Wo die G7 gipfeln: Bei Müllers auf'm Schloss
Qigong, Helge Schneider und Kreativküche: Wer sich ins Schloss Elmau begibt, den erwartet mehr als ein bisschen Sauna mit Alpenblick.
Und jetzt also der G7-Gipfel in Schloss Elmau – einem Schloss wie gemacht für einen Gipfel, obwohl es im Tal liegt. So zumindest sieht das Schlossherr Dietmar Müller-Elmau, der den Gipfel etwas „ganz Tolles“ findet und sagt: „Ich habe dieses Hotel so gebaut, dass es perfekt ist für einen G7-Gipfel.“ Eine Behauptung, die in den Augen der Bundesregierung nicht ganz abwegig zu sein scheint, schließlich hat man sich nach 2015 in diesem Jahr schon zum zweiten Mal für das Schloss als Austragungsort der weltpolitischen Kaminrunde entschieden. Ab Sonntag werden sich hier Joe Biden, Olaf Scholz und Co. treffen – im tiefsten Süden der Republik, nach München sind es etwas mehr als hundert, nach Flensburg etwas mehr als tausend Kilometer.
Nun bezeichnet ein Schloss eigentlich eine Residenz der Herrschenden oder ehemals Herrschenden. Das freilich darf man in diesem Fall nicht zu eng sehen. Denn das Geschlecht derer von und zu Elmau, das sind schlicht und ergreifend die Müllers, die ihren Allerweltsnamen mittels Gutsnamen veredelt haben. Müller-Thurgau lässt grüßen. Begründer der Familie, zumindest aber Bauherr des Schlosses war ein gewisser Johannes Müller. Eine – freundlich formuliert – schillernde Gestalt, wie auch aus dem Buch „Schloss Elmau – Eine deutsche Geschichte“ des heutigen Schlossherrn, seines Enkels, hervorgeht.
Loriot war Stammgast
1916 erbaute Müller das Schloss mit Hilfe einer betuchten Gräfin als „Freiraum des persönlichen und gemeinschaftlichen Lebens“. Das Gut Elmau, das waren bis dato nicht mehr als ein paar Bauernhäuser in dem auf tausend Metern Höhe gelegenen Alpental, auch mal eine Sägemühle und ein Gasthaus. Das Königshaus am Schachen, ein von Ludwig II. auf den Berg gepflanztes tatsächliches Schlösschen, ließ sich von hier aus gut erwandern, was der „Kini“ bisweilen auch gerne tat. Erwandern ist in seinem Fall freilich ein großes Wort, er bevorzugte gewöhnlich die Fahrt mit Kutsche oder Schlitten.
Zurück zu Johannes Müller: Der Mann mit dem beeindruckenden Schnauzer war ein evangelischer Theologe mit durchaus speziellen Ansichten. So sah er in der Kirche das größte Hindernis auf dem Weg zu Gott. Einen offenbar schnelleren Weg wollte er selbst seinen Gästen in Elmau weisen – durch das unmittelbare Naturerlebnis wie auch Konzerte und Tanzabende, auf dass sie „im Sinne der Bergpredigt selbstvergessen, unbewusst und unmittelbar wie die Kinder ihrem göttlichen Wesen gewahr werden“ könnten. Der Weg zur G7-Location schien förmlich vorgezeichnet.
Zu den Nazis soll Müller ein gespaltenes Verhältnis gehabt haben: Auf der einen Seite wandelte er sich nach der Machtergreifung recht plötzlich zu einem glühenden Hitler-Verehrer, den er gar als „Werkzeug in Gottes Hand“ bezeichnete, andererseits lehnte er den Antisemitismus der Nationalsozialisten entschieden ab, nannte ihn öffentlich eine „Schande für Deutschland“ und beherbergte in Elmau weiterhin jüdische Gäste. Obwohl kein Parteimitglied, wurde er nach dem Krieg als „Hauptschuldiger“ verurteilt. 1949 starb er auf Schloss Elmau.
Nach Zwischennutzungen als Lazarett und Erholungsheim nahm Elmau, das zur Gemeinde Krün gehört, wieder den Hotelbetrieb auf – mit Tanz und Musik. Loriot und Johannes Rau sollen Stammgäste gewesen sein. Auch die Gruppe 47 hielt eines ihrer Treffen hier ab. G-47 möchte man die Schriftstellergarde rückblickend fast nennen.
Ein Großbrand zerstörte das Schloss
Ende der neunziger Jahre übernahm Dietmar Müller-Elmau – bisweilen schreibt er sich auch ganz globalisiert „Mueller-Elmau“ – das Hotel und gab ihm eine neue Ausrichtung: Weniger Tanz, mehr Konzerte und Symposien. Er selbst kam 1954 im Schloss zur Welt. Anders als ein Großteil der Müller-Elmaus, die sich der Schauspielerei verschrieben haben, hatte Dietmar Müller-Elmau mit einer Software-Firma ein Vermögen gemacht. Als das Schloss nach einem Kurzschluss 2005 fast vollständig abbrannte, ließ er es in nur zwei Jahren wieder aufbauen, 2015 schließlich wurde es durch ein zweites Luxushotel erweitert, „Retreat“ genannt. Hier werden nun auch die Staatsgäste logieren.
Insgesamt 160 Zimmer und Suiten gibt es in dem Fünf-Sterne-Hotel. Theoretisch kriegt man hier ausweislich der Preisliste außerhalb der Hauptsaison auch schon mal ein Einzelzimmer für 102 Euro pro Nacht. Die tatsächlichen Preise rangieren jedoch eher bei 700 Euro aufwärts. Das Interieur ist geschmackvoll, das verbaute Holz kommt – wie die Gäste des Hotels – aus aller Herren Länder. Schwarze Elefanten auf dunkelrotem Grund bilden ein wiederkehrendes Motiv der Innendekoration.
Draußen dann mehr Murmel- als Rüsseltier. Und Buckelwiesen, die unter Naturschutz stehen. Es ist ja auch wirklich schön hier. Zu Füßen der Zugspitze macht es sich die bajuwarische Idylle bequem, als gäbe es weder Ukrainekrieg noch Klimakrise. Wäre man böse, könnte man natürlich auch sagen: ein Alpenpanorama, wie man es kitschiger nicht auf die Leinwand pinseln könnte.
Zwei Michelin-Sterne
Aber wer lässt sich hier schon zu Bösartigkeiten hinreißen? Allenfalls vielleicht ein paar Globalisierungsgegner und Klimaaktivisten, die dieser Tage in München auf die Straße oder in Garmisch ins Protestcamp gehen wollen – gegen den Gipfel, versteht sich, nicht gegen das Panorama. Leute also, für die Dietmar Müller-Elmau ohnehin kein Verständnis hat. „Warum wird dieser Zirkus nur veranstaltet, wenn der US-Präsident kommt“, zitiert ihn etwa das Garmisch-Partenkirchner Tagblatt. „Das ärgert mich: Dass mehr Menschen gegen unsere Freunde protestieren als gegen die Feinde auf dieser Welt.“ Die Gruppe der G7 sei schließlich die einzige Organisation weltweit, die die Freiheit verteidigen könne.
Sind Staatslenker und Kritiker erstmal abgereist, kehrt in Elmau wieder der von Wellness, Geist und Musik geprägte Alltag ein. Es gibt tägliche Yoga-Kurse, sogar einen jährlichen Yoga-Gipfel, dazu Taiji Quan und Qigong sowie alle Klassiker der Wohlfühl- und Fitnesskultur. Abends dann hochkarätige Konzerte. Spitzenmusiker wie Yehudi Menuhin und Friedrich Gulda waren schon hier, drei Wochen nach dem Gipfel kommt Helge Schneider.
Natürlich ist auch für Verpflegung auf dem Schlossgrund gesorgt. Auf der Anlage befinden sich gleich mehrere Restaurants. Eines von ihnen, das Luce d’Oro, kann sich mit zwei Michelin-Sternen brüsten und lockt mit „japanisch-französisch inspirierter Kreativküche“. Wer es etwas bodenständiger will, sollte besser in die weniger edle Umgebung ausweichen. So wie Barack Obama, der beim letzten Gipfel mit Angela Merkel einen Abstecher ins Dorf machte und sich bei einer Brotzeit unter Trachtlern ablichten ließ. Dem Weißbier fehlte zwar der Alkohol, der Stimmung des amerikanischen Staatsoberhaupts tat das jedoch keinen Abbruch. Und der Krüner Bürgermeister hält noch heute das Glas, das die Präsidentenlippen berührten, in Ehren.
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