Wissenschaft des Schwärmens: Mein lieber Schwarm
Schwärmen gilt als Teeniekram, Mädchen bereiten sich damit angeblich auf Beziehungen vor. Doch aktuelle Studien sagen etwas anderes.
H aben Sie sich schon mal vorgestellt, wie Sie und eine Kollegin sich auf der Betriebsfeier näherkommen? Oder Instagram-Beiträge einer alten Jugendliebe betrachtet und sich dabei ein Wiedersehen ausgemalt? Nicht? Dann kennen Sie vielleicht Tagträume von Sex mit einem Film- oder Popstar? Auch nicht? Sie haben noch nie geschwärmt? Wie schade.
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Schwärmen, das definiert die kanadische Wissenschaftlerin Charlene Belu wie folgt: „Sie fühlen sich von einer Person angezogen, mit der Sie vielleicht geflirtet haben, aber Sie haben noch nie versucht, eine romantische oder sexuelle Beziehung mit ihr einzugehen.“ Belu ist eine promovierte Psychologin an der Dalhousie University in Nova Scotia, die über das Schwärmen geforscht hat. Der englische Begriff dafür ist „have a crush on someone“. Er bezieht sich ausschließlich auf Personen. Nur darum soll es in diesem Artikel gehen. Und nicht um eine Vorliebe oder Begeisterung für einen Gegenstand, Ort oder eine Person. Sondern eben ums Schwärmen.
Und das ist weit verbreitet, wie Charlene Belu herausgefunden hat: Nach aktuellem wissenschaftlichen Stand hat die Mehrheit sowohl der Jugendlichen als auch der Erwachsenen hin und wieder oder dauerhaft einen Schwarm, manche auch mehrere gleichzeitig und das unabhängig von Geschlecht oder sexueller Orientierung. Auch der Beziehungsstatus und die Zufriedenheit mit der Partnerschaft scheinen keine Rolle zu spielen.
Das widerspricht der auch über Medien verbreiteten Vorstellung, Schwärmen sei ein Zeichen seelischer Unreife, kompensiere einen Mangel oder diene lediglich der Vorbereitung auf echte Beziehungen, wie es unter anderem der Saarbrücker Klinikmanager Martin Huppert in zahlreichen Interviews behauptet hat.
Immer wieder – zuletzt im WDR Anfang dieses Jahres – wird Huppert dazu befragt, weil er vor 17 Jahren eine Doktorarbeit über die Fan-Star-Beziehung veröffentlicht hat. Darin geht es allerdings nur am Rande ums Schwärmen, und seine Definition stützt sich auf eine waghalsig hergeleitete Theorie aus dem Jahr 1922. Kritisch hinterfragt haben Journalist:innen seine These – die sich zudem nur auf Mädchen bezieht, obwohl seine Befragung von Jugendlichen etwas anderes ergeben hatte – jedoch nie.
Der Grund dafür, dass sich solche irrigen Annahmen so lange halten, liegt auch daran, dass es kaum Forschung zum Thema gibt. Gerade einmal vier Forschungsteams haben sich gezielt empirisch mit dem Schwärmen beschäftigt, alle in den USA und Kanada beheimatet. Eine Arbeit ist 1934 veröffentlicht worden, die nächsten dann erst wieder im vergangenen Jahrzehnt. Am tiefsten eingestiegen ist Charlene Belu in Kanada, die sich als Einzige mit schwärmenden Männern und Frauen in Beziehungen beschäftigt hat. Von ihr stammt auch die jüngste Publikation zum Thema. Eine andere Wissenschaftlerin hatte zuvor ausschließlich schwärmende Frauen befragt, die anderen beiden Studien handeln nur von Jugendlichen.
Auch Belu hatte Vorannahmen, die sie durch ihre eigenen Untersuchung fast alle revidieren musste. Für eine 2019 veröffentliche Arbeit hatte sie in einer Vorstudie 176 Personen befragt und fand keine Bestätigung ihrer Hypothese, dass mehr Frauen als Männer von Schwärm-Erfahrungen berichten würden. Die Hauptstudie – 247 Frauen und Männer – räumte dann mit ihrer Vermutung auf, dass Menschen in unglücklichen Beziehungen eher dazu neigen, von alternativen Partner:innen zu träumen. Allerdings gab es eine Minderheit – 17 Prozent – die aussagte, dass sie ihren Partner oder ihre Partnerin für den Schwarm verlassen würden. Und diese Personen berichteten überdurchschnittlich oft, weniger zufrieden mit der Beziehungsqualität zu sein.
Belus Hauptaugenmerk gilt der Frage, inwiefern Schwärmereien eine Vorstufe von Beziehungen und damit eine Bedrohung für exklusive Partnerschaften darstellen. Ergebnisse von drei weitergehenden Untersuchungen dazu hat sie im August veröffentlicht. Dabei kam heraus, dass Singles im Durchschnitt seltener mit ihrem Schwarm flirteten als Menschen in Beziehungen und ihre Gefühle auch eher geheim hielten als diese. Zudem fand Belu weitere Belege dafür, dass zumindest diejenigen in Beziehungen keine Absicht hatten, ihre Fantasien in die Tat umzusetzen. Es sei wohl „eine Form absichtlich unerfüllter Sehnsucht“, schreibt sie. Und dass die meisten ihre Schwärmereien genießen könnten, als „unterhaltsame Abwechslung im Alltag“. Nur 24 Teilnehmer:innen wünschten sich, dass die Attraktion verschwinden werde.
Die Wissenschaftlerin schließt aus all dem, dass es beim Schwärmen offenbar nicht darum gehe, der oder dem Angebeteten näher zu kommen. „Stattdessen scheinen Schwärmereien andere psychosoziale Ziele zu verfolgen, vielleicht in einem Kontext, in dem man alternative Partner:innen betrachten, überprüfen und abgleichen kann.“
Doch in dieser Aussage zeigt sich die Beschränktheit einer Forschung, die Schwärmereien nur im Kontext „verliebt, verheiratet, geschieden“ betrachtet. Will man die bisher unklare Funktion des Schwärmens verstehen, lohnt es sich, auch Schwärmereien für Stars näher zu betrachten. Denn tatsächlich schwärmen viele Erwachsene von Prominenten, fast genauso häufig wie von Kolleg:innen oder Freund:innen, das hatte Belus aktuelle Studie ergeben. In der vorangegangenen von 2019 hatte diese Kategorie noch gefehlt. Nun waren Schwärmereien für Stars zwar abgefragt worden, werden aber als „Fantasieschwarm“ bezeichnet, in der Annahme, die Wahrscheinlichkeit, dass sich mehr aus dem Schwarm entwickle, sei weniger „real“ als bei anderen Schwarmobjekten.
Das ist eine künstliche Differenz, denn zum einen hat Belus Forschung ergeben, dass es gar nicht unbedingt darum geht, tatsächlich in Kontakt zu kommen, und zum anderen sind Stars und Sternchen in Zeiten von Social Media nicht unerreichbarer als etwa Personen, die jemand über eine Dating App kennen gelernt und noch nie getroffen hat. Oder ehemalige Sexpartner:innen, mit denen jetzt nur noch ein virtueller Kontakt besteht.
Auch die Begriffsgeschichte legt nahe, dass das Schwärmen per definitionem aus der Ferne geschieht und immer etwas mit Fantasie zu tun hat. Laut Kluges etymologischem Wörterbuch der Deutschen Sprache bedeutet Schwärmen, „sich auf wirklichkeitsferne Weise für etwas begeistern, im heutigen Sinn etwa seit dem 18. Jahrhundert“. Noch jünger ist laut Wörterbuch die Übertragung dieses Zustands auf Personen („schwärmerisch verehren“). Seine Wurzeln aber hat das Wirklichkeitsferne im Religiösen: Als „Schwärmer“ und „Schwarmgeyster“ hatte Martin Luther seine innerreformatorischen Gegenspieler bezeichnet, die sich vom Heiligen Geist erfüllt wähnten und jede kirchliche Ordnung ablehnten. Weil sie häufig als Ketzer verfolgt wurden, zogen sie ohne festen Wohnsitz durch die Lande, oft mit einem Gefolge von Anhänger:innen, daher vermutlich die Bezeichnung als (Umher-)Schwärmende.
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Der lateinische Begriff für diese Leute ist „fanaticus“ („von Gott ergriffen“) von dem sich das Wort „Fan“ ableitet, das aber auch eine weitere Wurzel in „fancy“ haben könnte. Fancy heißt im Britischen Englisch schwärmen und geht auf „fantasy“ zurück. Es gibt noch einen weiteren Begriff, der eine Verbindung zwischen Schwärmen, religiöser Verehrung und Fantum herstellt. Das britische Pendant zur deutschen Schwärmerei ist der „Enthusiasm“, was aus dem Griechischen kommt und „in Gott sein“ bedeutet. Als „enthusiastisch“ wiederum bezeichneten Zeitungskommentatoren seit Mitte des 19. Jahrhunderts das begeisterte Publikum von Musikkonzerten – bevor sich ein paar Jahrzehnte später der Begriff „Fan“ etablierte, zunächst im Sport.
Doch auch die Fan Studies, eine relativ junge interdisziplinär arbeitende Wissenschaftsdisziplin, haben nichts über das Schwärmen zu sagen. Das mag daran liegen, dass diese angetreten sind, um das sich bis heute haltende Negativimage von Fans aufzupolieren und zu zeigen, wie kreativ und aktiv diese sind. Dem Schwärmen hingegen haftet der Ruch des Passiven an, wie ein Zitat aus dem Jugendmagazin Jetzt zeigt: „Nur leise von Weitem an sie hinschwärmen, wäre uns zu wenig, das kommt uns schwach und hilflos vor“, sagt der Autor – Männer würden deshalb nicht schwärmen.
Das lässt sich auch anders sehen. Vorausgesetzt, dass Schwärmen damit einhergeht, sich romantische oder sexuelle Handlungen mit dem Schwarm auszumalen und sich damit ziemlich aktiv gute Gefühle zu verschaffen. So gibt es in der Fanforschung, etwa von Tonya Anderson oder Cornel Sandvoss, Hinweise darauf, dass Fans ihre Schwärmereien für den Erhalt ihrer psychischen Gesundheit einsetzen. Weitere Beispiele liefert das 1985 erschienene Buch von Fred Vermorel „Starlust“ über „die geheimen Fantasien von Fans“, eine Sammlung von persönlichen Berichten. Eine im Rahmen des Buchprojekts interviewte Frau nennt darin Tagträumen „eine Kunst“ und setzt das Gefühl sogar gleich mit dem einer Meditation.
Doch wahr ist auch, dass sich viele Schwärmende für ihre Fantasien schämen und sogar Schuldgefühle entwickeln. Hinweise darauf finden sich in allen genannten Forschungsarbeiten der Psychologie und der Fan Studies. Vielleicht wäre das anders, wenn das Schwärmen nicht mehr so abgewertet würde.
***
Wunderbar unerreichbar: Taiwo Awoniyi!
„Seit vergangenem Sommer schwärme ich für Taiwo Awoniyi, einen Fußballer aus Nigeria, der für den 1. FC Union in Berlin spielt. Ein supersympathischer, supergut aussehender Mann. Er vermittelt ein Gefühl, dass man Kraft aus einer Gemeinschaft ziehen kann, das mag ich an ihm. Und obwohl er ein wahnsinnig guter Fußballer ist, tritt er ganz bescheiden auf und würdigt immer die Teamleistung.
Ich habe schon immer geschwärmt, manchmal über Jahrzehnte. Mein erster riesengroßer Schwarm war Björn Engholm, der SPD-Politiker aus Schleswig-Holstein, der 1993 auch mal Kanzlerkandidat war. Als Teenager fand ich ihn total toll, weil er als Politiker ganz anders aufgetreten ist als andere.
Ich fand auch mal den dänischen Schauspieler Mads Mikkelsen toll, und einmal habe ich auch für einen Chef von mir geschwärmt. Ich glaube, was alle verbindet, ist das gute Aussehen und dass sie nicht arrogant sind, obwohl sie so viel zu bieten haben. Und dass sie zugewandt sind und … nahbar.
Für mich ist es wichtig, zu meinem Schwarm in Kontakt zu treten, ihn jedenfalls theoretisch kennen lernen zu können, obwohl uns Welten trennen. Björn Engholm habe ich damals einen Brief geschrieben, und daraufhin hat er mich eingeladen, ihn auf einer SPD-Sommertour zu begleiten. Und Taiwo Awoniyi bin ich mal beim Einkaufen über den Weg gelaufen, da habe ich ihn auf das Spiel vom Vorabend angesprochen.
Leider hatte ich nichts dabei, mit dem ich mir ein Autogramm hätte geben lassen können, und ein Foto, das wollte ich irgendwie nicht. Aber wir haben uns so coronamäßig Faust an Faust die Hand geschüttelt. Danach bin ich ein paar Wochen auf Wolken geschwebt.
Das Autogramm habe ich mir später besorgt, das steht jetzt eingerahmt im Wohnzimmer. Ich habe ihn auch einmal über Twitter kontaktiert. Darauf hat er reagiert, aber schon sehr, sehr sparsam. Ich war davon nicht enttäuscht, ich freue mich, wenn überhaupt etwas zurückkommt. Für mich gehört, glaube ich, zum Schwärmen dazu, dass mein Schwarm eine Distanz wahrt, die klarmacht, dass meine Fantasien nicht real werden. Also zu einer gemeinsamen Nacht hätte ich immer ja gesagt, aber ich will keine Beziehung – auch wenn ich mir die in Tagträumen vielleicht manchmal ausmale. Dazu sind die Lebensumstände doch zu krass anders.
Schwärmen gibt mir das Gefühl, dass das Leben viele Möglichkeiten birgt. Dass man so wie ich damals mit dem Brief an Engholm etwas Bereicherndes erlebt, von dem man lange zehrt, sich aus der Realität so ein bisschen rausziehen und ein Glücksgefühl schaffen kann mit ganz wenigen Mitteln. Ich muss mir nur Fotos angucken oder etwas über meinen Schwarm lesen, und schon fühle ich mich besser.
Ich setze das manchmal gezielt in langweiligen oder blöden Situationen ein. Dann denke ich an denjenigen und überlege, wie es wäre, ihm nahezukommen, wobei das eher Knutschen wäre als Sex. Schwärmen kann schon lebensverändernd sein, und das Gute ist: Es birgt kein Risiko.“
Eine Berlinerin Ende 40, protokolliert von Eiken Bruhn
Über den Tod hinaus: Marlene Dietrich!
Frühe neunziger Jahre: Meine Kumpels schwärmten von Madonna oder der Tennisspielerin Gabriela Sabatini, ich aber von Marlene Dietrich. Irgendwann hatte ich im Stern eine lange Geschichte über eine alternde Filmdiva gelesen, die ihre Wohnung nicht mehr verließ und mit dem Telefon den Kontakt zur Außenwelt hielt. Eine zweifellos traurige Geschichte, aber die Fotos hauten mich um: Dieser Schlafzimmerblick! Diese Ausstrahlung!
Egal aus welchem Jahrzehnt die Bilder stammten: Mit Strapsen auf dem Fass sitzend im Film „Der blaue Engel“, in US-Uniform, mit Frack und Zylinder, im Hosenanzug. Irgendwann mal waren bei Frauen weite, lange Hosen Mode, etwas verniedlichend Marlene-Hosen genannt – fand ich natürlich gut. Ich las über sie, guckte ihre Filme.
In meiner unbescheidenen Fantasie malte ich mir aus, wie ich in ihrer Zeit lebte und ihre Liebhaber Joseph Kennedy, Erich Maria Remarque und Ernest Hemingway beiseite schiebe. Einer echten Diva angemessen fand ich, wie sie mit ihren zahllosen Verehrern (und Verehrerinnen) umging. Gequälte Ausreden wie „Wir können aber Freunde sein“ oder „Ich lebe in einer festen Beziehung“ wären Dietrich nie über die Lippen gekommen, viel zu kleinbürgerlich. Sie hätte ehrlich gesagt: Du bist nicht genug für mich. Oder sich ihn oder sie genommen.
Ich schrieb mal einer Frau, in die ich verliebt war, die mir aber einen Korb gab, und zitierte leicht abgewandelt einen Dietrich-Songtext: „Männer umschwirr’n Dich / Wie Motten das Licht / Und wenn sie verbrennen / Ja dafür kannst Du nichts.“ Ich hörte nichts mehr von ihr, sie fand es wohl peinlich, zu Recht.
Ich wohne übrigens ziemlich genau zwischen Marlene Dietrichs Elternhaus und dem Friedhof, auf dem sie begraben liegt. Das kann kein Zufall sein.
Gunnar Hinck
Aber bitte nur ohne Tränen: Frauen!
Homos wie ich verlieben sich nicht in Frauen, sie himmeln sie auch nicht an, sondern: schwärmen für sie. Worauf es bei der klitzekleinen und gewichtigen Ultraadoration ankommt, ist, dass diese Frauen (ohne Sternchen) von größter Smartness sind. Kühl bis kalt, und bitte keine Tränen.
Maria Schell war eine Horrorschnalle, dauernd wimmernd und leidend. Und die Liebende selbst, viel zu passiv. No way. Oder die ewig aufgetriedelte Shirley McLaine – ach nee, viel zu muttihaft auf die alternative Weise. Mehr so Weiber im charakterlich schmutzigen Sinne, da wird die Schwärmerei ernsthaft. Etwa Désirée Nosbusch in „Bad Banks“, in dieser Serie das menschliche Eis selbst.
Natürlich muss auch Uma Thurman genannt werden, „Kill Bill“ (I & II), eine Rachegöttin allergrößter Vorsätzlichkeit, erbarmungsarm und rücksichtsvoll zugleich (Kinder bleiben am Leben, klar). Last but not und never least: Helen Mirren. Nicht die in ihren resilienzförderlichen und woken Caffe-Latte-Wohlfühlfilmen („Die Frau in Gold“, „The Queen“ etc.), sondern als Inspector Jane Tennison in „Heißer Verdacht“ – allein, wie sie sich den Job als leitende Ermittlerin gegen die Cis-weiß-heteronormative Männermannschaft besorgt, ist von größter Resolutheit, absolut ohne alle Charme- oder Lächelzutaten. Nebenbei: dauerrauchend.
Jan Feddersen
Für immer in der Playlist: Tobias Regner!
Ich war 13, als Tobias Regner 2006 die dritte Staffel von „Deutschland sucht den Superstar“ gewann. Er hatte helle, mittellange Haare, eine raue Stimme, war Anfang 20, kräftig gebaut und trug bedruckte Shirts. Er ist der einzige Popstar, von dem ich jemals ein Poster aufgehängt habe. Für ihn habe ich sogar gegenüber meiner Mama – zu Recht bekennende Bohlen-Hasserin – zugegeben, DSDS zu schauen. Damit ich ihn ausnahmslos jeden Samstag Songs von Nickelback, U2 oder Bon Jovi singen hören konnte.
Am Morgen nach seinem Sieg fiel ich meiner Mitschwärmerin und Handballfreundin Maja in die Arme. Wir sprangen herum, als hätten wir das anstehende Punktspiel schon gewonnen. Sobald es ging, kaufte ich mir sein Album, hörte es rauf und runter, überspielte es sogar auf Kassette – damit ich es mit meinem Walkman überall hin mitnehmen konnte. Ich wusste genau, wie weit ich spulen muss, um zu meinem Lieblingslied zu skippen. Wenn es lief, dachte ich: Wow, so klingt echte Rockmusik.
Als ich heute bei TV Spielfilm lese, dass er zwischenzeitlich Eddie in „The Rocky Horror Show“ verkörpert hat, wird mir ein bisschen warm ums Herz. Ich höre den Song von damals und schiebe ihn in die „Old shit“-Playlist.
Alina Götz
Auf ein Wiedersehen: Jörg Draeger!
Wenn meine Eltern im Jahr 1995 – da wurde ich drei – für mich den Fernseher einschalten mussten, dann nicht wegen der Maus, dem Elefanten, der Tigerente oder der Gummibärenbande. Es war wegen Jörg. Jörg Draeger. Genau, der mit dem Schnurrbart, Gastgeber der Gameshow „Geh aufs Ganze“, die in den Neunzigern von montags bis samstags im Sat.1-Vorabendprogramm lief und von bunten Umschlägen, Kisten, Toren, Traumreisen und einer rot-schwarzen Stoffratte handelte. Zumindest sind das die Fragmente, an die ich mich erinnere, wie gesagt, ich war nicht mal drei.
Die Regeln habe ich nicht kapiert, der Zonk ließ mich kalt. Es war einzig Jörg, dem meine Aufmerksamkeit galt. Sobald er die Showtreppe hinunterschritt, war ich von den Haarwurzeln bis in die Zehenspitzen entzückt. Ich schaute die Sendung nie neben meinen Eltern auf dem Sofa, ich musste stehen, kerzengerade und so nah, wie ich durfte, am Fernseher. Ich fand Jörg wahnsinnig witzig. Und charismatisch. Und so adrett. Das ist sicher nicht, was mir damals durch den Kopf ging, aber wenn ich mich ganz doll anstrenge, meine frühkindlichen Synapsen reaktiviere und parallel das Youtube-Video einer alten Sendung anschaue, dann war’s vielleicht das.
Für Sommer 1995 schreibt meine Mutter in eines dieser Bücher, in denen man die „Meilensteine“ des Kindes notiert: „Leonie schwärmt für Jörg Draeger von ‚Geh aufs Ganze‘. Den kann sie nachmachen: ‚Tor 1, was Sie nicht haben, bitte auf!‘ und ‚Wir sehen uns wieder‘, dann verbeugt sie sich.“ Jetzt lese ich, dass seine Show neu aufgelegt wurde. Immer freitags auf Sat.1. Jörg, wir sehen uns wieder.
Leonie Gubela
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