„Women's March“ gegen Donald Trump: Tag der pinken „Pussy“-Mützen

Am Tag nach der Vereidigung Trumps füllt eine Demo in Washington die Straßen. So enden Wochen der niedergeschlagenen Stimmung.

In einer Menschenmenge tragen viele pinke Mützen

„Ein Meer von Menschen“: DemonstrantInnen mit pinken Mützen in Washington Foto: ap

WASHINGTON taz | Die breiten Prachtstraßen und die langgezogene, grüne Mall im Zentrum von Washington platzen schon am frühen Samstagmorgen aus allen Nähten. Die Veranstalterinnen der „Women's March“ hatten mit 200.000 TeilnehmerInnen gerechnet, mit denen sie von der Madison Avenue zu der Ellipse auf der Südseite des Weißen Hauses ziehen wollten. Stattdessen sind 500.000, möglicherweise sogar über eine Million gekommen. Zusammen mit Millionen anderen Menschen, die am selben Tag quer durch die USA und auf allen Kontinenten auf der Straße sind, rufen sie dem neuen US-Präsidenten nach seinem Amtsantritt ein lautes „No“ zu.

Nach dem Tag der Trump-Schirmmützenträger, geben die DemonstrantInnen mit den rosafarbenen gestrickten „Pussy“-Mützen der US-Hauptstadt eine neue Farbe. Vorübergehend sieht es aus, als könnte aus Platzmangel nur eine Kundgebung, aber keine Demonstration stattfinden. Doch dann setzt sich die Menge auf drei parallelen Routen in Bewegung.

Es ist die größte Demonstration, an die sich die der US-Hauptstadt erinnern kann. „Willkommen zu Deinem ersten Tag im Amt“, skandieren die DemonstrantInnen. Und fügen diese Warnung hinzu: „Wir gehen nicht mehr weg“. Eine junge Frau hält ein Schild mit der Aufschrift, die für viele zutrifft, hoch: „Glückwunsch! Jetzt bin ich eine Aktivistin“.

Es ist ein Tag mit Gänsehautfaktor. Nach Wochen der niedergeschlagenen Stimmung über den Mann, der jetzt der mächtigste der Welt ist, zeigt die andere Seite ihre Kräfte. Und ist selbst überrascht davon, wie groß die sind. „Ich sehe ein Meer von Menschen“, jubiliert die Feministin Gloria Steinem, als sie ihre kurze Rede beginnt. „Unglaublich“, beginnt der Filmemacher Michael Moore seinen Auftritt, „ich kann das Ende nicht sehen“. Mehr als einen halben Kilometer von seiner Bühne entfernt, wo die Reden nur noch als ferne Geräuschkulisse wahrnehmbar sind, ruft eine junge Frau, die für die Demonstration aus Oregon eingeflogen ist: „Wow! Dies ist das Amerika, das ich liebe.“

Fast nichts für die Menge organisiert

Eine Demonstrantin, die aus New York angereist ist, weiß, dass dieser Tag jenen Mut machen wird, die in republikanischen Bundesstaaten wie Alabama und Kansas leben und sich bislang nicht getraut haben, ihre Opposition gegen Trump bekannt zu machen. Rund um sie kommen immer neue Gruppen von vielen Frauen und auch einigen Männern hinzu, die an diesem Tag Rechte verteidigen, für die US-amerikanische Feministinnen und Linke in den vergangenen Jahrzehnten gekämpft haben: von dem Schwangerschaftsabbruch über volle Bürgerrechte für AfroamerikanerInnen, die Gleichstellung schwuler und lesbischer Beziehungen bis hin zu klimapolitischen Gesetzen und internationalen Abkommen.

Dazwischen geht es – wenngleich weniger prominent – um eine Einwanderungsreform und um Forderungen aus der Arbeitswelt, darunter Mindestlöhne und gewerkschaftliche Rechte. „Wir kehren nicht schweigend in die 50er Jahre zurück“ ist auf vielen Transparenten zu lesen.

Im Inneren der Demonstration ist fast nichts für die große Menschenmenge organisiert. Vor den Toiletten bilden sich Schlangen mit dreiviertelstündigen Wartezeiten und so gut wie niemand weiß, in welche Richtung der Zug ziehen wird. Doch die Stimmung bleibt freundlich. Frauen gehen auf Nationalgardisten zu, um ihnen für ihren „Dienst“ zu danken und bekommen von manchen ein „Danke, dass Ihr gekommen seid“ zurück. Andere umarmen JournalistInnen, die sie interviewen und danken ihnen für das Interesse.

„Wir brauchen jetzt jede Unterstützung“, sagt Niki Williams. Die 37-jährige Afroamerikanerin ist eine der politisch erfahreneren DemonstrantInnen dieses Tages. Für sie ist der neue Präsident ein „Eiferer“ und „das Böse“, der „das Schlechteste von uns repräsentiert“. Auch wenn ihn nur 19 Prozent aller US-AmerikanerInnen gewählt haben – „wobei es für viele davon vor allem ein Votum gegen seine Alternative war“ – erwartet Niki Williams schwierige Auseinandersetzungen, weil „dieses Land eine duale Identität hat“, die zu seiner Geburt mit dem „Massenmord an einer Bevölkerungsgruppe und der Versklavung einer anderen“ begonnen hat. Falls Europa aufgrund von Konflikten mit Trump eines Tages entscheiden sollte, den US-amerikanischen Pass zu entwerten, wäre sie bereit, „zu leiden“.

„Pussy grabs back“

Unter den DemonstrantInnen sind sowohl DebütantInnen als auch erfahrene AktivistInnen, junge und alte. Die 75-jährige Bobbi Ansubel aus Kalifornien war schon in den 60er Jahren mit Martin Luther King und gegen den Vietnamkrieg auf der Straße. Aber noch nie hat sie eine so große und so kreative Demonstration erlebt. „Hier sind fast alle Schilder handgemalt“, sagt sie gerührt, „das zeigt, wie tief das Engagement geht“.

Die 35-jährige Tina und ihre 15-jährige Tochter Harmony aus Rochester in New York gehören zu jenen vielen, die zum ersten Mal demonstrieren. Die Mutter nennt Trump einen „Bully“ und wollte ihrer Tochter zeigen, dass das inakzeptabel ist. Doch als sie wenige Tage nach den Wahlen im November erstmals im Facebook von der Demonstration in Washington las, war sie unsicher, ob das nicht gefährlich wäre. Dann tat sie sich für die Reise mit einer befreundeten Mutter und deren gleichaltriger Tochter zusammen. Am Ende des langen Tages in Washington schwärmen alle vier Frauen von der neuen Erfahrung. Tina nennt sie „wunderbar und völlig friedlich“.

Die Empfehlungen von Michael Moore und anderen DemonstrantInnen nehmen die Frauen mit zurück nach Rochester: Ruft eure Abgeordneten an, versteckt Euch nicht hinter Schüchternheit, kandidiert selbst für politische Ämter, organisiert Euch in Gruppen, die sich wehren können, lauten einige Vorschläge für die nächsten Monate.

„Vergesst nicht, wo ihr herkommt“, steht auf dem Schild mit der aufgeklebten rosa Vulva aus Stoff. Eine junge Frau aus Pennsylvania trägt es lachend durch die Hauptstadt. Wie viele wehrt sie sich gegen die republikanischen Versuche, das Selbstbestimmungsrecht von Frauen zu beschneiden. Andere DemonstrantInnen fassen dasselbe Anliegen in einen Slogan, der schon im Wahlkampf populär wurde: „Pussy grabs back“.

Vor dem Hotel in der alten Post, das der neue Präsident wenige Wochen vor seiner Wahl eröffnet hat, steht eine Blumenhändlerin aus Norfolk in Virginia. Auch Mary Lou ist an diesem Tag auf der ersten Demonstration ihres Lebens. Auf ihrem selbst gemachten Transparent, für das sie viel Lob bekommt, steht: „Tief in Eurem Inneren wisst Ihr, dass er verrückt ist.“ Sie bezeichnet Trump als narzisstisch und ist überzeugt, dass Massendemonstrationen ihn zutiefst verunsichern. „Er hat sich zwar sein Leben lang nur für sein eigenes materielles Wohl, und kein bischen für das der anderen interessiert“, sagt sie, „aber er will gemocht werden“.

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