Wissenschaftliche Fakten über Geschlecht: Fakten, Fakten, Fakten
Die Debatte über das Geschlecht geht stetig weiter. Unser Autor hat dazu einmal dreizehn wissenschaftliche Fakten herausgesucht.
1. Die Biologie geht traditionell von zwei Geschlechtern aus. Das ist kein Naturgesetz, sondern eine Entscheidung.
2. Es ist möglich, in mehr als zwei Geschlechter zu kategorisieren. Die Vielfalt von Varianzen bei Keimdrüsen, Chromosomen, beim Hormonhaushalt et cetera gestattet biologische Einteilungen in null bis unendliche Geschlechter, je nach Forschungsfrage.
3. Dass Biolog*innen sich für die Zweiteilung entscheiden und Abweichungen unterschlagen, hat einen Grund. Biologie interessiert sich besonders für die Abstammung, die Evolution und das Fortpflanzungsverhalten von Spezies.
4. Solches Wissen ist wertvoll, etwa für den regulativen Eingriff in die Natur, zum Beispiel bei Landwirtschaft, Viehzucht oder Ökologie.
5. Biologische Modelle auf menschliche Gesellschaften zu übertragen, ist hingegen kein neutraler Akt, sondern ein politischer. Häufig mit dem Zweck, Herrschaft zu erhalten oder zu unterdrücken. Vergleichen Sie: Sozialdarwinismus, Rassentheorie, biologistische Theorien über die „Unterlegenheit der Frau“.
6. Individuen am biologischen Idealtypus der Fortpflanzung zu messen, entwertet Menschen mit homosexuellem Begehren und inter oder trans Geschlechtern. Es ist homo- und transphob.
7. In der seit diesem Jahr gültigen Neuauflage der internationalen Klassifikation von Krankheiten (ICD) gelten trans Geschlechter nicht mehr als Störungen, sondern als Varianten von geschlechtlicher Gesundheit. Das hat ein wissenschaftliches Gremium der WHO auf Grundlage neuester Forschung entschieden.
8. Damit sind trans Geschlechter wissenschaftlich betrachtet genauso gesund, normal und natürlich wie cis Geschlechter.
9. Das versprochene Selbstbestimmungsgesetz nebst Abschaffen von Zwangsbegutachtungen wird den Leidensdruck der trans Community massiv reduzieren und die Menschenwürde von trans Personen wiederherstellen.
10. Über nennenswerten Missbrauch solcher Selbstbestimmungsgesetze durch cis Männer ist aus den Ländern, die diese Gesetze bereits seit Jahren haben (Norwegen, Belgien, Irland und andere) nichts bekannt. Auch nichts darüber, dass Selbstbestimmungsgesetze den Schutz von cis Frauen beeinträchtigen würden.
11. Das Begutachten und Vermessen von „abweichenden“ Körpern mit dem Ziel, diesen Personen Freiheit zu entziehen, ist ein Charakteristikum totalitärer Herrschaft, etwa von Kolonialismus und Faschismus.
12. In Europa erstarkt seit Jahren eine neue Rechte, die via Reizthemen Anschluss an die Diskurse der Mitte sucht. Zu diesen Reizthemen gehört neben Klima und Migration auch Gender.
13. Ihre Strategie zielt darauf ab, dass ihnen Meinungsmacher*innen der Mitte beispringen, wenn sie soziale Bewegungen und den Pluralismus verhöhnen und alle Abweichler*innen ihrer völkischen Idealbürgerschablone einschüchtern.
Leser*innenkommentare
Max Mustermann
taz-Autor*in
Vielen Dank für eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion geschlossen. Die Moderation
alterego
Nur ein sehr, sehr kleiner Teil der Menschen kann nicht mittels biologischer Kriterien recht eindeutig einem biologischen Geschlecht zugeordnet werden. Dies ist keine Begründung für die Existenz multipler anderer Geschlechter, sondern eine Konsequenz fehlender Perfektion in den biologischen Prozessen.
Das Problem der unzureichenden Identifikation mit dem biologischen Geschlecht dagegen bleibt ein wichtiges Thema. Dieses Thema dann in einer politischen links-rechts Schablone zu pressen ist fehlende Achtung von den Betroffenen!
Die philosophischen Betrachtungsweisen sind Thesen, interessant aber selten hilfreich.
Gärtnerin
Danke für diese Erklärung!
Winnetaz
Unter 1. schreibt der Autor: "Die Biologie geht traditionell von zwei Geschlechtern aus. Das ist kein Naturgesetz, sondern eine Entscheidung."
Das stimmt so nicht. Biologie ist eine exakte Naturwissenschaft. Da wird nichts durch Tradition oder bloßes Davon-Ausgehen entschieden. Es geht um wissenschaftliche Beobachtung und Beschreibung von dem, was im Labor und in freier Wildbahn in der Natur faktisch vor sich geht. Ein drittes (oder viertes oder weitere) Geschlecht wurde bisher von der Wissenschaft jedenfalls nicht entdeckt, beobachtet und in wissenschaftlichen Arbeiten beschrieben.
"Divers" ist kein drittes Geschlecht, sondern eine juristisch-gesellschaftliche Kategorisierung für die Fälle, dass keines der beiden biologischen Geschlechter eindeutig zugeordnet werden kann, was durchaus vorkommen kann. Auch das wird von Biologen ja nicht bestritten, sondern entspricht dem, was man beobachten und beschreiben kann.
Schnurringer
Wieso nur 13?
Erik Martin
Leider werden in diesem Artikel Punkte und Argumente aus verschiedenen Wissenschaftsbereichen – Biologie, Medizin, Soziologie – vermischt. Durch rhetorische Mittel wird der Eindruck erweckt, es gäbe auch in gebildeten Kreisen in aufgeklärten Gesellschaften weiterhin eine massive Benachteiligung von Transgendern auf pseudowissenschaftlicher Ebene. Das ist nicht korrekt: Es gibt viel Verständnis für Transsexuelle.
Dass zahlreiche Menschen in vielen Ländern kein Verständnis zeigen ist sicherlich korrekt: Diese Kreise aber akzeptieren auch keine Homosexuellen und vielfach lehnen sie auch die Gleichberechtigung von Frau und Mann ab. Auch, wenn sie es selten so deutlich sagen.
Seriöse Wissenschaftler aber nehmen Transgender ernst. Und auch diese jetzt zu „Feinden“ zu erklären ist einer ernsthaften Diskussion zum Thema nicht förderlich.
Teleshopper
Klingt leider eher wie 13 Glaubenssätze als 13 "Fakten", da jegliche Belege fehlen.
Zu der Nummer mit dem ICD von der "WHO" sollte man vielleicht noch wissen, dass gerade bei psychischen Störungen das maßgebliche Werk der DSM-5 (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) von der Amerikanischen psychiatrischen Gesellschaft (APA) ist. Der kommt aus den USA und ist schon häufig durch mangelnde Transparenz, Willkür und Nähe zur Pharmalobby aufgefallen. So wurde vor ca. 20 Jahren nach einer Großen Spende die Kriterien für ADHS-Diagnosen einfach mal etwas runtergestuft was zu einer Explosion der Verschreibungen von Ritalin an Kinder führte...(Ist inzwischen wieder geändert). Naja, jedenfalls schreibt die WHO die meisten Sachen einfach aus dem DSM ab, da ihr selbst die Kapazitäten Fehlen die nötigen "Studien" durchzuführen...
Jetztnicht
Zu These 8: wie passt das dazu, dass offenbar in vielen Fällen eine medizinische Behandlung in Form einer Geschlechtsangleichung vorgenommen wird? Ohne moderne Chirurgie- und Medizintechnik wäre das ja gar nicht möglich. Letztlich ist das wohl auch eine Frage, wie man „gesund“ und „normal“ definiert, sprich: genauso abhängig vom abhängig vom Betrachtungsstandpunkt und gesellschaftlichen Konsens wie traditionelle Vorstellungen von Geschlecht. Um es klarzustellen: ich finde es gut, dass es diese medizinischen Möglichkeiten gibt und zweifle nicht an der „naturgegeben“ Existenz von Transsexualität. Trotzdem irritiert es mich, dass ich einen Zustand sowohl als gesund und natürlich als auch als massiv medizinisch behandlungsbedürftig betrachten soll.
fly
13 Punkte, sorry Fakten, zu Diskussion. Das wird ein Spass.
"1. Die Biologie geht traditionell von zwei Geschlechtern aus. Das ist kein Naturgesetz, sondern eine Entscheidung."
Ist das statement ein Fakt?
Die Biologie geht davon aus, dass in den meisten Species zwei Geschlechter zur Fortpflanzung nötig sind. Das es eine erheblich Variation dazwischen gibt, zeigt die Biologie. Punkt 2 und 8. Für die Biologie ist nur interessant, bei welcher Variation es ohne künstlichen Eingriff eben keine Fortpflanzung mehr möglich ist. Der Rest ist Gesellschaftskunde oder Politik.