Zellstofffabrik in Finnland blockiert: Die Zukunft ist zerhäckselt

Ak­ti­vis­t:in­nen haben einen holzverarbeitenden Betrieb blockiert. Sie sorgen sich um die einst üppigen Wälder, die dem Klima kaum noch helfen.

ziemlich ramponiert aussehende Bäume und Holzstapel

Ein ordentlicher und klimaangepasster Mischwald sieht anders aus: Holzstapel in finnischem Forst Foto: Tainas/YAY Images/imago

STOCKHOLM taz | Rund 30 Greenpeace-AktivistInnen blockierten am Mittwoch zeitweise den Betrieb einer Ende September eröffneten neuen Zellstofffabrik im nordfinnischen Kemi. Die nahe der finnisch-schwedischen Grenze gelegene Fabrik des Metsä-Konzerns ist die größte der Nordhalbkugel. Die Befürchtung der DemonstrantInnen: Damit deren Produktionskapazität von jährlich 7,6 Millionen Kubikmeter Holzrohstoff gedeckt werden kann, wird die sowieso schon längst fehlgeleitete Forstwirtschaft in Nordschweden und Nordfinnland noch weniger nachhaltig.

Greenpeace fordert einen Kurzwechsel: Die holzverarbeitende Industrie müsse sich zum einen verpflichten, nur Rohstoffe zu verwenden, die im Rahmen einer nachhaltigen Forstwirtschaft gewonnen wurden. Also vor allem nicht aus noch relativ unberührten Wäldern, nicht unter Verletzung der Rechte indigener Völker, nicht aus Kahlschlägen.

Zum anderen müsse auch der Bedarf von Holzrohstoff für Wegwerfprodukte wie Kartons und Einwegverpackungen reduziert, Holz stattdessen für haltbarere und langlebigere Produkte verwendet werden. Nur so könne einer weiteren Verarmung der Artenvielfalt entgegengewirkt werden und der Wald seine für das Klima zentrale Rolle als Kohlendioxidsenke erfüllen.

Denn das tun die Wälder sogar in einem so waldreichen Land wie Finnland, in dem drei Viertel der Landfläche südlich des Polarkreises bewaldet sind, mittlerweile nicht mehr. Wälder sind nur dann Klimagassenken, wenn sie mehr CO2 binden, als gleichzeitig durch Abholzung und verminderten Zuwachs verschwindet. Das Ziel, bis 2035 „klimaneutral“ zu werden, wollte Helsinki beispielsweise dadurch erreichen, dass es für seine jetzigen Emissionen von jährlich rund 50 Millionen Tonnen CO2 rund 20 Millionen Tonnen aus den Klimagassenken gegenrechnet. Nur der Rest sollte „echte“ Reduktion sein.

Quelle statt Senke

2021 war aber erstmals seit Beginn der statistischen Erfassung vor drei Jahrzehnten nichts mehr für die Gegenrechnung übrig. Statt zur Entlastung der Klimagasbilanz beizutragen, war aus dem Wald eine zusätzliche Quelle bei der Freisetzung von Kohlendioxid in die Erdatmosphäre geworden. Verantwortlich dafür war neben einem um 9 Prozent gestiegenen Holzeinschlag ein gleichzeitig um 4 Prozent geringerer Neuzuwachs.

Auch aus Schweden kommen alarmierende Zahlen. Laut offizieller Statistik hat sich die Forstnutzung hier zwar noch nicht zu einer zusätzlichen CO2-Quelle entwickelt, aber die Nettoeinlagerung von Kohlendioxid schrumpfte zuletzt auch hier in nur einem Jahr um fast 20 Prozent. Es gebe eigentlich nur eine Konsequenz, meint David Erlandsson von der schwedischen Naturschutzvereinigung: Das Abholzungstempo müsse radikal zurückgefahren werden.

Doch dazu bedürfte es Anreizen für die Waldbesitzer, Wald nicht abzuholzen, sondern weiter wachsen zu lassen und damit der Entwicklung entgegenzuwirken, dass aus den Klimagassenken zusätzliche CO2-Quellen werden, meinte Finnlands bis zum Sommer regierende Koalition unter Ministerpräsidentin Sanna Marin. Das Klimaministerium prüfte verschiedene Konzepte, wie man über ein Entschädigungssystem die natürliche Klimagasspeicherung des Waldes wieder aufbauen könnte.

Kein klimaneutraler CO2-Ausstoß

Neben der Zellstoffbranche hatte man dabei vor allem die Industrie im Blick, die aus Holzbiomasse Strom und Wärme gewinnt. Eine Nutzungsart, bei der in wenigen Sekunden das über Jahrzehnte im Holz gelagerte Kohlendioxid in die Atmosphäre freigesetzt wird. Für das diese Industrie sich aber anders als bei der Verbrennung fossiler Energieträger die Kosten für Emissionszertifikate sparen kann – sie gilt als „CO2-neutral“. Dabei seien „im Hinblick auf das Klima alle Formen von Kohlendioxidausstoß schädlich“, sagt Jyrki Raitila vom finnischen Technikforschungsinstitut VTT: „Es spielt keine Rolle, ob Biomasse oder fossile Brennstoffe verbrannt werden.“

In einer VTT-Studie wurde ein theoretisches Modell für einen von der holzverarbeitenden Industrie zu zahlenden und am Emissionsrechtehandel orientierten Preis für die von ihr verursachten CO2-Emissionen entwickelt, mit dem dann wiederum die Waldbesitzer für die Kohlenstoffbindung entsprechend entschädigt werden könnten.

Das Ergebnis: Schon bei einer Kompensation, die von einem Kohlendioxidpreis von 40 Euro pro Tonne CO2 ausgeht – derzeitiger Emissionsrechtekurs ca 80 Euro –, würden diese mit einem Abholzverzicht jedenfalls keinen Verlust machen. Jeder höhere Preis wäre ein Gewinn für sie, würde den Anreiz also steigern. Die Kohlenstoffsenken würden wieder zunehmen und die Entwicklung grüner Technologien profitabler werden. Der Haken: Die holzverarbeitende Industrie wäre nicht mehr wettbewerbsfähig.

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