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ZensurPressefreiheit, gut verkäuflich

Der Leda-Verlag aus Leer veröffentlicht einen umstrittenen Krimi um einen Ehrenmord. Ein Düsseldorfer Verlag hatte ihn als ausländerfeindlich abgelehnt. Zu Unrecht, erklärt die Leda-Verlegerin. Die Veröffentlichung sei ein Akt gegen die Selbstzensur.

Die Parallelgesellschaft ist mitten unter uns. Die Frage ist nur, wie man damit umgeht. Bild: AP

Nun verlegt ihn also der kleine Leda-Verlag aus Leer. Unter dem Titel "Ehre wem Ehre…" ist seit gestern der Krimi erhältlich, den der Düsseldorfer Droste-Verlag abgelehnt hatte. Aus - vorauseilender - Angst vor möglichen Angriffen aus der islamistischen Szene, so erklärte es die Autorin Gabriele Brinkmann. Weil der Krimi um einen Ehrenmord im türkischen Milieu in einigen Passagen den Islam verunglimpfe und ausländerfeindlich sei, so stellte es der Droste-Verlag dar.

Dem Leda-Verlag, der sich auf Regionalkrimis aus den Norden spezialisiert hat, ist damit Aufmerksamkeit garantiert. Doch Verlegerin Heike Gerdes betont, dass es keineswegs darum gehe, "auf den Zug zu springen, um die eigenen Schäfchen ins Trockene zu bringen". Vielmehr gehe es um "die Zensurdiskussion - die stieß uns sauer auf". So hat der Verlag die Autorin kontaktiert, das Manuskript gegengelesen und darin nichts finden können, was die Vorwürfe gerechtfertigt hätte. "Es wird kontrovers gestritten, aber es ist kein ausländerfeindliches Buch - sonst hätte ich das nicht gemacht", sagt Gerdes.

Im Krimi geht es um eine Zwangsheirat und eine unerwünschte Beziehung zwischen einer Türkin und einem Deutschen. Die türkische Familie ist konservativ, Vater und Brüder misshandeln die Frauen und zwingen ihnen ihre Ehrvorstellungen auf, die mit dem muslimischen Glauben gerechtfertigt werden. Türkische Frauen tauchen meist als Kopftuchträgerinnen auf und die Elterngeneration spricht nur gebrochen Deutsch. Als eine junge Türkin auf offener Straße misshandelt wird, reagiert die türkische Umgebung aggressiv auf die eingreifende Polizei.

Chronologie

Die 51-jährige Bochumer Krimiautorin Gabriele Brinkmann hat den Krimi "Ehre, wem Ehre…" unter dem Pseudonym W. W. Domsky verfasst. Damit wollte sie sich von den unter anderem Namen verfassten Comedy-Krimis abheben, die im Düsseldorfer Droste-Verlag erschienen sind.

Der Droste-Verlag lehnte das Manuskript ab. Daraufhin wandte sich die Autorin an die Medien, um die aus ihrer Sicht erfolgte Selbstzensur öffentlich zu machen.

Die rechte Szene schickte Droh-Mails an den Droste-Verlag. Der Leda-Verlag bot Brinkmann als erstes eine Veröffentlichung an.

Fraglos sind all das Beobachtungen einer sozialen Wirklichkeit in Deutschland. Die Aussagen der Brüder könnten einschlägigen Gerichtsakten aus so genannten Ehrenmord-Prozessen entnommen sein, ebenso die Verhaltensmuster der Opfer. Wenn etwas problematisch wirkt, sind es nicht die Passagen, die in der Mediendebatte immer wieder zitiert wurden. Etwa die am Schluss, als die aufgebrachte Kommissarin zu den türkischen Brüdern sagt: "Feiges Gesocks… schiebt euch euren Koran doch…" Denn dort ist deutlich erkennbar, dass hier eine Figur, die ohnehin wenig Sympathien für die Familien hat, außer sich gerät - zudem wird sie von ihrem Kollegen zur Ordnung gerufen. Auch dass die versoffene, aber grundsätzlich positiv gezeichnete Hauptfigur immer wieder die Türken pauschal kritisiert, kann durchaus als Perspektive einer Einzelperson durchgehen.

Eine gewisse Skepsis kommt jedoch auf, wenn vor diesem Hintergrund die einzig positive Figur aus dem türkischen Milieu ein Deutsch-Türke ist, dessen deutsche Mutter sich gegen die Drangsalierung durch ihre türkische Verwandtschaft zur Wehr setzen muss. Dem Text vorangestellt hat die Autorin das Motto: "Der Traum von einer multikulturellen Gesellschaft war schon ausgeträumt, als der erste aufrecht gehende Affe von sich behauptete: Ich sehe was, was du nicht siehst, und das ist Gott." Sie versteht ihren Krimi als "pessimistisches Buch, das eine begreifbare Realität widerspiegelt". Diese sei aber eben notwendigerweise ein Ausschnitt - und könne dann nicht alle Aspekte der sozialen Wirklichkeit enthalten. Weder sei sie eine Rassistin noch antiislamisch, betont Gabriele Brinkmann.

Dennoch kommt der Beifall für die Veröffentlichung des Buches nicht nur von unverdächtiger Seite. Sowohl in rechten Blogs als auch in der Jungen Freiheit ist der Krimi Thema. "Das ist mir peinlich", sagt Verlegerin Gerdes, "da ist Ignorieren das Beste." Zustimmung habe sie auch in Frankfurt auf der Buchmesse erfahren, neben Kollegen und Journalisten hätten auch muslimische LeserInnen positiv reagiert, die an ihren Stand gekommen seien.

Stellungnahmen von muslimischen Verbänden gibt es bislang nicht. Weder Autorin noch Verlag stehen unter Polizeischutz - jedoch sind die jeweiligen Polizeistellen vor Ort informiert. Der Leda-Verlag erhofft sich eine hohe Auflage von "Ehre, wem Ehre…" und wirbt auf seiner Internetseite groß mit "Dem Buch, das nicht erscheinen sollte". Bislang sind in großer Eile 2.000 Exemplare gedruckt worden, doch man verspricht sich eine "vielfach höhere" Nachfrage.

Und dennoch sagt Verlegerin Gerke, dass man all dies "tiefer hängen solle". So ließe sich die Veröffentlichung kaum mit den umstrittenen Mohammed-Karikaturen vergleichen: Weder habe man das Verbot, den Propheten abzubilden, verletzt, noch sei das Buch so präsent wie die dänischen Karikaturen.

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1 Kommentar

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  • B
    bekraemer

    Ich schicke voraus, dass ich bisher noch keine Gelegenheit hatte, das Buch zu kaufen bzw. zu lesen. Da ist mir Frau Gräff um einiges voraus.

     

    Was ich daher leider nicht nachvollziehen kann, ist, dass Frau Gräff gerade die positiv besetzte Figur eines deutschtürkischen Kollegen der Komissarin als Negativum darstellt. Wie hätte sie es denn gern? Ist die Figur nicht deutsch oder nicht türkisch genug?

    Und natürlich kann ein Buch nicht die gesamte soziale Wirklichkeit darstellen - das ist schon "bedeutenderen" Autoren nicht gelungen und, da kaum machbar, von kaum einem je gewollt.

    Man sollte nicht vergessen, dass dieser Krimi wohl kaum als literarisches Jahrhundertwerk angelegt war, sondern als Unterhaltungsliteratur. Wenn Unterhaltungsliteratur zusätzlich einen Ausschnitt auf die unsere soziale Wirklichkeit bietet, ist das doch schon mehr als man erwarten kann.

     

    Daher finde den unterschwelligen Vorwurf des Rassismus an die Autorin nicht gerechtfertigt. Für Beifall aus der falschen Ecke kann man einen Autoren kaum verantwortlich machen. Eher die "falsche Ecke", die auf einen Zug aufgesprungen ist, der noch gar nicht in den "Bahnhof eingefahren" war.