenstück. Die Toten, offensichtlich Opfer von Machetenhieben und teils gefesselt, seien vermutlich mehrere Tage zuvor woanders getötet und später an dieser Stelle abgelegt worden, hieß es in einer ersten Stellungnahme der zentralafrikanischen Generalstaatsanwaltschaft am Samstag.
Der Fundort liegt an einer von Regierungspolitikern bewohnten Straße in Sichtweite des Militärcamps, wo der bedrängte zentralafrikanische Präsident Michel Djotodia derzeit residiert und seine Präsidialgarde aus Elementen der muslimisch dominierten ehemaligen Rebellenarmee Seleka die Kontrolle ausübt. Der Massenmord sei daher möglicherweise eine Warnung an Seleka, hieß es in lokalen Berichten; die Machetenmorde sprechen für eine Täterschaft der regierungsfeindlichen christlichen Anti-Balaka-Milizen. Nach einem tschadischen Bericht könnte es sich um Opfer eines Massakers an 47 Tschadern durch diese Milizen am Dienstag handeln.
Ineffektive „Misca“-Mission
Am Wochenende begannen Tschad und Sudan, die beiden muslimischen Nachbarländer der Zentralafrikanischen Republik mit besonders engen Beziehungen zu Seleka, ihre Landsleute aus Bangui zu evakuieren – die Sudanesen per Flugzeug, die Tschader per gesichertem Militärkonvoi. Auch Kamerun schickte Evakuierungsflugzeuge nach Bangui.
Eigentlich sollten Tschad und Kamerun zwei wichtige Truppensteller der afrikanischen Friedenstruppe „Misca“ sein, zu deren Unterstützung Frankreich offiziell in der Zentralafrikanischen Republik eingegriffen hat. Aber Misca gilt als ineffektiv, besonders seit sich letzte Woche die tschadischen und burundischen Kontingente der Truppe Schusswechsel lieferten.
Frankreich hätte nun gern anstelle der afrikanischen Truppe eine UN-Mission. Präsident Francois Hollande traf sich am Freitag mit UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon und forderte „eine größere Rolle der Vereinten Nationen beim Übergangsprozess in der Zentralafirkanischen Republik“.
Für manche Zentralafrikaner sollte nicht nur die afrikanische Friedenstruppe, sondern auch die französische Eingreiftruppe durch UN-Blauhelme abgelöst werden. „Nur eine friedenserhaltende UN-Truppe wird über die nötigen Ressourcn verfügen, um unsere Zivilbevölkerung ausreichend zu schützen“, erklärten in einem gemeinsamen Friedensappell die Oberhäupter der katholischen Kirche und der Muslime von Bangui, Erzbischof Dieudonné Nzapalinga und Imam Omar Kobine Layama. „Ein UN-Engagement wird uns ermöglichen, uns auf die Wiederherstellung des Zusammenlebens zwischen unseren Gemeinschaften zu konzentrieren.“
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