Zähneklappern im Klassenzimmer: Marode Schulen und keine Lösung in Sicht
In Schleswig-Holstein fehlt das Geld für Schulsanierungen. Die Bildungsministerin verweist auf Bundesmittel, doch die sind für den Ganztagsausbau.
Kältefrei gab es für die Kinder der Lilli-Martius-Schule: Mehrmals fiel Anfang Dezember die Heizung im Schulzentrum im Stadtteil Elmschenhagen aus. Angesichts von bibberkalten Temperaturen sagte Schulleiter Torben Wegner zeitweise den Unterricht ab, nur für die Grundschulkinder gab es eine Notbetreuung. Die CDU-Landtagsabgeordnete Seyran Papo sieht die Schuld bei der Stadt Kiel, sie erkennt eine „tiefgreifende Erkrankung“ der zurzeit noch SPD-geführten Stadtverwaltung. Dabei betrifft das Problem alle Kommunen, egal welche Parteien dort regieren. Eine Lösung ist trotz Millionen-Hilfen des Bundes nicht in Sicht.
Fußböden mit Löchern, Wasserflecken an der Decke, Wände, an denen Klebestreifen vieler vorangegangener Klassenbelegschaften hängen, wackelnde Stühle: „Darüber tauschen wir uns bei jedem Schulleitertreffen aus“, berichtet Kerstin Quellmann, Co-Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Zuständig für die Ausstattung und den Erhalt der Gebäude sind die Schulträger, in der Regel die Städte und Gemeinden.
Dennoch teilt Quellmann die Kritik der CDU-Abgeordneten Papo an der Verwaltung der Landeshauptstadt nicht: „Kiel ist eine Kommune mit vielen Schulen, das bedeutet hohe Anforderungen und hohe finanzielle Belastung.“ Anderen Großstädten wie Lübeck oder Flensburg gehe es ebenso. In Gemeinden, die nur eine Grundschule tragen, sei die Lage oft entspannter. „Eigentlich reicht ein Blick auf die Ausstattung, um zu sagen, ob es eine Schule in einer Großstadt oder im eher ländlichen Raum ist“, sagt Quellmann.
Aber auch die kleineren Gemeinden stöhnen unter der Last der Kosten für die Sanierung und den modernen Ausbau ihrer Schulen. Ein Grund ist auch, dass die Gebäude inzwischen mehr bieten sollen als zu ihrer Bauzeit. So braucht es Mensen für den Ganztagsbetrieb und Räume für klassenübergreifendes Lernen. Das Thema brennt nicht nur in Schleswig-Holstein, sondern bundesweit.
Ein bundesweites Problem
„Die kommunalen Landesverbände sehen das Land in der Pflicht, eine auskömmliche Finanzausstattung der Kommunen zu gewährleisten“, forderte der Gemeindetag Schleswig-Holstein und brachte einen Masterplan gegen den Sanierungsstau ins Spiel. Das war 2018. Wirklich passiert ist seither wenig, nur die Summen sind gestiegen: 1,8 Milliarden Euro veranschlagt der Gemeindetag, um alle rund 800 Schulen in Schleswig-Holstein auf den neusten Stand zu bringen.
Martin Habersaat, SPD
Martin Habersaat, Bildungsexperte der SPD-Landtagsfraktion, schlägt die Gründung einer landeseigenen Gesellschaft namens „Bildungsbau Schleswig-Holstein“ vor. Sie könne mehrere Probleme auf einmal lösen, sagte er der taz: „So ein Betrieb könnte leichter und zu anderen Konditionen Kredite aufnehmen als eine Gemeinde, könnte die Sanierung übernehmen und die Schule per Mietkauf an die Kommune übertragen.“ Als Vorbild nannte Habersaat den Landesbetrieb Schulbau Hamburg.
Doch im Kieler Landtag fiel der Vorschlag durch: „Das bringt keine Beschleunigung, sondern eröffnet erst einmal eine neue Baustelle“, sagte Bildungsministerin Dorit Stenke (CDU). Die Regierung unterstütze die Kommunen bereits, und ein weiteres „Musterraumprogramm“ solle Anfang 2026 starten. Außerdem erinnerte Stenke an das Sondervermögen des Bundes, über das „mindestens 240 Millionen zusätzlich“ fließen würden: „All das schafft gute Räume für gute Bildung.“
Allerdings sind die Millionen aus dem Sondervermögen nicht dafür gedacht, löchrige Decken und kaputte Fußböden zu stopfen, sondern für neue Räume für den Ganztag. Schließlich haben Erstklässler:innen ab Sommer 2026 ein Recht auf Nachmittagsbetreuung. „Klar, von dem Geld werden die Schulen auch insgesamt profitieren“, sagt Kerstin Quellmann. Aber das Problem der fehlenden Mittel lasse sich dadurch nicht lösen. „Wie es gehen soll? Wenn ich es wüsste, würde ich es verraten.“
Das Heizungsproblem im Schulzentrum Lilli Martius in Kiel-Elmschenhagen ist inzwischen gelöst: „Die Heizung ist angelaufen, wir gehen von Schulbetrieb nach Plan aus“, schrieb der Schulleiter im Newskanal der Homepage.
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