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Wohnen in der Stadt der ZukunftDas neue Bauen

Mietenexplosion, Wohnungsbau und Mobilität sind aktuelle Konfliktfelder. Eine Forschungsschau zeigt, wie Wohnen in der City künftig aussehen könnte.

Open-Air-Ausstellung „Wissensstadt Berlin“ Foto: Oana Popa-Costea

Berlin taz | Die Städte sind ein heißes Pflaster. Das zeigen nicht nur die Satellitenaufnahmen, aus denen Umweltforscher die ökologische Lage der Metropolen ablesen können. Auch im urbanen Sozialraum geht es verstärkt hitziger zu. Mietenexplosion, umstrittener Wohnungsbau oder die Verteilung des öffentlichen Verkehrsraums zählen zu den aktuellen Konfliktfeldern, mit denen sich auch Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen befassen. Ihre Antworten auf die Frage „Wem gehört die Stadt?“ werden derzeit in der Open-Air-Ausstellung „Wissensstadt Berlin“ vor dem Roten Rathaus präsentiert. Ein Schwerpunkt ist das Wohnen in der Stadt – aus sozialem wie ökologischem Blickwinkel.

Die Forschungsschau ist zunächst ein Sammelsurium von knapp 100 Fragen aus den drei Generalkomplexen Gesundheit, Klima und gesellschaftlicher Zusammenhalt. Eine lautet: „Soll sich die Wissenschaft in die Wohn- und Mietenpolitik einmischen?“ Für den Wiener Politikwissenschaftler Philipp Metzger ist das eine rhetorische Frage. In seiner Dissertation mit dem Titel „Die Finan­zia­li­sierung der deutschen Ökonomie am Beispiel des Wohnungsmarkts“ hat er untersucht, wie der Vermietermarkt aus einer mittelständischen Struktur zu einem Spielfeld von Immobilienkonzernen und Finanzkapital werden konnte. Die Ausstellung bringt ein längeres Interview mit Metzger, das die daraus folgenden Verdrängungsprozesse in der Mieterstruktur beleuchtet. Auch auf die Berliner Initiative Deutsche Wohnen und Co enteignen wird eingegangen.

Joachim Baur von der Ausstellungsagentur Die Exponauten hat die „Wissensstadt“ inhaltlich konzipiert. Es geht ihm darum, wie das „umkämpfte Terrain Berlin“, wie er es nennt, mit Mitteln der Wissenschaft aufgenommen und analysiert wird. „Dazu haben wir Forschungen zu Mietenentwicklungen, aber auch zu soziale Auseinandersetzungen, und wie diese wiederum erforscht werden können.“ Eine Überschrift lautet: „Müssen Reiche weniger fürs Wohnen zahlen?“ Baur: „Oder es geht darum, Alternativen aufzuzeigen, wie man anders in der Stadt zusammenleben kann.“ So haben Forscher der TU Berlin danach gesucht, wie in den sozialen Milieus von Wohnungslosen und Migranten neue Formen der Solidarität, sogenannten Transforming Solidarities entstehen können.

Ein anderes urbanes Feld, das sich derzeit stark wandelt, ist der Verkehr. Der Mobilitätsforscher am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), Weert Canzler, untersucht, wie sich private und öffentliche Verkehrsmittel zu einer „urbanen, postfossilen Mobilitätskultur“ verbinden lassen. Elektrische Antriebstechniken und digitale Steuerung verschmelzen zu einem Verkehr neuer Art: Ein Klick aufs Smartphone, und schon kommt ein Fahrzeug und bringt einen überall hin. Das verlangt auch neue politische Regulierungen.

In seinem Vortrag in der Ausstellung plädierte Canzler „für die Citymaut als zeitgemäßes Instrument in großen Städten, das den Verkehrsfluss optimieren, Schadstoffe und Klimagase senken und mehr Lebensqualität für alle“ schaffen könnte.

Sozial gerecht auch klimaneutral

Das neue Bauen in der Stadt sollte nicht nur sozial gerecht, sondern auch klimaneutral sein. Ausstellungskurator Baur verweist auf ein „spannendes Projekt aus der TU Berlin, das untersuchen will, ob man eine Symbiose aus Mensch und Pflanzen herstellen kann“. Im Prototyp eines „Schulungs-Gewächshauses“ befinden sich auf der einen Seite die Pflanzen hat und auf der anderen die Aufenthaltsfläche der Menschen. „Ich finde, das ist eine tolle Vision, dass wir früher oder später in solchen Gewächshäusern auch leben und arbeiten werden“, sagt Baur. „Das klingt vielleicht ein bisschen hippiehaft, aber solche Wege muss man wahrscheinlich denken und gehen.“

Das bioklimatische Schulungs-Gewächshaus wird mit einer Förderung durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt bis zum August 2022 auf dem Gelände der Bezirksgärtnerei Berlin-Charlottenburg errichtet. Der Bau, so die Projektbeschreibung, soll „als prototypisches Vorbild sowohl für die energetische Ertüchtigung bestehender Gewächshäuser und Bürogebäude als auch den Neubau künftiger, bioklimatischer und energieautarker Gebäude-Hybride dienen“.

taz macht Klassenkampf

Deutschland gehört zu den reichsten Staaten der Welt – aber Wohlstand, Bildung, Gesundheit und Glück sind höchst ungleich verteilt. Wie wird die kommende Bundestagswahl die Weichen stellen für die Verteilungsprobleme? Wen wird es treffen, dass die öffentlichen Kassen nach der Pandemie leergefegt sind? Schaffen wir es, das Klima zu schützen und dabei keine Abstriche bei der sozialen Gerechtigkeit zu machen? Unter dem Motto „Klassenkampf“ widmet sich die taz eine Woche lang Fragen rund um soziale Gerechtigkeit.

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Dafür werden baulich Bereiche kombiniert, die sich die „teils gegensätzlichen bioklimatischen Nutzungsanforderungen hinsichtlich Temperatur, Luftfeuchte, Licht und Sauerstoffgehalt von Mensch und Pflanze“ in einer Weise nutzbar machen, dass der Energiebedarf des Gebäudes signifikant gesenkt werden kann. „Die Treibhausbereiche der Pflanzen“, heißt es im Konzept, an dem das Fachgebiet Entwerfen und Konstruieren der Technische Universität Berlin beteiligt ist, „dienen hierbei als den Arbeitsräumen für Menschen vorgeschaltete ‚Klimaanlagen‘ und konditionieren diese mit ihren ‚Abfallprodukten‘ wie Sauerstoff, Luftfilterung und Luftfeuchte und sorgen neben einer deutlichen Verbesserung der Raumluftqualität gleichzeitig für eine psychisch-physiologische Bereicherung die Arbeitsplätze.“

Und ökologisch ist auch das Gesamtevent der „Wissensstadt“ angelegt, nicht nur wegen zahlreichen Grünkästen im gelehrten Wandelgang. Nach Abbau der Leimholzplatten gehen diese ins Recycling, erklärt Baur.

Anfangs wollte man sogar noch einen Tick umweltfreundlicher sein. „Wir hatten überlegt, die gesamte Ausstellung aus Käferholz zu bauen – Holz, das von Schädlingen besetzt ist und das sehr schnell aus den Wälder rausgeräumt werden muss, was einen Zusammenhang mit dem Klimawandel hat.“ Aber die Ökonomie, vielleicht sogar das Finanzkapital, machten einen Strich durch die Rechnung. Denn, so Kurator Baur, „ab Jahresbeginn war der Holzpreis so enorm gestiegen, dass kaum noch möglich war, überhaupt Holz zu bekommen“.

Das Anzapfen des Berliner Wissens in Hochschulen und Forschungsinstituten, um einen nachhaltigen Umbau der Stadtstruktur in die Wege zu leiten, ist der eine Ansatz, der mit der Ausstellung verfolgt wurde (die am 22. 8. zu Ende geht). Einen anderen Weg beschritt der Berliner Senat in der vorigen Woche, als er in der Metropolenkonferenz „Berlin questions 2021“ das aggregierte Transformationswissen inter­na­tio­naler Forscher und Kommunalpraktiker in die deutsche Hauptstadt holte. Thema waren bei der viertägigen Veranstaltung ebenfalls die drängenden Fragen städtischer Zukunft wie Nachhaltigkeit, Stadtplanung, Architektur, Ökologie, Digitalisierung oder soziale Gerechtigkeit.

So stellte Eric Garcetti, der Bürgermeister von Los Angeles, seine Vision einer „zero carbon future“ vor, einer Zukunft, frei von CO2-Emis­sio­nen. „In Los Angeles arbeiten wir daran, unsere Stadt noch fairer, gleicher, wohlhabender und gesünder zu gestalten“, sagte Garcetti. Letztlich könne diese Ziel aber nur gemeinsam, nämlich global, erreicht werden.

Berlins Rathaus-Chef Michael Müller fand die „Questions“-Antworten bereichernd: „Unsere Wissensstadt Berlin ist dafür der richtige Ort. Dieses offene, kreative, aber auch kritische Miteinander gilt es weiterzuführen“, sagte der Politiker, der mit der September-Wahl von der Landes- in die Bundespolitik wechseln will. Müller: „Die globalen Herausforderungen wachsen und es liegt an den Metropolen, Lösungen zu finden, um ein gutes Leben vor Ort zu sichern“.

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5 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Ich finde das Interview mit Annette Hillebrandt zu dem Thema sehr interessant (www.youtube.com/watch?v=EppUe5FN36s). Langfristig wird man wohl eher zu anderen Bauformen und Begrünung in den Städten kommen müssen, sonst wird es ziemlich heiß werden.

    Übrigens, wohnen sollte ein Grundrecht sein, und Landbesitz sollte daher dem Staat obliegen. Aber damit wird man wohl nur als Kommunist verpönt. Nur, irgendwie macht es in meinen Augen keinen Sinn warum Privatleute einen Teil der Erde "besitzen" können. Bei Staaten macht es ja noch etwas Sinn, aber Privatleute? Why?

    • @Shasu:

      das Experiment "Junkerland in Bauernhand" ist ja schon eimal krachend gescheitert. Was läßt dich hoffen, dass es ein Berliner Senat besser macht?

      • @Münchner:

        Hmm, meine Frage war eher allgemeiner Natur und nicht explizit auf Berlin bezogen.

        Geschichtlich betrachtet gehört Land niemandem. Es ist ja auch nicht so als ob der Mensch die Erde erschaffen oder Einfluss auf ihr Dasein hätte. Die Idee, dass man etwas, was einem nicht gehört und nicht von einem selbst erschaffen wurde, einfach als sein eigen deklariert scheint mir etwas obskur.

        Natürlich trifft dies auch auf gemeinschaftlichen Landbesitz zu. Nur macht es in gewissem Grade Sinn, dass eine Gemeinschaft von Menschen Regeln braucht, welche ihr Zusammenleben organisieren. Im Rahmen dieser Regeln kann ich kommunale Verteilung von Lebensraum nachvollziehen. Kommunale Verteilung findet heutzutage auch statt, nur dass der "kommunale Besitz" in "privaten Besitz" übergeht, und dort dann bleibt. Und den Teil verstehe ich dann nicht mehr. Als System funktioniert es auch nicht bzw. funktioniert nur solange genug Land vorhanden ist für alle Mitglieder der Gemeinde, was zwangsläufig irgendwann nicht mehr der Fall ist.

        Es ist auch ein landläufiges Missverständnis, dass der Sozialismus an seinem grundlegenden System gescheitert sei. Das System ist am Mensch gescheitert. Also müsste man die menschliche Komponente im System justieren (durch Kontrollinstanzen, Demokratisierung etc.).

        • @Shasu:

          Sozialismus scheitert an der grundlegenden Fehleinschätzung, dass irgend wer besondere Leistung abliefert, wenn er persönlich nichts davon hat.

          • @Münchner:

            Leisten werden die Menschen so oder so, wenn sie Feuer und Flamme für etwas sind. Wenn Sie sich die meisten Wissenschaftler/Künstler/Erschaffer in der Menschheitsgeschichte anschauen, werden Sie sehr viele entdecken, für die die eigene Gier eher nicht die treibende Kraft war. Leistung klappt in jedem System, solange dem Einzelnen genug Freiheit gelassen wird sich zu entfalten.

            Leider kommt das Leistungsargument immer gerne mit der zugrundeliegenden Annahme, dass Menschen "faul" sein werden, wenn ihre Grundbedürfnisse durch den Staat oder anderweitig abgedeckt sind. Aber das stimmt nicht, wie sich auch geschichtlich belegen lässt. De facto ist das aktuelle System des Kapitalismus eher schädlich für Leistung, weil jemand der reich geboren wird, nie was in seinem Leben tun muss, während das Gros der Leute, welche in armen Verhältnissen geboren werden, für ihre Leistung meist zeitlebens nicht angemessen belohnt werden. Ein Drittel d. deutschen Bevölkerung hat kaum bis gar kein Barvermögen, sprich, wenn die sich jeden Monat um ihre Rechnungen Sorgen machen müssen, können sie sich auch nicht entfalten.