Youtuber Miguel Pablo doch nicht schwul: Coming-out als Hete
Ein YouTuber outet sich als schwul, kassiert einen Hatestorm seiner Heten-Rap-Bros, nimmt dann das Outing zurück. Nun hassen ihn auch die Homos.
D as hat Miguel Pablo nicht verdient. Er hat die Homo-Challenge aufgenommen, sich als schwul geoutet, dann sechs Wochen lang mit seinem Kumpel ein Pärchen gemimt, Hate kassiert von HipHop-Bros und YouTube-Kids, er hat sich deutlich gegen Homophobie positioniert. Pablo hat es durchgezogen, 48 lange Tage lang. Nur Sex war wohl nicht im Spiel.
Dann, 1,4 Millionen Klicks später, kam der nächste große Schritt: Das Coming-out als Hete. „Ich kann das nicht mehr. Ich kann nicht mehr in einer Lüge leben!“, sagt Pablo mit zaghafter Stimme, deutlich zerknirscht. Das hier sind ehrliche Emotionen. Das Homo-Coming-out vor sechs Wochen war Laienschauspiel, gewürzt mit echter Unbeholfenheit, über Gefühle zu reden.
Das hier jedoch ist abgrundtief ehrlich. Pablo, ein harmloser junger Mann, möchte sich wirklich entschuldigen. Da sitzt er, trägt ein neckisches pinkes Halstuch, hinter ihm auf dem Bett ein Plüschkackhaufen auf einem Stofftier-Minion, beide kippen zur Hälfte des Videos um. Miguel Pablo fleht: „Bitte hört mir zu! Gebt mir eine Chance!“
Er gibt zu, dass er auch aus finanziellen Gründen die Sensation gesucht hat (so ein Coming-out-Video bekommt viele Klicks, spätestens seit Troye Sivan 2015 wussten das alle). 2019 war hart für ihn, sagt Miguel Pablo, erst Psychiatrie, dann monatelang Angst, das Haus zu verlassen, dann räumte jemand Pablos Konto leer. Kann man Verständnis für ihn haben, sollte man? Man muss! Er hätte vielleicht ehrlicherweise ein Video über seine Phobien machen können, aber geschenkt. Sein Fake Outing ist genau zu dem Sozialexperiment geworden, das Pablo machen wollte.
Eigentlich habe er es nach ein paar Tagen auflösen wollen, sagt er, doch dann habe sich die Sache verselbstständigt: Kids schickten Hate-Mails, aber die Solidarität war auch stark, von anderen YouTubern wie von Kollege Unge, bei dem sich Pablo noch mal extra entschuldigt. Es war so viel Unterstützung, dass er das nicht mehr einfangen konnte. „Wir haben gemerkt, die Leute stehen auf einmal hinter uns, wir können euch nicht mehr die Wahrheit sagen.“ Das Zerknirsch-Video hat nun auch 1,4 Millionen Klicks eingespielt.
„Ich habe Sachen gemacht, die man nicht machen sollte! Ich habe in Chicken Wings gebadet! […] Aber ich bin kein schlechter Mensch.“ Bist du nicht, Miguel Pablo. Du bist ’ne korrekte Hete. Halbwegs. Okay, viertel.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei