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Wohnungslose in UnterkünftenVom Wohnungsmarkt übersehen

Jasmin Kalarickal
Kommentar von Jasmin Kalarickal

Fast 440.000 Menschen leben in Deutschland in Unterkünften. Sie landen dort, weil es kaum Sozialwohnungen gibt – und sie stigmatisiert werden.

Von der Übergangs- zur Dauerlösung: Viele Geflüchtete verharren jahrelang in Sammelunterkünften, weil sie keine Wohnung finden Foto: Arne Dedert/picture alliance

Z um Stichtag 31. Januar waren laut Statistischen Bundesamt 439.500 Menschen „untergebracht wohnungslos“ – das heißt, diese Menschen lebten zu diesem Zeitpunkt zum Beispiel in öffentlichen Einrichtungen für Wohnungslose oder in Sammelunterkünften für Geflüchtete. Letztere werden in der Statistik nur berücksichtigt, wenn ihr Asylverfahren positiv abgeschlossen wurde.

Ein Drittel der Untergebrachten sind Ukrainer*innen, viele Familien mit Kindern. Während überhitzt gefordert wird, dass Geflüchtete arbeiten sollen, wird selten gefragt, unter welchen Bedingungen viele Menschen, darunter auch viele Kinder, hier leben. Nicht nur Geflüchtete, sondern alle, die kaum Chancen auf dem regulären Wohnungsmarkt haben.

Eigentlich sind diese Formen der öffentlichen Unterbringung nur als Übergangslösung gedacht. In der Realität verharren dort aber viele über Jahre, weil sie keine eigene Wohnung finden. Dass die Notlösung zum Normalzustand wurde, ist ein vergleichsweise stiller Skandal. Das mag auch daran liegen, dass Wohnungslosigkeit in der gesellschaftlichen Debatte meist nur mit Straßenobdachlosigkeit assoziiert wird. Wer irgendein Dach über dem Kopf hat, gilt da schon als versorgt. Aber diese Form der Zwei-Klassen-Wohnraumversorgung ist gesellschaftlich inakzeptabel.

Die aktuelle Zahl von 439.500 Menschen wirft nur ein kleines Schlaglicht auf das Thema Wohnungslosigkeit. Denn alle, die offen auf der Straße leben oder diejenigen, die ohne Mietvertrag bei Bekannten unterkommen, sind nicht berücksichtigt. Sie alle hätten Anspruch auf eine menschenwürdige Unterbringung.

Doch leider fehlen ausgerechnet im bezahlbaren Segment die meisten Wohnungen. Die Zahl der Sozialwohnungen sinkt. Die Bundesregierung hat zwar einen nationalen Aktionsplan beschlossen, aber mit schneller Hilfe ist nicht zu rechnen. Wohnungslose Menschen, die mit vielen Problemlagen zu kämpfen haben, müssen einen priorisierten Zugang zu Wohnungen bekommen, sonst werden sie bei Besichtigungen immer hinten anstehen.

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Jasmin Kalarickal
Redakteurin
Jahrgang 1984, ist Redakteurin im Parlamentsbüro der taz.
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7 Kommentare

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  • Ich möchte daran erinnern das wir seit dieser Regierung ein Ministerium für Wohnen haben auch wenn man es selten mitbekommt weil dieser eher nur kleinlaut öffentlich macht wie viele (Sozial-)Wohnungen neu gebaut wurden



    (Spoiler: Krachend weniger als ihr EIGENES Ziel)

  • Natürlich ist es unbequem, wegzuziehen. Aber es gibt doch anscheinend genügend Wohnraum, nur nicht in den großen Städten. Es geht doch nicht an, dass Städte wie Berlin immer nur subventioniert werden. Wer es sich nicht leisten kann, dort zu wohnen, muss woanders hinziehen. Dann wird gemerkt, dass der Fachkräftemangel sich verstärkt, da niemand mehr für geringen Lohn in Berlin arbeiten kann. Ergo: Wegzu bedeutet mehr freien Wohnraum und abschließend höhere Löhne, da viele nicht-Home Office Jobs eine gewisse Nähe zum Arbeitsplatz bedürfen.

    Die aktuelle Politik verstärkt das Problem noch.

    Vor allem für Eltern mit Kindern lohnt es sich ja oft gar nicht mehr, arbeiten zu gehen, wenn man mit Wohngeld und KiZ besser darsteht als mit einem 70-80TEUR Job.

    Wirklich sinnvoll ist m.E. nur, wenn man Leerstand sowie zweckfremde Nutzung (s. Airbnb) bestraft. So kann Fläche nicht mehr so massiv zur Spekulation genutzt werden und steht wieder für die allgemeine Nutzung zur Verfügung.

  • Was mich an diesen wie auch an vielen anderen Kommentaren stört ist, dass sie zwar sehr gut darin sind Missstände anzuprangern aber so gut wie nie einen Lösungsansatz bieten wie denn Abhilfe geschaffen werden könnte. Es ist ein offensichtlicher Fakt, dass es, zumindest in den beliebten Ballungsgebieten, zu wenig Wohnraum gibt. Die Aufnahme von Flüchtlingen reduzieren? Menschenunwürdig. Nicht aufenthaltsberechtigte Flüchtlinge verstärkt abschieben? Menschenunwürdig. Flüchtlinge zwangsverteilen? Menschenunwürdig. Oder eben Flüchtlinge in Unterkünften beschrieben unterbringen? Menschenunwürdig.



    Ressourcen sind nun mal endlich, alles für alle wird nicht funktionieren. In Bezug auf Wohnraum kommt in Deutschland noch hinzu, dass nicht zuletzt immer neue Regelungen und Verordnungen dazu führen, dass Bauen sehr teuer geworden ist. Aber wir wollen ja alles: hocheffiziente Häuser in ausreichenden Mengen in Ballungslagen für lau und das gleich morgen. Ich verrate kein Geheimnis wenn ich sage, dass das nicht funktionieren wird.

  • Zitat:



    Doch leider fehlen ausgerechnet im bezahlbaren Segment die meisten Wohnungen.

    Schön wäre hier mal den Begriff "bezahlbar" klar in Euro und Cent zu benennen UND "Warm" oder "Kalt".

    Bei den aktuellen Wärme, Umwelt und Baurechtsvorschriften in Verbindung mit den hohen Grundstückspreisen incl. der Preissteigerungen für Materialien kann man keinen Wohnraum mehr für unter 10€/qm kalt bauen.

  • Dass Menschen in Unterkünften dauerhaft leben, war in Deutschland immer wieder der Fall, selbst Anfang der 1970er hatten viele Städte solche Unterkünfte gehabt.



    Und da lebten viele deutsche Familien, es war nicht unbedingt nur für Migranten oder Asylbewerber.

    Seitdem im Wohnungsmarkt massiv investiert, auf Renditen spekuliert wird, sinkt die Neigung der Kommunen, Länder und der Stadtstaaten, massiv Geld in den sozialen Wohnungsbau zu stecken.

    Eine Stadt wie Hamburg bräuchte wahrscheinlich 50.000 Wohnungen in mehreren Größen, um den jetzigen Bedarf zu decken.



    Olaf Scholz hatte als Bürgermeister aber nur für ein Drittel aller Wohnungen Sozialwohnungen vorgesehen, ein Drittel sollte Eigentum und ein Drittel solle freier Markt zu Miete sein. Damit kann man Menschen nicht aus Unterkünften holen.



    München ist für Durchschnittsarbeitnehmer schon nicht bezahlbar, Frankfurt hat extreme Mieten, aber selbst Elmshorn oder Offenbach steigen die Mieten stark an.

    In diesem Sinne: Es hat keine Priorität, sozialen Wohnungsbau zu betreiben.



    Es wird in Kauf genommen, dass es für die Gesellschaft starke Konsequenzen haben kann, wenn ein Teil der Bevölkerung verarmt in Unterkünften leben muss.

  • Den priorisierten Zugang gibt es bereits.

    Nennt sich Wohnberechtigungsschein.

    In Berlin vergeben die öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften selbst in ihren Altbauten einen Teil nur an Leute mit WBS.

    Hat nur keinen großen Effekt, weil das Wohnungsangebot schlicht zu gering ist.

    • @rero:

      "B-Schein-Wohnungen", die einen Wohnberechtigungsschein zur Anmietung voraussetzen, sind genau das, was heutzutage im eigentlichen Sinne als "Sozialwohnung" bezeichnet wird. Also die immer weiter schrumpfende Zahl der Wohnungen mit Mietpreisbindung über so und so viel Jahre. Auf den WBS haben übrigens quasi alle Bürgergeldempfänger Anspruch, oder auch Geringverdiener mit Familie etc., je nach Einkommenshöhe.



      Wir müssen weg von der "sozialen Wohnraumförderung" für "besonders benachteiligte Gruppen" mit Stigma-Schein, und zumindest in Ansätzen zurück zum Konzept des sozialen Wohnungsbaus, wie er ursprünglich mal vorgesehen war: Versorgung breiter Schichten der Bevölkerung mit bezahlbarem und qualitativ hochwertigem Wohnraum. Nur ist das mit renditeorientierten Wohnungsunternehmen halt kaum zu machen...